Streitfall Scheinselbstständigkeit
Das Thema Scheinselbstständigkeit ist gerade in Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft und des Sozialwesens von großer praktischer Bedeutung. In ihren Betriebsprüfungen wertet die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) Honorarkräfte mittlerweile nahezu pauschal als abhängig Beschäftigte. Flankiert werden die sich dabei ergebenden Nachforderungen zum Teil sogar durch strafrechtliche Ermittlungen. Die stark divergierenden Urteile der Sozialgerichte führen aber zugleich zu großer Rechtsunsicherheit.
Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) liefert nun einen neuen wichtigen Baustein im Rahmen der Abgrenzung zwischen abhängiger und freier Beschäftigung. So urteilte das BSG in einer Ende Juni veröffentlichten Entscheidung, dass die Honorarhöhe ein "gewichtiges" Kriterium für eine echte Selbstständigkeit darstelle (BSG, Urteil vom 31. März 2017 - Aktenzeichen B 12 R 7/15 R).
Das BSG hatte über die Selbstständigkeit eines Heilpädagogen zu entscheiden, der im Auftrag eines Landkreises Jugendliche zu Hause in ihren Familien besuchte und betreute. Der Heilpädagoge erhielt für seine Tätigkeit ein Honorar von etwa 40 Euro pro Betreuungsstunde. Die DRV stufte ihn als scheinselbstständig ein und verlangte daher vom Landkreis Sozialversicherungsbeiträge nach. Der Landkreis klagte gegen diese Einstufung und bekam in allen drei Instanzen, zuletzt nun vor dem BSG, recht.
Interessant an dem BSG-Urteil ist, dass der Honorarhöhe erstmals gewichtige Bedeutung beigemessen wurde. Im Urteil heißt es:
"Liegt das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit."
Das BSG stellte jedoch zugleich klar, dass es sich lediglich um ein Indiz handelt. Ausschlaggebend war vor allem, dass die Honorarkraft keinen Weisungen "von erheblichem Gewicht" unterlag und nicht in die Arbeitsorganisation des Landkreises eingegliedert war. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine abhängige Beschäftigung anzunehmen, wenn der/die Arbeitnehmer(in) vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist: Das heißt, der/die Beschäftigte ist in den Betrieb eingegliedert und unterliegt dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers. Das BSG prüft dies im Rahmen einer Gesamtabwägung. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt daher davon ab, welche Merkmale überwiegen.
Für die Praxis heißt es nach wie vor, dass es bei der Beurteilung, ob ein freier Mitarbeiter abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, auf die Gesamtbetrachtung und Abwägung im Einzelfall ankommt. Relevant ist insofern vor allem die Frage nach Weisungen und Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Zusätzlich ist jetzt aber nun höchstrichterlich anerkannt, dass die Vergütungshöhe als gewichtiges Indiz in diese Abwägung miteinzubeziehen ist.
Abschließende Rechtssicherheit über eine Selbstständigkeit oder abhängige Beschäftigung lässt sich nur im Rahmen eines sogenannten Statusfeststellungsverfahrens herstellen. Allerdings werden diese Verfahren durch die DRV beurteilt und führen in der Praxis sehr häufig zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Im Streitfall muss gegebenenfalls dagegen vorgegangen werden.
Zu empfehlen ist es daher oft, präventiv eine Risikobeurteilung vorzunehmen. Auf der Grundlage der Ergebnisse einer solchen Bewertung kann das weitere Vorgehen bestimmt werden. Die Risikobeurteilung kann nun auch das jeweils gezahlte Honorar als ein Indiz umfassen.
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