Ein Gesamtpaket, das Schule macht
Es wird immer deutlicher, dass es nicht spezieller Flüchtlingskonzepte bedarf, um geflüchtete Menschen in die Pflege zu integrieren. Vielmehr gilt es, bestehende Konzepte anzupassen. Im Schulversuch des Landes Baden-Württemberg ist dies mit der "zweijährigen Berufsfachschule für Altenpflegehilfe" mit Intensiv-Deutschkurs sehr gut gelungen. Diese ermöglicht Migranten und Geflüchteten, die nur geringe Deutschkenntnisse haben, eine auf zwei Jahre gestreckte Ausbildung zum/zur Altenpflegehelfer(in). Das Besondere dabei ist die Verknüpfung der zentralen Themen berufliche Ausbildung, sprachliche Qualifizierung und kulturelle Einbindung. Zudem kann der Hauptschulabschluss im Rahmen dieser Ausbildung erlangt werden: Die Schule stellt nach bestandener Abschlussprüfung eine Bestätigung darüber aus.
Ein Zugang zu einer Pflegeausbildung, der nicht zwingend einen Hauptschulabschluss voraussetzt, sondern ihn innerhalb der Ausbildung erreichbar macht, und eine Ausbildung mit intensivem Deutschunterricht und staatsbürgerlich-politischem Bildungsanteil sind nicht nur vor dem aktuellen Hintergrund der Flüchtlingsintegration sinnvoll. Die Verbindung von fachlicher und sprachlicher Ausbildung wie auch die Auseinandersetzung mit Werten und Normen einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaftsordnung werden für eine Ausbildung in Deutschland als Einwanderungsland auch in Zukunft unabdingbar sein.
Darüber hinaus werden die Sozialkassen entlastet, da Flüchtlinge statt Sozialleistungen ein Ausbildungsgehalt bekommen.
Die Ausbildungsduldung gilt es zu sichern
Beim zweijährigen Schulversuch wird die in Baden-Württemberg einjährige Pflegehelferausbildung zeitlich gestreckt: Vor allem haben die Schüler(innen) im ersten Jahr zehn Stunden Deutsch pro Woche. Nach diesem Jahr müssen sie die B1-Sprachprüfung ablegen, um weitermachen zu können.
Auszubildende in einer schulisch oder beruflich qualifizierten, mindestens zweijährigen Ausbildung erhalten nach dem Integrationsgesetz einen sicheren Aufenthaltsstatus für die Gesamtdauer der Ausbildung. Bei anschließender ausbildungsadäquater Beschäftigung wird ein Aufenthaltsrecht für zwei weitere Jahre erteilt (sogenannte 3+2-Regel, also - im Normalfall - drei Jahre Ausbildung plus zwei Jahre Aufenthaltsrecht).
Keine Anwendung findet die Ausbildungsduldung somit auf die einjährige Pflegehelferausbildung. Ebenso kann sie auch nicht auf die "zweijährige Berufsfachschule für Altenpflegehilfe" mit intensivem Deutschkurs angewendet werden, da diese "nur" wegen des Deutschunterrichts auf zwei Jahre erweitert wurde. Die eigentliche Ausbildung erstreckt sich nur über ein Jahr.
Bei der dreijährigen Pflegefachkraftausbildung kommt die Ausbildungsduldung zur Anwendung. Jedoch ist der direkte Start in die Fachkraftausbildung (ohne die vorgeschaltete Altenpflegehilfeausbildung) für viele Bewerber(innen) zu schwer.
Die Kolping-Altenpflegeschule in Stuttgart hat einen Weg gefunden, das Dilemma zu umgehen. Sie schließt mit den Schüler(inne)n einen fünfjährigen Ausbildungsvertrag ab, der die "zweijährige Berufsfachschule" wie auch die Fachkraftausbildung umfasst. Damit profitieren die Geflüchteten von der Ausbildungsduldung. Die Stuttgarter Erfahrungen sind sehr überzeugend: Offensichtlich ist hier die Motivation der Auszubildenden überaus hoch; die Schüler(innen) in diesen Migrantenklassen lernen und arbeiten mit einem hohen Maß an Zielorientierung, Lernbereitschaft, Solidarität untereinander und Begeisterung. Ihre Lehrer(innen) berichten daher übereinstimmend, dass sie besonders gerne in den Migrantenklassen unterrichten. Dies alles hängt natürlich auch mit dem besonderen Engagement der Schule zusammen: Sie konnte inzwischen mit Hilfe von Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) ihr Personal aufstocken, ermöglicht den Schüler(inne)n Lebensperspektiven und unterstützt sie auf ihrem Weg.
