Alles – außer Routine
Zum Selbstverständnis der Caritas gehört es, den sozialen Wandel und gesellschaftliche Entwicklungen sowie die sich daraus ergebenden Probleme zu erkennen, zu kommunizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten." 1
Als wichtiger gesellschaftlicher Akteur muss die Caritas sich zum aktiven Treiber von sozialen und auch technischen Innovationen entwickeln. Nur so kann sie diesem Selbstverständnis gerecht werden, das sie 2012 in dem Eckpunktepapier "Soziale Innovationen" formuliert hat.
Ein wichtiger Baustein, um das Innovationspotenzial der Caritas-Unternehmen voll ausschöpfen zu können, ist eine bewusste und strategische Nutzung von Diversity. Diversity meint den bewussten Umgang mit Vielfalt, indem wertschätzend mit der Individualität von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden umgegangen wird und vielfältige Erfahrungen als Potenzial begriffen werden. In wissenschaftlichen Studien konnte gezeigt werden, dass diverse Teams kreativere Lösungsvorschläge erarbeiten oder sich besser in die Nutzer(innen) und Kund(inn)en hineinversetzen können, wenn es darum geht, neue Ideen zu finden und sie in Innovationen umzusetzen. Und auch Diversität auf Führungsebene ist eine wichtige Stellschraube, um das Innovationspotenzial von Unternehmen zu nutzen. Beispielsweise hat eine insgesamt hohe Anzahl von Frauen unter den Mitarbeitenden keinen signifikanten Einfluss auf die Innovativität von Unternehmen, wenn die Führungspositionen von Männern bekleidet werden.
Ein bewusster und wertschätzender Umgang mit (Geschlechter-)Vielfalt steigert nicht nur das Innovationspotenzial der Caritas, sondern sie wird damit zudem ihrer Vorreiterrolle beim Thema Geschlechtergerechtigkeit gerecht, die sie als Gründungsmitglied der Initiative Chefsache und mit der Durchführung des Projekts "Geschlecht. Gerecht gewinnt" einnimmt.
Ein bedeutendes Hindernis, warum trotz der nachgewiesenen Vorteile von Diversity diese nur schwer umgesetzt wird, bilden sogenannte "Biases", auf Deutsch Voreingenommenheiten. Diese kognitiven Wahrnehmungsverzerrungen, die beispielsweise in Form von Stereotypen und Vorurteilen auftreten, entlasten unser Gehirn, indem sie helfen, Situationen in Bruchteilen von Sekunden einzuschätzen und Informationen zu filtern. Sie führen jedoch auch dazu, dass wir Situationen mitunter vorschnell beurteilen und auch falsche Schlüsse ziehen. Solche Denkprozesse sind besonders dann gefährlich, wenn sie unbewusst ablaufen (unconscious) und Bewertungen von Personen nicht reflektiert werden. Unconscious Bias kann so unbemerkt zu diskriminierendem Verhalten führen. Ein Beispiel für einen Bias ist der Ähnlichkeits-Bias. Dieser bewirkt, dass wir Personen, die uns ähneln, positiver bewerten, denn wir fokussieren uns unbewusst auf diese Ähnlichkeit. Das gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und lässt uns unvorteilhafte Charakteristika des Gegenübers vernachlässigen.
Bleibt dieser Bias in Personalauswahlprozessen unbewusst, kann dies zur Folge haben, dass Führungskräfte Bewerber(innen) favorisieren, die ihnen ähnlich sind, und damit die Chance sinkt, dass heterogene diverse Teams entstehen. Ein weiterer Bias steckt in der Zuschreibung bestimmter Stärken zu Frauen und Männern. Aus unseren Forschungsprojekten wissen wir, dass Führungskräfte - weibliche wie männliche - als Erfolgsfaktoren in ihren Unternehmen oft Durchsetzungsstärke, Netzwerken und Selbstmarketing benennen. Gefragt nach Stärken weiblicher und männlicher Führungskräfte werden Frauen als empathisch, kommunikationsstark und sozial kompetent beschrieben, während Männer als durchsetzungsstark sowie gut im Netzwerken und im Selbstmarketing beschrieben werden. Unbewusst werden die bisher in den Unternehmen gültigen Erfolgsfaktoren also eher Männern als Frauen zugeschrieben.
