Einsatz für ökosoziale Nachhaltigkeit
Ruhig zieht Evaristo Machaca Condori den selbst gezimmerten Rechen über die schwarze Plane. Er bewegt damit die noch feuchten Kakaobohnen langsam hin und her, die die Genossenschaft - 26 Bäuerinnen und Bauern - nach der Ernte hier zum Trocknen ausgebracht hat. Die Ernte war gut: 50 Tonnen kamen auf den etwa 100 Hektar Kakao-Anbauflächen der Genossenschaft Aprocci (Asociación de Productores de Cacao la Cumbre Inambari) zusammen. Eine beachtliche Menge, die von Jahr zu Jahr zugenommen hat - erst 2012 wurde Aprocci mit der Hilfe von Caritas international und der Caritas Peru als Erzeugergemeinschaft gegründet.
"Wir sind sehr stolz auf das, was wir mit der Vereinigung bislang erreicht haben", sagt Rosa Huallpatinco, die der bäuerlichen Genossenschaft vorsteht. Auf dem Gelände an der Interoceanica, Kilometer 130, stehen inzwischen einige Gebäude, in denen die Kakaobohnen getrocknet, fermentiert und gelagert werden, sowie ein Schuppen für Arbeitsgeräte. Hier ist das Zentrum der Genossenschaft. Hier treffen sich die Mitglieder, beraten und schmieden gemeinsam Pläne für die Zukunft. Eine Zukunft, die den Bauern zwar klar vor Augen steht, deren Verwirklichung aber dennoch unsicher erscheint. "Unsere Gemeinschaft ist wichtig für jeden von uns", bekräftigt Rosa Huallpatinco, "sie bietet uns Halt und Sicherheit."
Das Departement Madre de Dios, in dem die Genossenschaft liegt, ist seit einigen Jahren stark in Bewegung: Immer mehr Menschen, vor allem arme Peruaner(innen) aus den Anden, kommen hierher, weil sie sich im peruanischen Amazonasbecken ein besseres Leben erhoffen. Anziehend wirkt das Gold, das der "Mutter-Gottes-Fluss" mit sich führt und das ohne Rücksicht auf die Natur von rund 60.000 Goldschürfern abgebaut wird. Sie durchwühlen mit schwimmenden Baggern den Untergrund und graben sich entlang der Uferböschungen durch die Erde. Große Boote mit kräftigen Pumpen an Bord saugen das gelöste Gestein und Erdreich mit Hilfe langer Schläuche nach oben, wo es mit Chemikalien versetzt wird. Zurück bleiben breiige, trübe Wasserpfützen, die aus dem "Madre de Dios" einen bräunlichen, vergifteten Fluss machen. Die hoch toxischen Chemikalien, vor allem Quecksilber, werden gebraucht, um das Gold vom Gestein zu trennen.
Goldabbau verseucht die Lebenswelt der Indigenen
Das Quecksilber im Wasser wird von den Fischen aufgenommen, die wiederum den Menschen entlang des Flusses als Nahrung dienen. Es sind zumeist Indigene, die sich hauptsächlich von Fisch ernähren und sich dadurch schleichend mit dem Metall vergiften. Leidtragende sind besonders Kinder und Neugeborene, die, so berichtet der Biologe César Ascorra Guanira von der Forschungseinrichtung "Centro de Innovacón Amazónica" in Puerto Maldonado, stark mit Quecksilber belastet sind. Mikrozephalie (ein zu klein ausgebildeter Kopf) und Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen würden als Folge verstärkt auftreten. "Aber das ist ein Tabuthema in Madre de Dios."
