Schöne neue Arbeitswelt
In Japan hat im Jahr 2015 das erste Hotel eröffnet, das fast ausschließlich mit Robotern geführt wird. Die Gäste werden am Empfang von einer Roboterin begrüßt. Insgesamt sind acht Roboter im Service eingesetzt. Laut Wirtschaftswoche ist das Hotel durch die eingesparten Personalkosten im Vergleich zu anderen Hotels ein echtes Schnäppchen.1
Nun ist Japan sicherlich technologieaffiner als Deutschland. Aber auch hierzulande greift der Einsatz von digitaler Technik um sich. In einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes geben 82 Prozent der Befragten an, von Digitalisierungsprozessen an ihrem Arbeitsmarkt betroffen zu sein.2 Zugrunde liegt dabei ein sehr weiter Digitalisierungsbegriff, der von elektronischen Mails über Datenbrillen bis hin zur Zusammenarbeit mit Robotern reicht. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.3 Beide Studien zeigen, dass die Digitalisierung am Arbeitsplatz von den Beschäftigten als massiver Umbruch empfunden wird. 13 Prozent sehen es sogar als wahrscheinlich an, dass ihre Arbeit in den nächsten zehn Jahren von Maschinen übernommen wird.4
Die Frage der Entstehung von Arbeitslosigkeit durch Digitalisierung beschäftigt auch die Arbeitsmarktforschung. Katharina Dengler und Britta Matthes vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gehen davon aus, dass 15 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ein sehr hohes Ersetzungspotenzial haben.5 Sie glauben aber, dass nur wenige Berufe vollständig ersetzt werden können. Zudem sind sie der Auffassung, dass auch ethische und rechtliche Fragen diskutiert werden müssen, bevor Arbeitsplätze mit Robotern besetzt werden. Sie illustrieren das am Beispiel der Altenpflege und Kinderbetreuung: "So ist es fraglich, ob wir es zulassen würden, dass - angesichts des Fachkräftemangels in der Altenpflege - autonome Roboter die Pflege älterer Menschen übernehmen, wenn zum Beispiel die permanente Überwachung mit einer gewissen Verletzung der Privatsphäre einhergeht. Wer ist schuld, wenn ein Pflegeroboter einen Unfall verursacht? Oder was würden wir sagen, wenn wir unsere Kinder morgens nicht in die Hände einer kompetenten Erzieherin, sondern in die Arme eines Erziehungsroboters geben müssen?"6 Diese und ähnliche Fragen müssen durch einen gesellschaftlichen Diskurs erst geklärt werden, damit Digitalisierung für die Menschen wirklich sinnvoll eingesetzt werden kann. Dann wird sich auch entscheiden, in welchem Umfang Digitalisierung wirklich zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen wird.
Auch für Geringqualifizierte gibt es weniger Arbeitsplätze
Aus armutspolitischer Perspektive ist die Frage von Interesse, wie sich die Digitalisierung auf die Gruppen auswirken wird, die schon heute hohe Risiken der Arbeitsmarktintegration tragen. Viele Wissenschaftler(innen) gehen davon aus, dass Rationalisierungen vor allem Berufe bedrohen werden, die sich durch hohe Anforderungen in den Bereichen Präzision und Routine auszeichnen. Zu denken ist hier an Arbeitsplätze aus dem mittleren Qualifikationsniveau.7 Es wird aber auch die Gefahr gesehen, dass Personen mit geringer Qualifizierung und Vermittlungshemmnissen von der Wegrationalisierung ihrer Arbeitsplätze betroffen sein könnten. Dengler und Matthes befürchten, dass durch Digitalisierung freigesetzte Fachkräfte in bestimmten beruflichen Teilsegmenten Geringqualifizierte von ihren Arbeitsplätzen verdrängen könnten.8 Kurt Vogler-Ludwig meint, dass insbesondere Menschen ohne berufliche Qualifizierung bei beschleunigter Digitalisierung weniger gebraucht werden. Er befürchtet, dass Arbeitnehmer(innen) mit wenig digitalen Kompetenzen und geringer Lernerfahrung abgehängt werden. Konkret benannt werden hier Langzeitarbeitslose und Geringverdiener.9 Ähnlich sieht das Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Er sieht deshalb die Notwendigkeit, diese Gruppen durch berufliche Fortbildung zu höherer Beschäftigungsfähigkeit zu führen und Arbeitslose durch Umschulungen zu fördern.10
