Hilfe bei der „akzeptierten“ Rückkehr
Die Fürsorge für Flüchtlinge und Migrant(inn)en gehört zum Selbstverständnis der Kirche. Diese Fürsorgepflicht endet nicht, wenn diese Menschen in Deutschland keine Chance für sich sehen oder keine Chance auf ein Bleiberecht haben. "Jeder Mensch, der bei uns Zuflucht sucht, hat Anspruch auf ein faires Verfahren und eine menschenwürdige Behandlung. Dies gilt auch für jene, die nicht dauerhaft in Deutschland bleiben können. Auch für sie tragen wir Verantwortung."1
Das Raphaelswerk berät Menschen, die Deutschland verlassen wollen oder müssen, also Emigrierende. Das sind nicht mehr nur Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen temporär oder unbefristet auswandern wollen, sondern auch Flüchtlinge, die Deutschland verlassen müssen oder wollen.
Die Rückkehrberatung im Raphaelswerk unterstützt die ratsuchende Person im Hinblick auf einen Neubeginn im Herkunftsland, aber auch in der Bewertung möglicher Alternativen. Vorrangiges Ziel ist, den/die Ratsuchende(n) umfassend, ausführlich und bestmöglich zu informieren und zu beraten, damit der/die Ratsuchende selbstständig seine/ihre Entscheidung treffen kann. Die Ergebnisoffenheit ist elementarer Bestandteil der Beratung, in der die Ratsuchenden im Mittelpunkt stehen. Diese Voraussetzungen sind unerlässlich für eine verantwortbare Rückkehrberatung, die im Einklang mit den Leitsätzen der katholischen Flüchtlingsberatung und den Leitlinien für eine Rückkehrberatung von Flüchtlingen und Geduldeten in der Caritas steht.2
In der Beratung wird zunächst geklärt, was die Ratsuchenden motiviert, die Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen. Gegebenenfalls wird die aufenthaltsrechtliche Situation überprüft. Bei Ratsuchenden mit rechtmäßigem Aufenthaltsstatus kann das Beratungsergebnis auch Verbleib in Deutschland lauten. Ausreisepflichtigen Personen bleibt in der Regel oft gerade einmal die Möglichkeit der selbstständigen Ausreise oder der zwangsweisen Rückführung. Aktuell erhalten auch Menschen Ausreiseaufforderungen, die nach der geltenden Rechtslage nicht abgeschoben werden dürfen - hier prüfen die Beratenden Möglichkeiten, die Ausreisepflicht abzuwenden. Wird eine Möglichkeit zum Verbleib in Deutschland identifiziert, erfolgt die Verweisberatung an eine Asylverfahrens- oder Flüchtlingsberatung. Andernfalls ist die Perspektive der Reintegration im Zielland entscheidend für den weiteren Beratungsprozess.
Verbleib in Deutschland oder Reintegration im Zielland
In diesen beiden Aspekten unterscheidet sich die Rückkehrberatung von vielen staatlichen Angeboten, die unter Vorgabe der "zielorientierten Beratung" häufig auf zahlreiche und frühe Ausreisen zielen.
Das Asylbewerberleistungsgesetz legt fest: "Im Rahmen von Leistungen nach diesem Gesetz ist auf die Leistungen bestehender Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme, die Leistungsberechtigten gewährt werden können, hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken."3
Das Raphaelswerk plädiert für das Recht auf unabhängige Beratung. Vor allem in der Politik wird verstärkt der Begriff der "freiwilligen" Rückkehr verwendet, wenn diese ohne Zwangsabschiebung stattfindet. Der Begriff Freiwilligkeit dient der rechtlichen und tatsächlichen Abgrenzung zur Abschiebung. Die Erfahrungen in der Beratung zeigen, dass ein Großteil der Ausreisenden die eigenständige Rückkehr als Alternative zur Abschiebung mit ihren Konsequenzen wahrnimmt. Das Raphaelswerk bevorzugt daher den realitätsnäheren Begriff der "akzeptierten Rückkehr". Demnach kann eine Rückkehr nur als freiwillig gelten, wenn sie aus eigenem Antrieb und ohne Zwang erfolgt.
Die Raphaelswerk-Beratungsstellen in Essen, Hannover und Erfurt beraten schwerpunktmäßig zur Rückkehr. Im Jahr 2016 wurden in diesen drei Beratungsstellen 1491 Personen beraten, Familienangehörige nicht mitgerechnet.
Die Geflüchteten benannten unterschiedliche Gründe für ihre Entscheidung:
- Aufenthaltsrechtliche Gründe: Der Asylantrag wurde abgelehnt, es besteht Ausreisepflicht. Wird sie nicht erfüllt oder
ausgesetzt (Duldung), droht eine Zwangsabschiebung (2016: 30 Prozent Beratene mit Duldung, 22 Prozent mit Grenzübertrittsbescheinigung). - Noch vor oder im Asylverfahren: Die Aussichten auf einen erfolgreichen Asylantrag sind schlecht, zum Beispiel bei Personen aus als sicher definierten Drittstaaten (45 Prozent der Beratenen mit Aufenthaltsgestattung).
