Digital-Potenzial für Pflege und mehr
Die Stecktafel hängt noch an der Wand der Caritas-Sozialstation St. Theresa in Paderborn. Doch ihre eigentliche Aufgabe erfüllt sie schon lange nicht mehr: Fast zwei Jahrzehnte ist es her, dass mit ihrer Hilfe Touren für die Pflegekräfte der Sozialstation zusammengestellt wurden. Seitdem dient sie nur noch als Aufbewahrungsort für Informationsblätter.
Als Holger Penning 2008 Mitarbeiter der Caritas-Sozialstation wurde, hatte der Steckkasten schon ausgedient, doch die auf dem PC zusammengestellten Dienstpläne wurden immer noch auf Papier ausgedruckt. Jede(r) Mitarbeitende musste in die Zentrale kommen, um die Planung für den nächsten Tag abzuholen. Wenn Holger Penning, heute stellvertretender Pflegedienstleiter der Sozialstation, davon erzählt, lächelt er. Christiane Thiele, die Pflegedienstleiterin von St. Theresa, und Holger Penning arbeiten heute papierlos, wenn sie im Lauf der Woche die Dienstpläne für 27 verschiedene Touren schreiben und ständig aktualisieren. Sobald sie ihre Eingaben im PC speichern, werden die Mitarbeiter(innen) der Sozialstation automatisch über den aktuellen Stand informiert. Eine Push-Funktion schiebt die Daten auf die Diensthandys. Die täglichen Besuche in der Zentrale, um die Tour für den nächsten Tag zu besprechen, gibt es nicht mehr. Ändert sich etwas kurzfristig, reicht eine Mail, um die Kolleg(inn)en zu informieren.
Eine Software für die Caritas
Anfang der 2000er-Jahre gab es natürlich Computer im Caritasverband Paderborn, doch der Vernetzung waren noch enge Grenzen gesetzt. In dieser Situation kamen Pflegefachleute der Caritas und Vertreter der Paderborner Softwarefirma Connext zusammen, um die eingesetzte Spezialsoftware des Verbandes planmäßig weiterzuentwickeln. Damals führte die Partnerfirma das Programm Vivendi ein, das seitdem von den Programmierern kontinuierlich fortentwickelt und an die Anforderungen der Caritasarbeit angepasst worden ist. Die vielen unterschiedlichen Anwendungsmodule kommen nicht nur in der Pflege zum Einsatz, sondern auch in weiteren Diensten und Beratungsstellen des Verbandes.
Anfangs sorgte die flächendeckende Umstellung auf die neue Software für Irritationen unter den Mitarbeitenden. Doch der Verband musste sich auf schnell wachsende Klientenzahlen einstellen, die die Dokumentation, Einsatzplanung und Abrechnung ohne IT-Unterstützung bald überfordert hätte: Heute gibt es fast 1500 Patient(inn)en im Bereich "Pflege und Gesundheit" und 765 Mitarbeiter(innen), deren Einsätze koordiniert werden müssen.
Zudem war die Pflege schon zur Jahrtausendwende von Rationalisierungs- und Kostendruck getrieben: Der Caritasverband Paderborn sah sich mit stetig steigenden Personalkosten und gleichzeitigen Leistungsreduzierungen der Kassen konfrontiert. "Diese Herausforderungen hätten wir ohne die IT-Vernetzung nicht bestanden", ist der Leiter für den Bereich "Pflege & Gesundheit" im Caritasverband Paderborn, Hans-Werner Hüwel, überzeugt. Die Pflegekräfte in den Sozialstationen, den stationären Einrichtungen und den Tagespflegehäusern konnten effizienter arbeiten, indem sie Teile der Verwaltungsarbeit auf die Computer verlagerten: "Spätestens nach einem halben Jahr wollte kein Mitarbeiter in der ambulanten Pflege mehr auf das Smartphone verzichten."
Mit der wachsenden Bedeutung der IT-Vernetzung führte der Caritasverband ein System der gestuften Verantwortung für digitale Prozesse und Inhalte ein. In jedem Dienst und jeder Einrichtung stehen qualifizierte Partner den Mitarbeitenden bei Fragen oder Problemen zur Seite. Im Hintergrund agiert die IT-Abteilung des Verbandes, die Geräte und Software-Aktualisierungen installiert, zentraler Ansprechpartner für Datensicherheit und Zugriffsrechte ist und auch die fachgerechte Weiterentwicklung des Programms Vivendi begleitet. So wird jedes Diensthandy von der IT-Zentrale für den Einsatz optimiert, bevor der/die Mitarbeitende es erhält. Danach können mit einem Klick auf das Display Anfahrts- und Einsatzzeiten festgehalten werden. Google Maps holt sich automatisch die Klientenadresse und macht Vorschläge für die Anfahrt. Ein Postfach zeigt an, wenn eine neue Mail von der Zentrale der Sozialstation gekommen ist.
