Für eine wirksame Ausbildungsduldung braucht es klarere Vorgaben
Die sogenannte Ausbildungsduldung - mitunter auch als "3+2-Regelung" bezeichnet - wurde im Sommer 2016 mit dem Integrationsgesetz geschaffen (§ 60 a Abs. 2 Satz 4 ff. Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). Damit wird eine Duldung für den Zeitraum der Ausbildung erteilt. Nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung ist unter gewissen Voraussetzungen eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (§18 a AufenthG). In seiner Stellungnahme zum Gesetz hat der Deutsche Caritasverband (DCV) die mit der Ausbildungsduldung verbundenen Ziele, mehr Rechtssicherheit für den Aufenthalt während einer Ausbildung zu schaffen und das Verfahren zu vereinfachen, befürwortet.1
Das Bundesinnenministerium hat im November 2016 sowie im Mai 2017 Anwendungshinweise veröffentlicht wie auch die meisten Länder eigene Erlasse und Verfahrenshinweise zur Umsetzung der Ausbildungsduldung. Nach zwei Jahren lässt sich aus Sicht des DCV festhalten, dass die Regelung aufgrund einer oftmals restriktiven Anwendung häufig ins Leere läuft.
Unter anderem zeigen sich folgende Schwierigkeiten, für die Lösungsvorschläge unterbreitet werden:
1. Großer Ermessensspielraum der Ausländerbehörden beim Erteilen einer Beschäftigungserlaubnis, bevor eine Ausbildungsduldung erteilt wird
Vor einer Ausbildungsduldung muss die Ausländerbehörde zunächst eine Beschäftigungserlaubnis erteilen. Diese liegt im Ermessen der Ausländerbehörden und wird bundesweit sehr unterschiedlich gehandhabt. Diese Unterschiede in der Auslegung verunsichern Auszubildende wie auch die Betriebe.
Abhilfe schaffen können einheitliche und klare Vorgaben: Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung vor, ist das Ermessen für die Ausländerbehörden in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis aus Sicht des DCV zugunsten der Ausländerin/des Ausländers auszuüben.
2. Unsicherheit, wann "konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung" bevorstehen
Eine Ausbildungsduldung wird von der Ausländerbehörde nur erteilt, wenn "konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung" nicht bevorstehen. Wann dies der Fall ist, wird bundesweit sehr unterschiedlich - und teilweise sehr weitreichend - interpretiert.
Eine bundesweit einheitliche Anwendung würde zu Rechtssicherheit führen. Der DCV plädiert für eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes, indem der Halbsatz "und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen" gestrichen wird. Bis diese Änderung eintritt, sollten auf Landesebene in Anlehnung an Auslegungshinweise einzelner Bundesländer bevorstehende aufenthaltsbeendende Maßnahmen nur bei einem engen sachlichen Bezug zur Abschiebung angenommen werden. Weiterhin sollte nach dem Beantragen einer Ausbildungsduldung und während des Prüfverfahrens davon abgesehen werden, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Ausbildung mit Aufenthaltsgestattung begonnen wurde und ein Wechsel in eine Duldung unmittelbar bevorsteht.
3. Ausbildungsduldung erst bei Beginn der Ausbildung
Viele Betriebe und Schulen legen sich frühzeitig auf eine(n) Auszubildende(n) fest. Manche Ausländerbehörden prüfen den Antrag auf Ausbildungsduldung aber erst kurz vor Ausbildungsbeginn, unabhängig davon, wann der Ausbildungsvertrag geschlossen wurde. Dadurch entsteht eine Lücke, die bei allen Beteiligten Unsicherheiten auslöst.
Der Anspruch auf Erteilung der Ausbildungsduldung sollte aus Sicht des DCV bundesweit mit Abschluss des Ausbildungsvertrages bestehen. Bis dahin sind entsprechende Anwendungshinweise, wie sie in einigen Bundesländern bestehen, erforderlich.
4. Keine Berücksichtigung einjähriger Ausbildungsberufe
Einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung haben derzeit Personen, die eine mindestens zweijährige betriebliche oder schulische Ausbildung aufnehmen. Helferausbildungen sind bislang nicht beinhaltet. Jedoch beginnt der berufliche Einstieg insbesondere in Berufe mit hoher Sprachanforderung häufig mit einer solchen einjährigen Helferausbildung. Im Idealfall schließt daran eine mehrjährige Fachkraftausbildung an, beispielsweise in der Altenpflege. Dass Helferberufe nicht berücksichtigt werden, ist insbesondere für Arbeitgeber in Sozial- und Gesundheitsberufen mit großem Fachkräftemangel problematisch.
Auf Bundesebene ist eine Ausbildungsduldung auch für staatlich anerkannte einjährige Ausbildungsgänge erforderlich. Solange keine bundeseinheitliche Regelung besteht, sollten in den Ländererlassen die einjährigen Ausbildungsberufe im Rahmen einer Ermessensduldung geregelt werden.
5. Keine Berücksichtigung ausbildungsvorbereitender Maßnahmen
Die Einstiegsqualifizierung (EQ) fällt bislang ebenso wenig wie berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) unter die Ausbildungsduldung. Allerdings haben sich diese Instrumente bewährt, um fehlende oder berufsbezogene Deutschkenntnisse nachzuholen. Wie bereits von der Integrationsministerkonferenz gefordert, sollten die genannten Maßnahmen in Kombination mit ein- oder mehrjährigen Ausbildungen zur Ausbildungsduldung führen.
Auch die Politik sieht mittlerweile Handlungsbedarf. So wird im Koalitionsvertrag auf eine "bundesweite ausbildungsfreundliche Umsetzung der wichtigen 3+2-Regelung für den Arbeitsmarktzugang gemäß § 60 a Aufenthaltsgesetz" gedrängt. Weiter wird festgestellt, dass "die Ermöglichung eines Zugangs zu einer qualifizierten Berufsausbildung mit einer Duldung" "nicht durch eine zu enge Anwendung des Beschäftigungsrechts für Geduldete unterlaufen werden" darf und eine Anwendung auf staatlich anerkannte Helferausbildungen angekündigt.
Auf Bundesebene bietet dies der Caritas Anknüpfungspunkte für die Lobbyarbeit. Aber auch auf Landesebene bestehen Möglichkeiten, über Erlasse eine sinnvollere Anwendung der Ausbildungsduldung zu erreichen, weshalb sich auch hier Gespräche mit Regierungsmitgliedern, Abgeordneten und Vertreter(inne)n von Wirtschaftsverbänden anbieten.
Anmerkung
1. https://www.caritas.de/fuerprofis/presse/stellungnahmen/04-25-2016-positionen-der-caritas-zu-einem-fluechtlingsintegrationsges
Windstöße der Veränderung
Gemeinsam einkaufen und organisieren
Die Expertise bleibt erhalten
Mehr Einrichtungen, mehr Mitarbeiter, mehr Betreute_ Zentralstatistik 2016
Es braucht eine Reform der Reform
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