- Persönliche Gründe (familiäre Notlage, Heimweh, subjektiv empfundene Perspektivlosigkeit): Obwohl die geflüchtete Person in Deutschland bleiben könnte (der Asylantrag ist positiv beschieden oder aussichtsreich), wird eine Rückkehr vorgezogen (Beratungen von Personen mit
Aufenthaltserlaubnis im Jahr 2016: ein Prozent).
Die meisten Beratungen fanden 2016 zu folgenden Herkunftsländern statt: Albanien (22,9 Prozent), Montenegro (17,7 Prozent), Serbien (zehn Prozent), Kosovo und Irak mit je rund sieben Prozent.
Die Beratenden unterstützen die ratsuchende Person nach ihrer Entscheidung für eine Rückkehr bei der Organisation und Vorbereitung der Ausreise. Sie ermitteln materielle und finanzielle Hilfen, sowohl für die Ausreise als auch für den Neubeginn im Zielland. Reisekostenübernahme, Reisebeihilfen, Qualifizierungsmaßnahmen vor der Ausreise, Reintegrations- und Unterstützungsbeihilfen können möglich sein. Wie hoch die Förderung insgesamt ausfällt, ist allerdings abhängig von Bundesland, Zielland, Aufenthaltsstatus und weiteren Kriterien.
Die zwischenstaatliche Internationale Organisation für Migration (IOM) organisiert im Auftrag von Bund und Ländern das Programm REAG (Re-Integration and Emigration Programme for Asylum Seekers in Germany), durch das Reisekosten und Reisebeihilfen gegeben werden. Zusätzlich kann für einige Rückkehrländer über das ebenfalls von der IOM durchgeführte Programm GARP (Government Assisted Repatriation Programme) und über das neue Programm StarthilfePlus Unterstützung beantragt werden. Das StarthilfePlus-Programm des Bundes gewährt ergänzend zu REAG/GARP eine zusätzliche finanzielle Unterstützung, jedoch nur, wenn sich der/die Asylsuchende bereits während des Asylverfahrens, spätestens jedoch innerhalb der Ausreisefrist, für eine freiwillige Ausreise entscheidet. Der Zeitpunkt dieser Entscheidung beeinflusst die Förderhöhe.
Die Möglichkeit der "freiwilligen" Rückkehr und der finanziellen Förderung suggeriert einen humanen Staat. Tatsächlich liegt es jedoch in der Hand der Länder und Kommunen, ob und in welcher Höhe eine Rückkehr gefördert wird.
Das Raphaelswerk plädiert für bundesweit einheitliche finanzielle Hilfen. Momentan hängen diese teilweise davon ab, in welchem Bundesland und Ort der Geflüchtete gemeldet ist, die Förderung eines Neustarts hingegen von seinem Herkunftsland. So erhält etwa eine mittellose Person albanischer Nationalität, die aus egal welchem Bundesland nach Albanien zurückkehrt, lediglich die Reisekosten. Ein volljähriger, mittelloser Flüchtling aus Gambia, egal in welchem Bundesland gemeldet, erhält neben den Reisekosten über REAG-GARP eine Reisebeihilfe von 200 Euro (Stand Juli 2017). Für den Neustart kann er eine Starthilfe von maximal 500 Euro beantragen. Ein Flüchtling aus Georgien erhält ebenfalls die Reisekosten, die Starthilfe beträgt jedoch nur 300 Euro. Lebt er in NRW, könnte er bei besonderem Bedarf zusätzliche Landesmittel bekommen. Lebt er in Thüringen, erhält er nur die Mittel aus dem REAG-GARP-Programm. Asylsuchende können ihren Wohnort in Deutschland nicht frei wählen, sondern werden über den Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Konsequenzen dieses Verfahrens reichen also bis in die Rückkehrförderung.
Nachhaltige wirtschaftliche und soziale Reintegration
Ob es in den Herkunftsländern Möglichkeiten gibt, sich beruflich zu qualifizieren, um eine Existenz aufbauen zu können, hängt oft davon ab, ob es Angebote gibt, die eine Integration auf diesem Wege fördern. Die Rückkehr ist oft ein Weg in die Perspektivlosigkeit. Umfassende Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote sowie Starthilfen für den Neubeginn im Heimatland sind dringend notwendig und unumgänglich, um Flüchtlingen eine Rückkehr in Würde mit Aussicht auf nachhaltige wirtschaftliche und soziale Reintegration zu ermöglichen.
Anmerkungen
1. Aus: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge. Arbeitshilfe Nr. 282, Bonn, 2016, S. 19 f.
2. Deutscher Caritasverband: Leitlinien für die Rückkehrberatung von Flüchtlingen und Geduldeten. In der Reihe: Fluchtpunkte intern (Nr. 3), Freiburg, September 2017.
3. Asylbewerberleistungsgesetz, Ergänzende Bestimmungen, §11 (1), www.gesetze-im-internet.de/asylblg/BJNR107410993.html, abgerufen am 24.7.2017.
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Ein Gesamtpaket, das Schule macht
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