Weitere Funktionen werden noch hinzukommen. "Der digitale Bereich unterliegt einem ständigen Veränderungsprozess", sagt Bernd Sonntag, Leiter der IT-Abteilung im Caritasverband Paderborn. Schon jetzt können, sofern die dafür notwendigen Berechtigungen vorliegen, die Stammdaten verschiedener Dienste und Einrichtungen genutzt werden. Holger Penning in der Sozialstation St. Theresa gibt Klientendaten auf dem Server für die Kolleg(inn)en im Tagespflegehaus oder in der Kurzzeitpflege frei, wenn der/die Pflege-Klient(in) auch diese Angebote nutzt und der Datenfreigabe zustimmt. Das erleichtert die Abstimmung und die individuelle Einstellung auf den/die Klient(in).
Mehrstufige Datensicherheit
Auf die wichtige Frage nach der Sicherheit der Patientendaten antwortet der Caritasverband Paderborn mit einer Mehrfachabsicherung. Jede(r) Mitarbeitende unterschreibt bei der Einstellung eine Datenschutzerklärung. Zugriffsrechte auf Daten sind an Funktionen und nicht an Personen gebunden. Die Daten liegen auf Servern, die in einem deutschen Rechenzentrum stehen und damit deutschem Datenrecht unterworfen sind. Persönliche Daten wie Abrechnungen und Leistungsnachweise werden nur weitergegeben, wenn sie verschlüsselt und mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Das alles entspricht der "Anordnung über den kirchlichen Datenschutz" (KDO), die den Umgang mit Patientendaten und die dienstrechtliche Schweigepflicht für Mitarbeitende regelt.
Manchmal scheitert der digitale Fortschritt noch an bürokratischen Vorgaben von außen. So müssen in der ambulanten Pflege Leistungsabrechnungen immer noch in Papierform vorliegen und vom Patienten unterschrieben werden. Dieser Datenaustausch auf Papier ist eine zwingende Vorgabe der Kassen - und eigentlich ein Anachronismus in Zeiten, in denen die gesamte Dokumentation der erbrachten Leistungen digital vorliegt. Vom Standpunkt der EDV aus wäre die Abrechnung weitgehend automatisiert aus der laufenden Datenerfassung und Verarbeitung zu leisten, meint Bernd Sonntag. Holger Penning, der die Abrechnung für die 230 Klient(inn)en der Sozialstation St. Theresa zu koordinieren hat, sieht das nicht ganz so optimistisch: "Wir müssen immer noch von Hand Leistungsmodule und individuelle Besonderheiten einpflegen." Doch auch er kritisiert den Aufwand, der Monat für Monat anfällt, wenn im Büro der Sozialstation die ausgedruckten Papierberge wachsen. Seine Hoffnung sind Tablets, die beim Klienten hinterlegt werden. Auf ihnen können die Leistungen aktuell erfasst, vom Patienten bestätigt und an die Zentrale übermittelt werden. Doch noch ist das Zukunftsmusik.
Pflegedokumentation der Zukunft: komplett papierlos
Tablets als Dokumentationsplattform sind nur eine der vielen Innovationen, an denen die Software-Entwickler(innen) arbeiten. Sie können sich dabei auf Erfahrungen aus dem Berufsalltag der Pflegekräfte stützen. Gemeinsam mit Mitarbeiter(inne)n der Caritas entwickeln die IT-Spezialisten beispielsweise Ideen für Software-Funktionen, um die Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Ärzt(inn)en zu erleichtern. "Der Arzt könnte spezielle medizinische Daten über das Netz abfragen und viel flexibler und dem Bedarf angemessen reagieren", beschreibt Bernd Sonntag eines der möglichen Szenarien. Vorbei wären auch die Zeiten, in denen Mitarbeitende der Sozialstation in der Arztpraxis auf Rezepte und Verordnungen häuslicher Krankenpflege warten müssen.
Mehr Flexibilität bedeutet mehr potenzielle Verfügbarkeit der Mitarbeitenden: Digitale Meldungen über Tourenänderungen treffen auch abends oder am Wochenende auf den Smartphones der Pflegekräfte ein. Die Verlockung ist groß, selbst in der Freizeit auf das Handy zu schauen, obwohl kein(e) Caritas-Mitarbeiter(in) dazu verpflichtet ist.
Eine immer effektivere Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft, vielleicht sogar ihre Abschaffung, kann jedoch nicht das Ziel der digitalen Vernetzung in der Pflege sein. Das gibt Hans-Werner Hüwel zu bedenken: "Es geht darum, die Arbeit der Pflegekräfte zu erleichtern und zu unterstützen und nicht darum, die Menschen in der Pflege zu ersetzen." Die Arbeitswelt 4.0 sei keine Bedrohung für die Arbeitsplätze in der Pflege, ist der Bereichsleiter im Caritasverband Paderborn überzeugt: "Roboter können keine Pflege."
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