Beurteilung der persönlichen Eignung
Neben der persönlichen und der nachzuweisenden gesundheitlichen Eignung schreibt das Gesetz Sprachkenntnisse auf Niveau A2 vor, außerdem den Nachweis des Hauptschulabschlusses beziehungsweise eines gleichwertigen Bildungsstandes. Auf Letzteren kann verzichtet werden, wenn die Schulleitung den/die Bewerber(in) als geeignet einschätzt. Insbesondere Migrant(inn)en und Geflüchtete finden den Weg zur Ausbildung über Pat(inn)en. Deren Beurteilungskompetenz ist hier ein wichtiges Instrument. Da auf den Nachweis des Hauptschulabschlusses verzichtet werden kann, ist es entscheidend, im Gespräch die Erfolgsaussichten einschätzen zu können. Eine kurze Hospitation in einer Einrichtung dient ebenso der Beurteilung, ob die Ausbildung der richtige Weg für den/die Bewerber(in) ist. Für eine Bewerbung infrage kommen folgende Zielgruppen:
- Asylbewerber(innen) im laufenden Asylverfahren, die noch nicht anerkannt sind. Diese Menschen haben ein sehr hohes Interesse an der fünfjährigen integrativen Ausbildung, da sie durch die 3+2-Regel vor einer Abschiebung geschützt werden. Diese Ausbildung bietet aktuell nur die Kolping-Altenpflegeschule in Stuttgart an.
- Anerkannte Flüchtlinge: Die Motivation und der Zugang stehen nicht unter dem besonderen Druck wie bei Asylbewerber(inne)n, die eine Abschiebung fürchten. Der Deutschkurs und das Nachholen von Abschlüssen im Rahmen der Ausbildung sind das entscheidende Plus.
- Migrant(inn)en beziehungsweise Menschen, die noch Unterstützungsbedarf beim Lernen der deutschen Sprache haben und Altenpflegehelfer(in) beziehungsweise Altenpflegefachkraft werden möchten beziehungsweise über keinen Hauptschulabschluss verfügen.
Finanzierung und Praxis des Ausbildungsgangs
Durch die zweijährige Ausbildung entstehen zusätzliche Kosten für Theoriestunden, die notwendige Begleitung durch eine(n) Sozialarbeiter(in) sowie den größeren organisatorischen Aufwand. Fördermittel wie zum Beispiel vom ESF sind daher unabdingbar. Richtungsweisend wäre hier eine komplette Übernahme der Kosten durch die Länder.
Erbringt die Schule Dienstleistungen für ihre Praxispartner, sind diese eher bereit, einen Flüchtling in ihrer Einrichtung auszubilden. Dabei geht es insbesondere um die Klärung der Arbeitserlaubnis bei Asylbewerber(inne)n, die vor einer etwaigen Ablehnung des Asylantrags erfolgen muss.
Die Kolping-Altenpflegeschule in Stuttgart hat viele praxistaugliche Elemente entwickelt: Zum Beispiel bekommen alle Praxispartner einen kleinen schriftlichen Ratgeber, der auf die Besonderheiten in der Zusammenarbeit mit geflüchteten Auszubildenden hinweist. Sinnvollerweise werden die Mitarbeitenden im Pflegeheim auf die Schüler(innen) eingestimmt, auftretende Schwierigkeiten antizipiert und Lösungsmöglichkeiten besprochen.
Darüber hinaus werden die Einrichtungen ermutigt, Wünsche, Anregungen und Kritik immer gleich an die Schule weiterzugeben.
Die Kolping-Altenpflegeschule startet die Ausbildung mit einem elf- bis zwölfwöchigen Einführungsblock. Die Gründe dafür: Eine Beschulung ist auch ohne Arbeitserlaubnis schon möglich, so wird bis zu deren Erteilung Zeit gewonnen. Darüber hinaus gewöhnen sich die Auszubildenden in dieser Phase an das Schulleben und an die Rhythmisierung des Tages. Sie lernen grundlegende Kenntnisse zum Beispiel in der Grundpflege und auch die dazugehörige Kommunikation. Individuelle Schwierigkeiten können früh erfasst und Maßnahmen eingeleitet werden.
Ziel ist es, den Schulversuch auch in anderen Bundesländern zu implementieren. Für Unterstützung und Beratung vonseiten des Deutschen Caritasverbandes: lucia.eitenbichler@caritas.de
Ein guter Anfang: Beifahrer beim Fahrdienst für die Tagespflege
Hilfe bei der „akzeptierten“ Rückkehr
Vorsicht, Gift!
Webinare flankieren Personalarbeit in der Caritas
Eine Tasse Tee reicht immer seltener
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