Der Zugang zu Kapital als kritischer Erfolgsfaktor
Der Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess in der Sozialwirtschaft schreitet weiter voran: Um Synergien zu entwickeln und die Wettbewerbssituation zu stärken, finden am Markt regelmäßig Fusionen und Akquisitionen statt. Im Zeitraum von 2006 bis 2016 hat sich die Anzahl der Einrichtungsträger sowohl auf dem Krankenhaus- als auch auf dem Rehabilitationsmarkt um rund 25 Prozent reduziert. Damit einher geht die Anzahl der einzeln geführten Einrichtungen signifikant zurück. In dem von einer stetigen Zunahme des Angebots geprägten stationären Pflegemarkt hat sich der Marktanteil der fünf führenden Betreiber deutlich erhöht.
In den vergangenen Jahren konnten vor allem privat-gewerbliche Betreiber aus dem In- und Ausland ihre Marktanteile in den Sektoren Pflege, Rehabilitation und Krankenhaus klar ausbauen. Beispiele aus dem Bereich Pflege sind die französischen Unternehmen Orpea und Korian. Ausgestattet sind sie in der Regel mit Finanzmitteln von strategischen Investoren oder Finanzinvestoren. Deren Engagement hat unter anderem infolge des durch die Niedrigzinspolitik begründeten hohen Anlagedrucks, der guten Rahmenbedingungen in Deutschland, des vergleichsweise hohen Anteils der privat-gewerblichen Unternehmen sowie der starken Fragmentierung der Märkte stark zugenommen.
Die Konsolidierungsbereitschaft vieler freigemeinnütziger Unternehmen ist im Vergleich merklich geringer ausgeprägt. Für eine externe Expansionsstrategie fehlen diesen unter anderem Erfahrungen mit der Umsetzung entsprechender Transaktionsprozesse und Finanzmittel. Zudem wirken das verbandliche Regionalprinzip und das gemeinnützige Selbstverständnis als bremsende Faktoren.
Aktuell deutet vieles darauf hin, dass sich der Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Bei unveränderten gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen ist mit dem Einstieg weiterer Investoren sowie (supra-)nationaler Unternehmen in den deutschen Markt zu rechnen. Barrieren im Konsolidierungsprozess können sowohl das Kartellrecht als auch die mit der Übernahme der Altersversorgungsverpflichtungen verbundenen Risiken sein. Darüber hinaus kann auch das Gemeinnützigkeitsrecht aufgrund möglicher Steuernachzahlungen bei Übernahmen durch private Unternehmen ein Hindernis darstellen.
Neben dem Betreibermarkt sind in den Bereichen Pflege und Rehabilitation auch auf dem Immobilienmarkt verstärkt in- und ausländische Investoren aktiv. Das zunehmende Interesse in Verbindung mit einem ausgeprägten Nachfrageüberhang haben die Verkaufspreise der Immobilien kontinuierlich ansteigen lassen. So ist der Kaufpreis für Pflegeheime im Zeitraum von 2012 bis 2016 um 26 Prozent auf das 17fache der Jahresmiete gestiegen. Dieser Trend hat sich 2017 fortgesetzt. Kritisch zu betrachten sind die Käufe beziehungsweise Transaktionen von Finanzinvestoren mit einem kurzfristigen Investitionsfokus und einem ausgeprägten Renditestreben. Den Einrichtungsbetreibern fällt ist es unter diesen Voraussetzungen immer schwerer, die dadurch gestiegenen Miet- und Pachtzahlungen zu erwirtschaften.
Hoher Investitions- und Finanzierungsbedarf
Das Leistungsvolumen in vielen Bereichen der Sozialwirtschaft wird ständig erhöht. Auch Sanierungen und Modernisierungen sowie die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen werden den Bedarf an Kredit- und Kapitalmarktmitteln steigern. Weitere Anlässe für Investitionen sind beispielsweise die Instandhaltung der Einrichtungen, die Anpassung an gesetzliche Anforderungen oder der Neubau von Immobilien. Auch gewinnen Expansionsstrategien, Innovation, Digitalisierung und die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden sowie die Aus- und Weiterbildung des Personals an Bedeutung und erhöhen die Kosten. Alleine in den drei Bereichen Krankenhaus, stationäre Pflege und stationäre medizinische Rehabilitation ergibt sich nur für Immobilien- und Ausstattungsinvestitionen in den nächsten Jahren ein geschätzter Finanzierungsbedarf von neun Milliarden Euro pro Jahr. Der Kapitalzugang kann daher zu einem kritischen Erfolgsfaktor in der Sozialwirtschaft werden. Dabei beeinflussen regionale und branchenspezifische Unterschiede die Finanzierungsbedarfe der einzelnen Unternehmen teilweise erheblich.
Die rückläufige öffentliche Förderung hat bereits in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Unternehmen in der Sozialwirtschaft einen immer größer werdenden Teil ihrer Investitionen mit Eigen- und Fremdkapital finanzieren müssen. Generell steht ihnen dazu unabhängig von der Trägerschaft eine Vielzahl an Finanzierungsinstrumenten zur Verfügung. Gemeinnützige Unternehmen dürfen aufgrund des Gewinnausschüttungsverbots kein Beteiligungskapital aufnehmen.
