Ein guter Anfang: Beifahrer beim Fahrdienst für die Tagespflege
Zunächst waren es vier junge Männer aus Afghanistan, allesamt mehr oder weniger ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse, die im Juni 2016 zur Stiftung Maria-Rast kamen. Im Verlauf des Jahres kamen weitere Flüchtlinge hinzu. Insgesamt hat die Stiftung bis jetzt zwölf asylsuchende Frauen und Männer aus verschiedenen Ländern über Arbeitsgelegenheiten beschäftigt.
Die Stiftung Maria-Rast mit Sitz in Damme im Landkreis Vechta betreibt mehrere Einrichtungen für Senior(inn)en. Insgesamt arbeiten für die Stiftung etwa 200 Mitarbeiter(innen). Anfang 2016 rief die Kreisverwaltung Vechta alle gemeinnützigen Einrichtungen auf, die Integration von Flüchtlingen durch die Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten zu unterstützen. Die Arbeitsgelegenheiten dienen primär der Integration mit dem Ziel, den Asylsuchenden die deutsche Sprache und den deutschen Lebensalltag nahezubringen. Über Arbeitsgelegenheiten können Asylbewerber(innen) bei staatlichen, kommunalen und freigemeinnützigen Arbeitgebern gegen eine Aufwandsentschädigung, die der Landkreis erstattet, beschäftigt werden. Bei der Stiftung Maria-Rast stieß der Aufruf auf Resonanz - als caritative Einrichtung erachtet man es als selbstverständlich, die Integration von Flüchtlingen aktiv zu unterstützen.
Einige bangten um ihren Arbeitsplatz
Keineswegs hatte man bei der Stiftung die Erwartung, dass der Einsatz von Flüchtlingen kurzfristig zu einer Entlastung der hauptamtlichen Mitarbeiter(innen) führen wird. Vielmehr ging man von vielen Schwierigkeiten und möglichen Konflikten aus. Schließlich gab es innerhalb der Belegschaft zum Teil erhebliche Vorurteile gegen das Projekt. Einige bangten auch um ihren Arbeitsplatz, befürchteten, dass durch den Einsatz der Flüchtlinge Planstellen gekürzt werden könnten. Angst und Ablehnung wurden zum Teil deutlich zum Ausdruck gebracht.
Umso wichtiger nahm die Geschäftsführung die Vorbereitung. Zunächst überzeugte der Chef die Leitungskräfte von der Sinnhaftigkeit des Projekts, führte Einzelgespräche mit Mitarbeitenden, deren negative Einstellung zu Flüchtlingen bekannt war. Nicht nur die Belegschaft, auch die Senior(inn)en und ihre Angehörigen wurden durch persönliche Gespräche, Aushänge und Zeitungsartikel auf den Einsatz der Geflüchteten vorbereitet.
Am Anfang wurde gründlich überlegt, in welchem Bereich die Flüchtlinge am sinnvollsten eingesetzt werden können. Dabei waren folgende Fragen die wichtigsten: Wo ist der Flüchtling möglichst nie allein? Welche Tätigkeit fördert am besten die Sprachentwicklung? Welche Mitarbeitenden sind am besten geeignet, um Vertrauen aufzubauen?
Viel Geduld ist nötig
Beim Start - und auch im weiteren Verlauf - gab es natürlich auch Probleme. Das größte liegt in der Körperpflege und Hygiene. Je nach Herkunft sind einige Flüchtlinge mit den einfachsten Regeln nicht vertraut, ein Mann etwa weigerte sich, ein WC zu benutzen, weil er es nicht kannte. Hier bedarf es großer Geduld und Stringenz. Erheblich weniger Probleme als erwartet gibt es hinsichtlich der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, wenngleich zu Beginn die Regelungen deutlich klargestellt werden müssen. Auch die Akzeptanz von weiblichen Vorgesetzten wurde weit schwieriger eingeschätzt. Hier ist es wichtig, die Problematik vor Beginn der Maßnahme mit jedem zu besprechen.
