Einzelverhandlung von Sozialstationen – was ist zu beachten?
Viele Sozialstationen müssen sich neu positionieren. Die dynamische Entwicklung auf dem Pflegemarkt (unter anderem gesetzliche Änderungen durch das Pflegestärkungsgesetz II, Fachkräftemangel, fehlende Kostendeckung) veranlasst die Entscheidungsträger, die wirtschaftliche Betriebsführung und die zugrundeliegende Pflegevergütung in der ambulanten Pflege zunehmend auf den Prüfstand zu stellen. Vor diesem Hintergrund werden insbesondere Einzelverhandlungen mit den Pflegekassen als zukunftsweisend angesehen. Fraglich ist in vielen Fällen, ob die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einzelverhandlung überhaupt vorliegen.
Bisher war es üblich, Vergütungsvereinbarungen kollektiv zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und den Arbeitsgemeinschaften (Pflegekassen, Sozialhilfeträger) abzuschließen und pauschal fortzuschreiben. Unter Berücksichtigung der einrichtungsspezifischen Berechnungsfaktoren decken die so erzielten Vergütungen die tatsächlichen Gestehungskosten in einer Vielzahl der Fälle nur unzureichend.
Durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und die aktuelle Gesetzgebung wurde indes klargestellt, dass sowohl die Einhaltung der Tarifbindung als auch eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos in den Vergütungssätzen zu berücksichtigen sind. Um eine solche leistungsgerechte Ausfinanzierung zu etablieren und um eine existenzsichernde Preisgestaltung für sich in Anspruch nehmen zu können, werden ambulante Pflegeeinrichtungen zukünftig verstärkt den Weg der Einzelverhandlung beschreiten müssen. Denn nur durch eine Abkehr von der bislang gewohnten Verhandlungspraxis "Pauschalverhandlung" wird es möglich sein, alle einrichtungsindividuellen Kostenfaktoren (insbesondere tarifliche Bindungen) geltend und somit einer möglichen Refinanzierung überhaupt erst zugänglich zu machen.
Einnahmen und Ausgaben müssen ausgewiesen werden
Im Zuge der erstmaligen Vorbereitung der Einzelverhandlung muss die Einrichtung beachten, dass ausschließlich der Bereich der Pflegeversicherung verhandelt werden kann. Dies setzt eine sachgerechte Zuordnung der Personal- und Sachaufwendungen zum SGB-XI-Bereich voraus. Unter Berücksichtigung von § 71 SGB XI ist daher ein getrennter Ausweis aller Einnahmen und Ausgaben sowie eine nachvollziehbare Abgrenzung sonstiger Tätigkeitsbereiche des Pflegedienstes (Krankenversicherungsleistungen, Hausnotruf, Essen auf Rädern etc.) unabdingbar. Denn nur wer seine Ergebnisse im SGB-XI-Bereich kennt, kann diese auch als Verhandlungs- beziehungsweise Argumentationsbasis gegenüber den Pflegekassen einsetzen.
Erfahrungsgemäß müssen in einem ersten Schritt die zugrundeliegenden Betriebsabläufe und die vorgehaltene Kostenstellenrechnung kritisch betrachtet werden. Hierbei ist oft zu beobachten, dass die Einrichtungen die notwendigen Informationen für eine erfolgreiche Verhandlung nur bedingt liefern können. In vielen Fällen wird die vorhandene Software nur unzureichend eingesetzt oder deren Auswertungsmöglichkeiten sind nahezu unbekannt und finden kaum Anwendung. Auch ist zu beobachten, dass die mobile Datenerfassung - soweit vorhanden - nicht zielführend genutzt wird. Ohne eine differenzierte Kostenstellenrechnung und -auswertung sowie eine Dokumentation und Überwachung der Einsatz-, Wege- und Organisationszeiten kann das angestrebte Verhandlungsergebnis jedoch nicht erreicht werden.
Nach der Bestandsaufnahme müssen die Schwächen, die festgestellt wurden, beseitigt und die folgenden Anforderungen umgesetzt werden:
- Die Einrichtung benötigt eine differenzierte Kostenstellenrechnung und -auswertung (Gliederung nach Pflegebuchführungsverordnung, Umsatzstatistik, Vollkräftestatistik).
- Die Tourenplanung sollte mit reellen Zeitwerten hinterlegt und einer zeitnahen Auswertung unterzogen werden.
- Die Einsatz-, Wege- und Organisationszeiten sollten mittels einer mobilen Datenerfassung dokumentiert und überwacht werden.
- Die notwendigen Kennzahlen zum Einsatz von Mitarbeitenden (zum Beispiel Leitungs- oder Fachkraftquote) müssen einrichtungsweit bekannt sein und berücksichtigt werden (Nutzung eines Kennzahlensystems).
In der Gesamtbetrachtung ist die Einrichtung infolgedessen in der Lage - unter Beachtung der vorliegenden Empfehlungen - die Voraussetzungen für die Ermittlung von Kostenstellenkalkulationen und Stundensätzen zu erfüllen. Eine Marktanalyse mit Fragen bezüglich der aktuellen Preislage, regionaler Konkurrenz, Verhandlungsstrategie der relevanten Pflegekassen oder Erfahrungen von anderen Einrichtungen vervollständigt die wirtschaftliche Neupositionierung der Sozialstation. Erfahrungsgemäß wirken sich die Maßnahmen, die zur Vorbereitung ergriffen wurden, nicht nur auf die Chance positiv aus, sein angestrebtes Verhandlungsziel zu erreichen, sondern tragen durch eine stringente Betriebsführung und -organisation auch zum wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtung bei. Darüber hinaus wird die Sozialstation in die Lage versetzt, ihr Personal dauerhaft leistungsgerecht bezahlen zu können, wodurch sich die Einrichtung in Zeiten zunehmenden Personalmangels als attraktiver Arbeitgeber erweist und sich auf dem Arbeitsmarkt als solcher präsentiert.
Bestandsaufnahme ist unerlässlich
Im ersten Schritt schaffen die Vorbereitungen für Einzelverhandlungen Klarheit über die genaue Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen. Insbesondere wird die Einrichtung durch Kenntnis der eigenen Kostenstruktur in die Lage versetzt, Vergütungsangebote vonseiten der Kostenträger auf deren Auskömmlichkeit hin richtig zu beurteilen. Als Folge hiervon sollten Einzelverhandlungen zu einer deutlichen Erhöhung der Vergütungssätze führen. Gleichzeitig wird hiermit der Grundstein für eine wirtschaftliche Neupositionierung der Einrichtung gelegt.
Im Rahmen einer Bestandsaufnahme sollte die Unternehmensleitung die skizzierten Themen kritisch prüfen und gemeinsam mit einem erfahrenen Berater den Vorbereitungsstand beleuchten.
Wohnen – ein Pfeiler der Daseinsvorsorge
Auch auf dem Land ist Wohnen für viele zu teuer geworden
So verdient das Top-Management in der Sozialwirtschaft
„Jeder Mensch braucht ein Zuhause“
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}