Nachgefragt zur Digitalisierung im DiCV Essen
Der Titel der Jahreskampagne 2019 der Caritas ist „Sozial braucht digital“. Warum scheint es auch für die sozialen ­Akteure so wichtig zu sein, digital zu werden?
Digitales ist heute fast so selbstverständlich wie Strom oder Wasser, wird aber dennoch skeptisch gesehen. Apps und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder auch Dienste wie Amazon und Google gehören heute zur Lebenswelt der Klienten und sind schlicht nicht mehr wegzudenken. Wenn wir den Auftrag der sozialen Arbeit ernst nehmen, Menschen tatsächlich in ihrem ­Alltag zu unterstützen, dann muss man diesen Part bei allen Überlegungen mit einbeziehen. Das bringt Veränderungen mit sich, die logischerweise nicht alle positiv finden. Aber: Wenn es ein Arbeitsfeld gibt, das fähig ist, sich anzupassen und sich auf Neues einzustellen, dann ist es die soziale Arbeit.
Was sollte die Caritas für ihre soziale Arbeit nutzen, wovor ­sollte sie sich und die Menschen, die sie begleitet, schützen?
Die Caritas, und jede andere Organisation der Wohlfahrt und sozialen Arbeit, sollte die aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten und Dienste – beispielsweise Messenger, Online-Beratung und Ähnliches – prüfen und gezielt nutzen. Entscheidend ist, die Klienten beim Aufbau der nötigen (Medien-)Kompetenz zu unterstützen, um zum Beispiel Spam und Betrug zu erkennen.
Digitale Teilhabe ist eine Voraussetzung für soziale Teilhabe, behaupten manche. Verliert den Anschluss, wer analog bleibt?
Ich glaube, dass Menschen, die sich dem Digitalen komplett verschließen, gesellschaftlich zumindest teilweise abgehängt werden und keinen Zugang zu bestimmten Angeboten haben. Das hat mit Lebensqualität zu tun, aber auch mit Teilhabe und Chancengleichheit. Wenn ich etwa an Kinder und Jugendliche denke: Die meisten Schulen – auch wenn sie im Unterricht nicht mit Tablets arbeiten – setzen heute voraus, dass Internet- und Computer­zugang vorhanden ist. Wenn ich aber in einer Familie lebe, in der das finanziell nicht leistbar ist, dann habe ich definitiv Nachteile gegenüber meinen Freunden. Wenn diese dann auch noch über Whatsapp kommunizieren, bin ich ganz klar hintendran. Hinzu kommt, dass Bürgerbeteiligung heute schon in weiten Teilen digital funktioniert. Niemand muss digital alles nutzen, aber Digitales ist nicht mehr wegzudenken oder zurückzudrehen.
Was sind Ihre Zukunftsideen für die Caritas im Bistum Essen?
Die Zukunftsfragen, die ein Verband wie die Caritas angehen muss, sind größer und übergreifender als einzelne Arbeitsbereiche. Was wir brauchen, ist Kooperation und Offenheit nach außen und innen. Was machen andere? Welche Lösungen entwickeln Start-ups und kommerzielle Anbieter? Wir müssen uns Expertise einkaufen oder durch Kooperation einbeziehen. Da geht es mir um die sozialpolitische Komponente, wo wir technologisch, aber auch konzeptionell viel verstehen müssen, bevor wir überhaupt mitreden können. Das betrifft Gesetzgebungsverfahren genauso wie den Einsatz neuer Technologien, wie etwa das autonome Fahren oder auch Gesichtserkennung. Da geht es um Algorithmen, die diskriminieren oder nicht diskriminieren können. Wie beurteilen wir das, was ist sinnvoll?
Wie wollen Sie die Offenheit für Neues und digitale Aspekte in der Caritas erreichen?
Ich halte den Blick nach innen in den eigenen Verband für ganz entscheidend. Wie nehmen wir die mit, die die Arbeit zum Teil schon sehr lange machen? Das ist nicht nur notwendig, sondern auch eine Frage der Wertschätzung und des Respekts den Menschen gegenüber. Niemand wird „Hurra“ schreien, wenn nach Jahrzehnten so massive Veränderungen eintreten, und das ist auch niemandem vorzuwerfen. Wir müssen uns unbedingt die Zeit nehmen und Ressourcen einsetzen, um ins Gespräch zu gehen, Verständnis zu schaffen und Menschen zu qualifizieren. Wir müssen den Sinn und Zweck des Neuen, des Digitalen erklären, um Entscheidungen transparent zu machen. Diese internen Faktoren sind – neben dem Blick nach außen – eine große Baustelle.
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