Während der Fahrt die Sprache lernen
Im Lauf des Projektes kristallisierten sich aus den Erfahrungen Gelingensfaktoren und günstige Prozesspotenziale heraus. Es bietet sich an, die Ersteinsätze in der Tagespflege durchzuführen. Zunächst werden Flüchtlinge über mehrere Wochen nur als Beifahrer im Fahrdienst eingesetzt. Durch die regelmäßige Zuordnung zu einem - persönlich geeigneten und vorbereiteten - Fahrer erhalten sie eine feste Bezugsperson, so dass relativ leicht Vertrauen aufgebaut werden kann. Da viele Senior(inn)en in ihren Wohnungen abgeholt werden, bekommen die Geflüchteten Einblick in deutsche Wohn- und Familienstrukturen. Während der Fahrt wird viel gesprochen, die Deutschkenntnisse entwickeln sich. Nach einigen Wochen werden sie zunehmend in den Räumen der Tagespflegeeinrichtung eingesetzt. Geeignet sind dort vor allem hauswirtschaftliche Arbeiten wie Tischdecken und Abräumen oder die Mithilfe beim Kochen. Je nach Eignung kommen im weiteren Verlauf leichte pflegerische und betreuende Aufgaben hinzu, beispielsweise die Hilfe beim Anreichen von Essen. In vielen Fällen offenbaren die Flüchtlinge dabei einen hohen Grad an Empathie und Geduld im Umgang mit demenzerkrankten Menschen. Die Kommunikation erfolgt anfangs fast ausschließlich über Gestik und Mimik. Weibliche Flüchtlinge können auch bei pflegerischen Maßnahmen, etwa bei der Unterstützung von Toilettengängen, eingesetzt werden. Es wird versucht, auch männliche Flüchtlinge an solche Aufgaben heranzuführen, bislang jedoch nur mit geringem Erfolg. Vielleicht entwickelt sich mit der Zeit auch dazu mehr Bereitschaft. Aussichtslos ist es sicher nicht.
Auch persönliche Beziehungen sind entstanden
Nach über einem Jahr zeigt sich, dass weniger Schwierigkeiten auftreten als erwartet. Auch die Sorge mancher Mitarbeitenden, dass durch den Einsatz der Flüchtlinge "echte" Arbeitsplätze abgebaut werden könnten, verflüchtigte sich sehr schnell. Bisher gibt es von keiner Seite Beschwerden. Im Gegenteil! Der Flüchtlingseinsatz wird mehrheitlich positiv wahrgenommen. Aus der Öffentlichkeit gibt es viel Zuspruch, auch aufgrund einer offensiven Berichterstattung in den Medien. Mittlerweile beschränken sich die Aktivitäten nicht mehr nur auf die Arbeit. Persönliche Beziehungen sind entstanden. Senior(inn)en geben Nachhilfe für Flüchtlingskinder oder unterstützen sie bei den Hausaufgaben. In Zusammenarbeit mit der Caritas-Flüchtlingshilfe wird Kontakt zu Vereinen und ehrenamtlichen "Kümmerern" hergestellt.
Die Flüchtlinge gehören heute zum Alltag in den Einrichtungen und bereichern die Teams. Einer der eingangs erwähnten jungen Afghanen wird nach knapp einem Jahr in der Stiftung Maria-Rast nun den Hauptschulabschluss erwerben. Danach strebt er eine Pflegehelferausbildung in der Einrichtung an. Ein paar andere wurden in weiterführende Sprachkurse vermittelt, zwei bis drei in externe sozialversicherungspflichtige Stellen.
Die Stiftung Maria-Rast hat gute Erfahrungen gemacht und wird die Integrationsbemühungen fortsetzen. Es macht durchaus stolz, dass in den Einrichtungen eine Haltung entwickelt werden konnte, die geprägt ist von Wertschätzung und Offenheit.
Ein Gesamtpaket, das Schule macht
Hilfe bei der „akzeptierten“ Rückkehr
Vorsicht, Gift!
Webinare flankieren Personalarbeit in der Caritas
Eine Tasse Tee reicht immer seltener
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