Beteilige mich, und ich werde verstehen – junge Menschen gestalten ihre Entwicklung
Wir nehmen Eltern wie auch Kinder und Jugendliche als Expert(inn)en für ihre Entwicklung ernst und unterstützen sie darin - diesem pädagogisch-therapeutischen Konzept und Anspruch folgend, entwickelte das Team des Lösungsorientierten Bildungs-, Beratungs- und Betreuungszentrums (LBZ) St. Anton in Riegel am Kaiserstuhl die Arbeit mit dem Entwicklungszielkreis. Dieses Instrument macht es möglich, ja sogar erforderlich, sich konsequent an den Zielen der jungen Menschen und ihrer Eltern zu orientieren. Zudem ist es ein Instrument, das
- eine Visualisierungshilfe im Gespräch selbst darstellt, so dass die Inhalte für alle Beteiligten immer deutlich vor Augen sind;
- leicht eingängig ist und eine einfache und klare Struktur der Gesprächsführung anbietet;
- es ermöglicht, dass die Entwicklungserfolge genauso deutlich zur Sprache kommen wie der weitere Entwicklungswunsch und -bedarf.
Hilfeplangespräche mit dem Entwicklungszielkreis gliedern sich dabei grundsätzlich in vier klar strukturierte Schritte:
- Im ersten Schritt wird zusammengetragen, was in den vier Entwicklungsfeldern des jungen Menschen ("Ich", das heißt im Blick auf seine Person, Familie, Gruppe, Schule) bereits gut läuft. Dieses Erleben des Gelungenen bildet die Grundlage, um weitere Ziele und Entwicklungsbedarfe in den Fokus zu rücken.
- Im zweiten Schritt bringen die junge Person wie auch die am Entwicklungsprozess Beteiligten ihre Ziele, Wünsche und Erwartungen zum Ausdruck.
- Schritt drei gestaltet dann der junge Mensch für sich alleine - er rückt die Ziele in den Mittelpunkt, die er in den nächsten Monaten weiterverfolgen will.
- Im vierten Schritt haben die übrigen Beteiligten die Möglichkeit, weitere ihnen ebenso wichtige Aspekte für die Entwicklung des jungen Menschen zu formulieren.
Die Inhalte der ersten beiden Schritte werden in einem Vorbereitungsgespräch mit der jungen Person - und wenn möglich, auch den Eltern - zusammengetragen. Sie dienen als Grundlage der Präsentation im Hilfeplangespräch, die in der Regel durch den jungen Menschen erfolgt. Nach Würdigung und Ergänzung durch die am Gespräch Beteiligten liegen die Schwerpunkte im Hilfeplangespräch selbst dann auf den Schritten drei und vier.
Bei diesem Vorgehen, das sich konsequent an den Erfolgen und Zielen der jungen Persönlichkeit orientiert (und insoweit den Anspruch von Ressourcenorientierung operationalisiert), sind im Sinne der Beteiligung folgende Aspekte besonders wichtig:
- Das bereits Gelingende und die künftigen Ziele, Wünsche und Erwartungen werden mit dem jungen Menschen (wo möglich, unter Beteiligung der Eltern) in einem Vorbereitungsgespräch in vertrautem Rahmen vorbereitet. Dies schafft Zutrauen für das Kommende und gibt dem jungen Menschen die Möglichkeit, im Hilfeplangespräch gestaltend (weil gut vorbereitet) mitzuwirken.
- Eine Visualisierung mittels Kärtchen unterstützt die Möglichkeit der Beteiligung, da alle wesentlichen Aspekte vor Augen und somit auch für Kinder gut nachvollziehbar sind.
- Die Unterscheidung zwischen seinen eigenen Zielen und Wünschen einerseits und den Erwartungen der am Entwicklungsprozess Beteiligten andererseits bestärkt den jungen Menschen als Akteur und Gestalter seiner Zukunft - ohne dabei zu vernachlässigen, dass er sich nachhaltig auch mit den Vorstellungen seiner Umwelt auseinanderzusetzen hat.
- Die Wahlmöglichkeit des jungen Menschen im dritten Schritt verdeutlicht, dass seine Ziele im Mittelpunkt stehen. Sie stellt somit ein Höchstmaß an Beteiligung und Ernstnehmen dar.
- Durch den Einsatz sogenannter Smart-Cards werden festgelegte Ziele in der Nachbereitung so weit operationalisiert, dass der junge Mensch für sich auch konkrete Handlungsschritte im Alltag ausbilden kann.
Welche Wirkungen entfaltet nun dieses Instrument im Konkreten? Mit einem "kleinen Blick über die Schulter" wollen wir zusammenfassend ein wenig von den Erfahrungen von und mit Finn1 im Rahmen der Hilfeplanung berichten.