Nur wenig gesprochen wurde bislang in Peru über die Rechte der indigenen Völker, der Ureinwohner des Landes. Sieben Stämme leben allein im Departement Madre de Dios, etwa zehn Prozent der lokalen Bevölkerung insgesamt. Ihr Lebensraum wird zunehmend von den gravierenden Veränderungen am Fluss bedroht; von den Aktivitäten der Goldgräber ebenso wie von der fortschreitenden Abholzung des Regenwaldes. Die Regierung Perus erteilt Konzessionen zum Goldabbau oder für die Holzwirtschaft ohne Rücksicht auf den Lebensraum der Stämme. "Gesetze schränken unser Leben immer stärker ein", kritisiert Eusebio Rios, der als Vize-Präsident des Verbandes Fenemad (Federación Nativa del Río Madre de Dios y Afluentes) den Stämmen eine politische Stimme in der Region verleiht. Er setzte große Hoffnungen auf Papst Franziskus, den er auf dessen Perureise im Januar zusammen mit weiteren 3000 indigenen Vertreter(inne)n in Puerto Maldonado treffen konnte. Und er wurde nicht enttäuscht: Der Papst sprach bei diesem Treffen von der Gleichwertigkeit der Kulturen und ihrer Bedeutung für den Schutz der Erde.
Die Menschen machten sich viel zu wenig Gedanken darüber, was der Goldabbau für die Zukunft und die Natur bedeute, kritisiert Rosa Huallpatinco von Aprocci. Ihre Genossenschaftsmitglieder jedenfalls wollen mit dem Goldschürfen nichts zu tun haben. Oder nichts mehr zu tun haben. Es gibt einige wenige Mitglieder in der Genossenschaft, die zu Beginn des Goldrauschs noch beim Raubbau mit dabei waren. Heute ist ihnen jedoch klar, dass die Kakaobohnen das wahre Gold sind. "Wir leben von dem, was die Natur, der Boden und der Wald uns geben - und das auf lange Sicht", bekräftigt Rosa Huallpatinco. Auf den Parzellen der Genossenschafter(innen) wachsen daher unterschiedliche Nutzpflanzen. Sie ernten Gemüse und Früchte ebenso regelmäßig wie Kakaobohnen. Und über allem ragen schattenspendende, noch relativ junge Bäume, deren Holz in einigen Jahren das Einkommen der Bauern nachhaltig aufbessern wird.
"Die Bauern bewirtschaften ihre Felder und Parzellen sehr klug, weil sie langfristig denken", erklärt der Agraringenieur José Díaz Viteri, der die Landwirtinnen und Landwirte vonseiten der Caritas berät und unterstützt. Durch diese Anbaumethode würden die Menschen immer etwas zum Ernten haben, ist er überzeugt. "Damit machen sie sich ein Stück weit von den klimatischen Veränderungen unabhängig."
Damit ist ein wichtiges Ziel des Caritas-Projekts in Madre de Dios erreicht, das sowohl bäuerliche als auch indigene Gemeinschaften rund um die Stadt Puerto Maldonado unterstützt und damit fast 2000 Menschen erreicht. Diese sollen zudem von besseren Einkommensmöglichkeiten profitieren, indem sie ihre land- und forstwirtschaftlichen Produkte auf den regionalen Märkten nicht als Einzelne verkaufen, sondern als eine Erzeugergenossenschaft geschlossen auftreten.
Unabhängiger möchten die Genoss(inn)en auch von ihrem Kakaohändler werden, an den sie derzeit ihre gesamte Ernte verkaufen müssen. "Als Monopolist kann er uns jeden Preis diktieren", bedauert die Chefin der Genossenschaft die augenblickliche Situation. Das soll sich jedoch ändern: "Wir wollen daher unsere eigene Schokolade produzieren und selbst vermarkten", erläutert Rosa Huallpatinco den Plan, der ebenfalls mit der Caritas angegangen wird. Doch bis es soweit ist, müssen noch einzelne Produktionsschritte, wie zum Beispiel die Fermentation, verfeinert werden. Und es fehlt noch an geeigneten Rezepturen für die Schokoladen, die die Genossenschaft produzieren und verkaufen möchte. Das sind Entwicklungsschritte, auf die sich die Mitglieder besonders freuen und für die sie auf die Hilfe der Caritas zählen. Es ist eine weitere Idee, die dauerhaft eine Alternative zum Goldabbau bieten kann. Und wer weiß, vielleicht kann man bald schon die Schokolade der Genossenschaft aus Puerto Maldonado hier in Deutschland genießen.
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