Pflegekräfte gab’ s hier früher nur im Krankenhaus
Schon bald nach der staatlichen Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien im Jahr 1991 begann die dort neu gegründete Caritas damit, ein Konzept für Hauskrankenpflege zu entwickeln.1 Bis dahin war mobile Krankenpflege nicht vorgesehen; die gesundheitliche Versorgung in der Sowjetunion hatte sich weitgehend auf Krankenhäuser oder große Spezialeinrichtungen gestützt, den Rest überließ man den Familien. Doch mit der Transformation zu einer Marktwirtschaft und der zunehmenden Globalisierung gerieten auch in Georgien herkömmliche Familienstrukturen unter Druck. Auswanderung, Binnenmigration infolge des Ossetienkrieges 2008, Landflucht und niedrige Renten infolge der wirtschaftlichen Schwäche des Landes sind weitere Ursachen für die schlechte Versorgung vieler alter Menschen.
Staatliche Stellen beginnen inzwischen zu realisieren, dass das alte System teurer und ineffizient ist. "In unserem Land ist noch keine Pflegekultur entwickelt", sagt beispielsweise Akaki Danelia, stellvertretender Abteilungsleiter im Bürgeramt der Hauptstadt Tiflis. Es herrsche immer noch die Vorstellung, dass Pflege durch die Familie erfolgt. Mit einem Projekt unter Beteiligung der Caritas arbeite man daran, Hauskrankenpflege zu popularisieren und zu etablieren.
Mit finanzieller und personeller Unterstützung durch den Deutschen Caritasverband und sein Hilfswerk Caritas international hat die Caritas Georgien Strukturen aufgebaut, medizinisches und Krankenpflegepersonal ausgebildet und eingesetzt. Dieses Modell der Hauskrankenpflege orientiert sich am deutschen Vorbild und seinen fachlichen Standards.
Eigens entwickelte Ausbildungsmodule
Weil es Pflegekräfte früher nur in Krankenhäusern gab, wurden sie auch dort ausgebildet - meist von Ärzt(inn)en. Daher setzt das neue Konzept der Caritas auch bei der Ausbildung an. Am Anfang stand die Übersetzung deutscher Fachliteratur ins Georgische. Das Standardwerk "Hauskrankenpflege" der früheren Caritas-Mitarbeiterin Ingeborg Barden ist in Georgien bis heute das einzige Fachbuch zum Thema. Zur Ausbildung gehört aber auch der Erwerb pädagogischer Fertigkeiten - "Train the trainer" zieht sich als Leitfaden durch die Ausbildungs-Module, um das System der Hauskrankenpflege zu etablieren.
In einem Pilotprojekt 2014 bis 2015 wurden zunächst an zwei Krankenpflegeschulen wesentliche Ausbildungsmodule für die Hauskrankenpflege erprobt: Sie umfassten unter anderem die Grundzüge des Konzepts der Hauskrankenpflege, Anpassungen der Umgebung an die Bedürfnisse des Patienten, die Befähigung zur teilweisen Selbstversorgung und den Wiedererwerb verlorener Fähigkeiten. Die so entwickelte Ausbildung umfasst 86 Stunden Theorie und Praxis sowie 14 Stunden Selbststudium.
Mit 24 Krankenpflegeschulen oder Zusammenschlüssen von Schulen hat die Caritas Vereinbarungen geschlossen, so dass die Grundlagen des Konzepts und die Trainingsmodule weitere Verbreitung fanden. Die Caritas selbst hat in den letzten drei Jahren mehr als 600 Pflegeschüler(innen) und mehr als 150 Krankenschwestern ausgebildet - auch Krankenschwestern benötigen in Georgien Fort- und Weiterbildung, weil es zwar eine medizinisch-fachliche Ausbildung gibt, die aber für moderne pflegerische Anforderungen nicht ausreicht.
Zuvor fehlten in Georgien nicht nur qualifizierte Lehrkräfte für Hauskrankenpflege, sondern es mangelte auch an Bewusstsein, Literatur, dem Austausch von Wissen und Erfahrung und dem Austausch über Methoden. Inzwischen hat man auch da nachgezogen: Caritas Georgien tauscht sich mit der Caritas im Nachbarland Armenien aus und nimmt an internationalen Konferenzen teil. Im Juni 2016 besuchte eine Delegation die Caritas in der rumänischen Diözese Alba Julia, um von deren Erfahrungen bei der Organisation von Pflege, Ausbildung, aber auch der Zusammenarbeit mit der Regierung zu lernen. Auch die rumänische Caritas hatte - etliche Jahre zuvor und ebenfalls gefördert von Caritas international - einen ähnlichen Aufbauprozess gestaltet, wie er sich jetzt in Georgien ereignet.
Pflege zuerst für arme Patienten
Der Einsatz der Caritas für die Etablierung eines Systems der Hauskrankenpflege hat Wirkung gezeigt. In vier großen Städten gibt es inzwischen ein Angebot. In der Millionenstadt Tiflis, Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum, werden zunächst 800 Pflegebedürftige betreut, an der Finanzierung beteiligt sich der Staat. In einem ersten Schritt wird die Pflege nur für Menschen finanziert, die unter der Armutsgrenze leben. Ob jemand als Patient(in) aufgenommen wird, hängt darüber hinaus von seiner/ihrer gesundheitlichen Lage ab.
Kriterium für die Auswahl der Organisation sei die Qualifikation der Mitarbeitenden gewesen, sagt Akaki Danelia, der aber auch betont, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Patient(inn)en sehr wichtig sei. Dass die Caritas gute Arbeit leistet, verhilft ihr also zu einigem Ansehen nicht nur bei der betroffenen Bevölkerung, sondern auch bei staatlichen Stellen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man realisiert, dass in Georgien über 85 Prozent der Menschen der orthodoxen Kirche angehören, gegenüber etwa einem Prozent Katholik(inn)en.
Neben der Caritas sind noch zwei weitere Organisationen in dem Feld unterwegs. Der Staat - in diesem Fall die Abteilung für Gesundheit und Sozialfürsorge im Bürgeramt der Stadt Tiflis - finanziert das Programm, allerdings müssen die gemeinnützigen Partner eine Kofinanzierung leisten. Das kann die Caritas nur, weil sie mit Spenden unter anderem aus Deutschland unterstützt wird.
Anmerkung
1. Der Text basiert auf Informationen, die bei Gesprächen und Vorträgen im Rahmen einer Dialogreise von Caritas international nach Georgien im Oktober 2016 gewonnen wurden.
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