Zum Beispiel: Finn wirkt am Hilfeplangespräch mit
Um Finn im Rahmen wirkungsorientierter Jugendhilfe bestmöglich zu unterstützen, ihm eine Tagesstruktur zu bieten, ihn zu sozialem Lernen anzuregen, stärkende Elternarbeit zu ermöglichen und dennoch den Verbleib in seiner Familie sicherzustellen, wurde Finn zunächst mit einer teilstationären Hilfe zur Erziehung unterstützt. Eine ambulante therapeutische Begleitung wurde angeregt, und es folgte eine medikamentöse Einstellung. Deutlich wurde im Verlauf, dass der Rahmen der teilstationären Hilfe für den Bedarf von Finn nicht ausreichte. Persönlich und familiär wurde ein größerer Hilfebedarf sichtbar. Aus diesem Grund folgte eine vollstationäre Hilfe zur Erziehung. Ein passender Platz fand sich im LBZ St. Anton.
Mitgebracht hat Finn neben seinem Erziehungshilfebedarf wertvolle Resilienzfaktoren. Er ist an seiner Umwelt interessiert, er ist aufgeschlossen und meist freundlich, er zeigt sich hilfsbereit, zuverlässig und kreativ. Finn ist gerne draußen beim Spiel und bei der Gartenarbeit. Diese förderlichen positiven Faktoren konnten wertschätzend immer wieder in der Arbeit mit dem Entwicklungszielkreis benannt und visualisiert werden. Da sich die Arbeit mit dem Entwicklungszielkreis konsequent an den Erfolgen und Zielen des jungen Menschen orientiert (Ressourcenorientierung), ist das Sichtbarmachen der Resilienzfaktoren von besonderer Bedeutung.
Die Hilfeplanung wurde regelmäßig mit Finn, seiner Mutter, den Erzieher(innen), den Lehrer(innen) und dem Jugendamt mit Hilfe des Entwicklungszielkreises gestaltet. Die unterschiedlichen Personen bieten dabei vielseitige Blickwinkel. Für einen nachhaltigen Eindruck an der Moderationswand sorgt die Visualisierung mittels Kärtchen, sie unterstreicht die Verbindlichkeit des Gesagten. Der junge Mensch steht im Mittelpunkt. Finn wird bestärkt als Akteur und Gestalter seiner Zukunft.
Es zeigte sich, dass durch die individuelle und intensive Vorbereitung des Hilfeplangesprächs mit dem Instrument des Entwicklungszielkreises ein optimales Gesprächsklima geschaffen wurde: Das Gespräch ist gut strukturiert und lässt sich gerade dadurch facettenreich gestalten. Alle werden am Gespräch und an den Zielsetzungen beteiligt. Die Pädagog(inn)en, die als Paten handeln können, sind Finn bei der Gesprächsführung behilflich.
Der junge Mensch, die Eltern - in diesem Fall die Mutter von Finn -, die Bezugserzieher, die Lehrer und das Jugendamt als fallführende Stelle setzen die Ziele für die nächsten Entwicklungsschritte, wobei Finn selbst konkrete Handlungsschritte benennt. Beispielsweise will er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seiner Mutter in die Wochenenden fahren, um persönliche Hemmschwellen zu überwinden und selbstständiger zu werden. Entwicklungsförderliche Impulse werden gesetzt.
Kommunikation auf Augenhöhe ist möglich, weil alle Beteiligten gut vorbereitet in das Hilfeplangespräch gehen und etwas zu sagen haben. Diese Sicherheit wird allen durch eigens vorbereitete runde und eckige Kärtchen vermittelt. Offenheit und Wertschätzung füreinander werden spürbar.
Im Fall von Finn war es herausragend, zu sehen, wie er von Hilfeplangespräch zu Hilfeplangespräch an Selbstsicherheit, ja fast an Freude beim eigenständigen Vortragen seiner gesetzten Ziele gewonnen hat. Finn selbst konnte erklären, dass durch die gute Vorbereitung und Visualisierung mit runden Kärtchen für Gelungenes und eckigen Kärtchen für Entwicklungswünsche das Gespräch für ihn von Wertschätzung geprägt war und Beteiligung aller ermöglichte. Selbst wenn seine Mutter beim Gespräch zum Hilfeplan verhindert war, konnte er ihre vorbereiteten Kärtchen mit einbringen und seine Mutter in gewisser Weise "präsent sein" und "mitwirken" lassen. Finn lernte, sich auszudrücken, sich zu positionieren und letztendlich gut zu präsentieren. Schritt für Schritt hat er sich für alle sichtbare Ziele gesetzt und diese verfolgt und - zunächst mit Unterstützung - umgesetzt. Finn konnte sich als selbstwirksamer Gestalter seiner Zukunft erleben.
Anmerkung
1. Name im Bericht geändert.
Literatur
Born-Kaulbach, C.; Cammenga, T.; Welter, J. (Hrsg.): Wundersame Wandlungen zur Selbstwirksamkeit. Dortmund: Verlag modernes Lernen, 2014.
Beteiligung – ein Schlüssel für erfolgreiche Erziehungshilfen
Vielstimmiger Glaube in der Caritas
Schöne neue Arbeitswelt
Frauenquote macht einmal mehr Kopfzerbrechen
Was das Leben lebenswert macht
Biete Wohnraum, suche Familienanschluss
Personalvorgaben sind keine Lösung
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