Die Caritas muss auf allen Ebenen vielfältig sein
Gelingt es, Unconscious Biases wie den Ähnlichkeits-Bias in Personalauswahlprozessen zu vermeiden, ist ein erster Schritt getan, Diversity zu etablieren und das Innovationspotenzial zu erhöhen. Eine diverse Belegschaft braucht aber auch entsprechende Rahmenbedingungen, damit die unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungen genutzt und eingesetzt werden können.
Unconscious Bias anzugehen heißt also auch, offen für neue Impulse und Ideen zu sein und eine Unternehmenskultur zu etablieren, die Diversity auf allen Ebenen zulässt und wertschätzt. Das bedeutet, dass Mitarbeitende aktiv in die Weiterentwicklung der Unternehmen einbezogen werden und sich eine Offenheit aller in einem Unternehmen Beschäftigten gegenüber eigenständigen, flexiblen Arbeitsprozessen und -strukturen etabliert. Mit diesem offenen Miteinander können so in der konkreten Projektarbeit Innovationsprozesse angestoßen werden, in denen die Mitarbeitenden keine Scheu haben, ihre Kompetenzen und Erfahrungen einzubringen und unkonventionelle Ideen zu äußern. Eine solche wertschätzende Unternehmenskultur, die Diversity nutzt und fördert, steigert nicht nur die Attraktivität der Caritas als Arbeitgeberin, sondern ist in Zeiten eines gesellschaftlichen Wandels und der rasant fortschreitenden Digitalisierung auch existenziell für die Wettbewerbsfähigkeit der Caritas-Unternehmen.
Als Vorbild nach innen und außen wirken
Die Welt, in der die Caritas agiert, ändert sich und ist durch einen sozialen Wandel geprägt. Megatrends wie der demografische Wandel verändern nicht nur die Zusammensetzung der Bevölkerung, sondern auch die Bedürfnisse und Vorstellungen der Menschen über ein gutes Leben und gute Arbeit.
Der Fachkräftepool von heute und morgen ist divers zusammengesetzt und motiviert. Der Wunsch nach Sinnhaftigkeit der Tätigkeit sowie einer ausgeglichenen Work-Life-Balance prägt die Mentalität und Arbeitseinstellung der jüngeren Generationen. Im Zuge des "Female Shift", der Auflösung der etablierten Geschlechterrollen und des steigenden Bildungsniveaus von Frauen vergrößert sich der Anteil von Frauen an den Erwerbstätigen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Diversität von Belegschaften, sondern auch auf die Arbeitsverteilung in unserer Gesellschaft. So wird Sorgearbeit für Kinder und Angehörige immer häufiger nicht mehr nur noch innerhalb der Familien geleistet, sondern von Institutionen und Trägern übernommen.
Dieser Wertewandel führt derzeit etwa zu Debatten um flexible Arbeitszeiten, bedingungsloses Grundeinkommen und sozialen Zusammenhalt und führt unweigerlich zu der Frage, welchen Stellenwert Erwerbsarbeit im Kontrast zu Sorgearbeit und Ehrenamt in Zukunft haben kann. Für die Caritas bietet sich hier die Möglichkeit, sich aktiv an dem Diskurs zu beteiligen und sowohl mit ihren Mitarbeitenden in den Dialog zu treten als auch als wertegetriebene gesellschaftliche Akteurin in dieser Debatte Stellung zu beziehen und sich an der Entwicklung von sozialen Innovationen zu beteiligen.
Die Zukunftsfähigkeit sichern
Durch eine aktive Nutzung des Innovationspotenzials, das Diversity birgt, etwa durch die Minimierung von Unconscious Bias, kann die Caritas ihre Zukunftsfähigkeit sicherstellen. Als Arbeitgeberin gewinnt sie so einerseits an Attraktivität, andererseits signalisiert sie den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden Wertschätzung und trägt zur Mitarbeitendenbindung bei. Durch eine zusätzliche Offenheit von Prozessen und Strukturen entsteht eine Unternehmenskultur, die soziale Innovationen fördert. Unconscious Bias zu vermeiden und auf allen Ebenen Vielfalt zu ermöglichen, ist somit ein wichtiger Baustein, um die Caritas als aktive Treiberin von sozialen und auch technischen Innovationen zu positionieren. So kann der Verband dem eingangs zitierten Selbstverständnis gerecht werden, einen Beitrag zu gesellschaftlichen Entwicklungen zu leisten und für soziale Probleme innovative Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
Anmerkung
1. Zitat aus dem Eckpunktepapier "Soziale Innovationen" des Deutschen Caritasverbandes. Das Papier ist einsehbar unter: https://bit.ly/2KLcTO2
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So haben wir das nicht erwartet
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