Ein Wegweiser für Geflüchtete im Gesundheitswesen
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist nicht nur ein Menschenrecht, sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für eine gelingende Integration. Das Handbuch "Gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten" hilft hauptamtlichen Fachkräften, geflüchteten Menschen den teils komplizierten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ebnen. Entstanden ist es im Kontext des Verbundprojektes "Qualität ist kein Zufall - Neue Standards in der Flüchtlingsarbeit" vom Juni 2015 bis Juni 2018, das die Caritas im Erzbistum Köln mit acht Partnern und unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten initiiert hatte. Der Caritasverband Wuppertal/Solingen als einer dieser Projektpartner war für das Handbuch verantwortlich.
Für das Buch hat die Caritas-Mitarbeiterin und angehende Sozialwissenschaftlerin Jessica Romano etwa ein halbes Jahr lang recherchiert, Informationen zusammengetragen, strukturiert und zuletzt zum Buch im DIN-A5-Format aufbereitet. Ihre Qualifikation als Kommunikationsdesignerin und ihr ehrenamtliches Engagement in der Aktion "Neue Nachbarn"1 lieferten ihr dafür einen fundierten Background. "Ich hatte selber eine Patenschaft für eine syrische Familie und bin immer wieder mit Fragen und Problemen zur gesundheitlichen Versorgung konfrontiert gewesen", erzählt die 33-Jährige. Die syrische Frau war schwanger und hatte ihr zweites Kind entbunden, kurz nachdem die Familie das Aufnahmelager verlassen hatte und sich in einer Wohnung auf eigene Füße gestellt sah. Ohne Hilfe hätte sie möglicherweise von ihrem Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme für einen Zeitraum von zwölf Wochen nach der Entbindung nicht erfahren; ebenso wenig davon, dass eine Geburtsurkunde notwendig ist, um für das Baby Leistungen zu erhalten.
Vor allem Sprachprobleme stellen häufig enorme Hürden dar. Welche Impfungen sind zur Aufnahme in einer Kindertagesstätte nötig, und welche Einträge müssen im U-Heft, dem Kinderuntersuchungsheft, vom Kinderarzt ausgefüllt worden sein? "Das Handbuch bündelt die Antworten auf alle solche Fragen für die Berater und macht ihnen die Kommunikation mit den Geflüchteten leichter", erklärt Jessica Romano.
Wie das deutsche Gesundheitssystem funktioniert
Das erste Kapitel legt die rechtlichen Grundlagen zur gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen dar und veranschaulicht Sachverhalte des deutschen Gesundheitssystems, vom Behandlungsschein, über die elektronische Gesundheitskarte, den Mutterpass, das "U-Heft" für Kinder oder die Impfbescheinigung. Die farbige Bebilderung hilft, die vier unterschiedlichen Arztrezepte im Beratungsgespräch zu erläutern und macht auch auf die nur zweiwöchige Gültigkeit aufmerksam. Denn wird das Rezept nicht fristgerecht eingereicht, muss der Geflüchtete zur Genehmigung eines weiteren Arztbesuchs erneut den Weg durch die von seiner Kommune vorgesehenen Instanzen gehen. Gut verständlich wird zudem erklärt, welche Hürden für Flüchtlinge vor einer Krankenhausaufnahme (zum Beispiel Kostenübernahmeerklärung des zuständigen Sozialleistungsträgers) zu nehmen sind. Hilfreich auch der Hinweis, dass bei Sprachproblemen spezielle Anamnesebögen bei den Sozialämtern und anderen Anlaufstellen für Asylbewerber(innen) zur Verfügung stehen.
Einen übersichtlichen Weg durch den Dschungel nationaler und europäischer Richtlinien schafft das zweite Kapitel einschließlich detaillierter Erläuterungen der EU-Richtlinie 2013/33/EU. Diese Richtlinie will dafür Sorge tragen, dass die Mitgliedstaaten die spezielle Situation schutzbedürftiger Personen berücksichtigen. Nach den Erläuterungen schließt sich im dritten Kapitel eine tabellarische Ansicht von relevanten Gesetzen an.
Checklisten für die Praxis
Das vierte Kapitel listet die erarbeiteten Qualitätskriterien und Verfahrensstandards mit den dazugehörigen Prüfinstrumenten wie die Checklisten auf, die im Projekt entstanden sind. Es gibt damit ganz konkrete Handreichungen für die Flüchtlingsberater(innen) - so zu den äußeren Rahmenbedingungen bei gesundheitsbezogener Beratung, zu Verfahrensstandards für den Umgang mit psychischen Notsituationen oder zur statistischen Dokumentation bei der Beratung zu gesundheitlichen Themen.
Klarheit über die eigene Kompetenz und den eventuellen Bedarf, sich fortzubilden, verschaffen entsprechende Erhebungsbögen zur Selbsteinschätzung von Fachkräften in der Flüchtlingsarbeit. Eine Sammlung von Vermittlungs- und Beratungsstellen für Flüchtlinge und Migrant(inn)en in NRW und eine Linksammlung runden das Handbuch ab.
Claudia Brinken, Leiterin des Projekts "Qualität ist kein Zufall - Neue Standards in der Flüchtlingsarbeit" beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, freut sich, mit dem Handbuch ein erstes greifbares Projektergebnis vorlegen zu können: "Bisher gibt es für die Arbeit mit Asylsuchenden keine einheitlichen Standards. Auch einzelne EU-Richtlinien zu Mindeststandards haben keine einheitliche Schutzpraxis für Asylsuchende bewirkt. Das Handbuch zur gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten ist vor diesem Hintergrund eine sehr nützliche und praxisnahe Hilfe für die Flüchtlingsberater."
Caritasverband Wuppertal/Solingen (Hrsg.): Gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten. 2017. Download unter https://bit.ly/2Nq6QMp
Anmerkung
1. "Die Aktion Neue Nachbarn - Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln" ist ein Zusammenschluss von Caritas und katholischer Kirche. Die Aktion will die in der Flüchtlingshilfe engagierten katholischen Kirchengemeinden, einzelne Aktive und Gruppen unterstützen.
Der Bewohnerwille steht im Vordergrund
Alles – außer Routine
Die Betriebsrente der KZVK im Spannungsfeld
So haben wir das nicht erwartet
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}