Kapitalmarktmittel gewinnen an Bedeutung
Die großen freigemeinnützigen und privat-gewerblichen Träger verfolgen in der Regel sehr unterschiedliche Finanzierungsstrategien. Während der Kredit, neben Fördermitteln und Eigenkapital, das mit Abstand wichtigste Finanzierungsinstrument der freigemeinnützigen Unternehmen ist, setzen die großen privat-gewerblichen Firmen verstärkt auf Mittel des Kapitalmarktes. Die Anforderungen des Kapitalmarktes hinsichtlich Rentabilität und Transparenz erfüllen die meisten freigemeinnützigen Unternehmen nicht. Zudem lehnen sie die Renditeansprüche der Kapitalgeber in der Regel als zu hoch ab.
Vor dem Hintergrund des großen Kapitalbedarfs in den nächsten Jahren könnten die Finanzierungsstrategien der Unternehmen mit einem ausschließlichen Fokus auf dem Kreditmarkt an ihre Grenzen stoßen. Finanzierungsengpässe bestehen bereits heute bei der Akquisitions- und Innovationsfinanzierung sowie bei großvolumigen Investitionsprojekten.
Herausforderungen auch für die Politik
Für die Zukunft gibt es eine Reihe von Herausforderungen und Handlungsfeldern. Diese sind nicht nur auf die Unternehmen beschränkt. Auch die Politik und die Finanzinstitute sind gefordert. Eines der wesentlichen Handlungsfelder für die Politik ist es, langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen im Ordnungs- und Leistungsrecht zu schaffen. Diese müssen für alle Trägerschaften (öffentlich, freigemeinnützig und privat-gewerblich) ein nachhaltiges Wirtschaften und das Erzielen angemessener Gewinne ermöglichen, um die erforderlichen Mittel des Kredit- und Kapitalmarktes generieren zu können und nötige Innovationen voranzutreiben, die die Versorgungsstruktur und -qualität verbessern. Auch die Optimierung der Zugangsbedingungen für private Kapitalgeber ist unabdingbar.
Nicht neu sind die Diskussionen über eine zukunftsfähige Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Anfang 2016 hatte das sogenannte "Gewinnerzielungsverbot" für die Wohlfahrtspflege zu einer großen Verunsicherung geführt; die diesbezüglichen restriktiven Anforderungen hat das Bundesfinanzministerium Ende 2017 weitgehend wieder entschärft. Das Gemeinnützigkeitsrecht gilt es so auszugestalten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhalten bleibt.
Ein wichtiges Handlungsfeld für die Unternehmen besteht darin, die Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und digitale Angebote beziehungsweise Dienstleistungen zu integrieren. Der Nachweis und die Sicherstellung einer hohen Leistungs- und Betreuungsqualität werden eine zentrale Rolle einnehmen. Dabei stehen die traditionellen Anbieter in den einzelnen Märkten stärker mit neuen Akteuren, wie zum Beispiel der Wohnungswirtschaft und Technologiefirmen, im Wettbewerb. Zudem ist davon auszugehen, dass die Versorgung zukünftig über Plattformen bisher gegebenenfalls branchenfremder Unternehmen gesteuert wird, welche mit den Kostenträgern und Leistungsanbietern Kooperationsvereinbarungen abschließen.
Der bereits bestehende Fachkräftemangel wird sich zukünftig weiter verschärfen. Für die Gewinnung und Bindung der erforderlichen Fachkräfte sind angemessene Gehälter, attraktive Arbeitsbedingungen sowie umfassende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten erforderlich.
Ein erfolgreicher Zugang zum Kreditmarkt bedingt für die Unternehmen, sich auf die damit verbundenen Anforderungen einzustellen. Dies sind neben einer guten Bonität und angemessenen Sicherheiten insbesondere eine professionelle Finanzplanung und ein darauf aufbauender Nachweis der Kapitaldienstfähigkeit. Für den Kapitalmarktzugang sind darüber hinaus eine hohe Transparenz und eine gute Finanzkommunikation von Bedeutung.
Insbesondere für die gemeinnützigen Unternehmen ist es wichtig, die in den eigenen Strukturen vorhandenen Ertrags- und Kostensenkungspotenziale zu erschließen. Das bedeutet, die eigenen Angebote besser zu vernetzen und Doppelstrukturen abzubauen. Um Entscheidungen zeitnah voranzutreiben, bedarf es einer weiteren Professionalisierung der Corporate-Governance-Strukturen, das heißt unter anderem einer kompetenten Besetzung der Gremien sowie einer Etablierung schlanker und schneller Entscheidungsprozesse.
Die Herausforderungen der Finanzinstitute bestehen darin, die Bedürfnisse der Unternehmen in der Sozialwirtschaft zu identifizieren und die vorhandenen Finanzierungsinstrumente an diese zu adaptieren. Darüber hinaus müssen die Finanzinstitute als Intermediäre zwischen den Unternehmen und den Investoren beziehungsweise dem Kapitalmarkt fungieren. Dies kann beispielsweise durch innovative Finanzprodukte wie Mezzanine Fonds oder Kreditfonds erfolgen.
Anmerkung
1. Der aktuelle Report der Bank für Sozialwirtschaft "Erfolgsfaktor Kapital in der Sozialwirtschaft" steht in Kürze auf der Website der Bank für Sozialwirtschaft (www.sozialbank.de) zum Download zur Verfügung.
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