Ulrich Walwei (IAB) prognostiziert, dass vor allem schwer vermittelbare Menschen, die heute schon stark von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, Probleme bei der Integration bekommen werden. Als Gründe nennt er die mit der Digitalisierung einhergehenden steigenden qualifikatorischen Einstiegshürden, die schnellere Obsoleszenz von Qualifikationen und Substitutionspotenziale am Arbeitsmarkt bei Helfertätigkeiten. Andererseits sieht Walwei aber auch Chancen zum mobilen und zeitlich flexiblen Arbeiten, wenn das Vermittlungshemmnis im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt. Auch Arbeitnehmer(innen) mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen könnten bessere Chancen haben, wenn körperlich schwere Arbeiten nun mit Hilfe eines assistierenden Roboters erledigt werden können.11 Notwendig ist angesichts der steigenden Qualifikationsanforderungen, dass es im Bildungs- und Ausbildungssystem besser gelingt, alle Menschen auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen.12 Das IAB schlägt hier für einen begrenzten Personenkreis mit mittelfristig geringen Chancen auf ungeförderte Beschäftigung auch einen sozialen Arbeitsmarkt zur Sicherung der sozialen Teilhabe vor.13 Ebenfalls notwendig sind Weiterbildung und Umschulungen. Es ist nachgewiesen, dass berufliche Weiterbildungen von Arbeitslosengeld-II-Empfänger(inne)n sehr positive Wirkungen haben. Dies gilt insbesondere für Umschulungen, die über ein Jahr dauern und zu einem anerkannten Berufsabschluss führen.14
Trotz Erfolgs: Weiterbildung wird seltener gefördert
Wie sieht es damit aber für diese Gruppen aus? Die Teilnehmerzahlen an beruflicher Weiterbildung durch die Bundesagentur für Arbeit weisen seit Jahren deutlich nach unten. Dies gilt insbesondere für Personen im SGB- II-Bereich. Obwohl die Zahl der Hartz-IV-Bezieher(innen) zwischen 2010 und 2015 um neun Prozent gestiegen ist, sind die Ausgaben für berufliche Weiterbildung für diese Gruppe im gleichen Zeitraum um 26 Prozent gesunken.15 Ein Blick in die Förderlandschaft zeigt zudem, dass auch die Zahlen bei einzelnen Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik in den letzten fünf Jahren drastisch zurückgegangen sind. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung ist um fast 40 Prozent zurückgegangen, die öffentlich geförderte Beschäftigung sogar um fast 70 Prozent.16
Sowohl angesichts der großen Zahl von Langzeitarbeitslosen als auch der wachsenden Zahl von Zuwanderern wird klar, dass verstärkt in die berufliche Weiterbildung dieser Gruppen investiert werden muss. Der Deutsche Caritasverband (DCV) setzt sich deshalb dafür ein, die Kompetenzen in der Kommunikations- und Informationstechnologie gezielt zu fördern. Er fordert, bestehende Förderprogramme langfristig fortzuführen und in den Kapazitäten zu erweitern. Dringend notwendig ist es, insbesondere im SGB II die Finanzmittel für Weiterbildung zu erhöhen. Sinnvoll ist es, die Förderung auch auf Flüchtlinge zu erweitern, weil zu erwarten ist, dass gerade diese Gruppe aufgrund der relativ jungen Altersstruktur ein besonderes Bildungspotenzial im Bereich digitaler Fähigkeiten mitbringt. Lebenslanges Lernen muss für alle gelten.
Weiterbildung im digitalen Bereich findet heute vielfach am Arbeitsplatz statt. Deshalb muss auch die öffentlich geförderte Beschäftigung sowohl in der sozialversicherungspflichtigen Variante als auch im Bereich der Arbeitsgelegenheiten ausgebaut werden, damit Langzeitarbeitslose im Gefolge der Digitalisierung nicht dauerhaft beruflich abgehängt werden und bleiben.
Anmerkungen
1. www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/japan-roboter-managen-ein-ganzes-hotel/12078524.html?p=8&a=false&slp=false#image
2. DGB 2016: Index Gute Arbeit. Der Report 2016. Berlin.
3. Arnold, D. u.a.: Digitalisierung am Arbeitsplatz - BMAS-Forschungsbericht 468. Nürnberg/Mannheim/Köln, 2016, S. 6.
4. Ebd., S. 18.
5. Dengler, K., Matthes, B.: Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt. IAB Forschungsbericht 11/2015, S. 6.
6. Ebd., S. 7.
7. Eichhorst, W.: Digitalisierung und Arbeitswelt. In: ZSR 62(4)/2016, S. 389 f.
8. Dengler, K.; Matthes B., a.a.O., S. 23.
9. Vogler-Ludwig, K. u.a.: Arbeitsmarkt 2030 - Wirtschaft und Arbeitsmarkt im digitalen Zeitalter. Prognose 2016 im Auftrag des BMAS, München, 2016, S. 88.
10. Bonin, H.: Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland. Mannheim, 2015, S. 25.
11. Walwei, U.: Konsequenzen der Digitalisierung für strukturelle Arbeitsmarktprobleme - Chancen und Risiken. In: ZSR 62 (4)/2016, S. 372.
12. Ebd., S. 378.
13. Beste, J. u.a.: Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit. IAB Stellungnahme 2/2017, S. 7.
14. Bernhard, S.: Berufliche Weiterbildung für Arbeitslosengeld-II-Empfänger. In: Sozialer Fortschritt 7/2016, S. 160.
15. Bläsche, A. u.a.: Qualitätsoffensive strukturierte Weiterbildung in Deutschland. Working Paper Forschungsförderung Nr. 24 der Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf, 2017, S. 14.
16. Beste, J. u.a.: Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit. IAB-Stellungnahme 2/2017, S. 10.
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