Altenheime werden nicht ausreichend gemanagt
Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht von zahlreichen Vertreter(inne)n aus Wirtschaft, Politik oder Medien der demografische Wandel als Megatrend und zentrale Herausforderung beschworen wird. Diese - gleichsam alle - Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche betreffende Entwicklung wird im Besonderen in den Organisationen bedeutsam sein, in denen die nachfragenden und auch die anbietenden oder unterstützenden Personen immer älter werden: in Einrichtungen der stationären Altenpflege, in denen sich der demografische Wandel in doppelter Hinsicht niederschlägt. Allerdings sehen sich Altenpflegeeinrichtungen nicht nur demografischen Veränderungen gegenüber. Vielmehr stehen sie insbesondere auch durch sozialpolitische, soziodemografische und ökonomische Entwicklungen unter erheblichem Veränderungs- beziehungsweise Marktdruck.
In einschlägigen Untersuchungen liegt der Fokus üblicherweise darauf, wie sich der demografische Wandel auf die Belegschaft und das Versorgungssetting auswirkt. Vorliegende Studie1 hatte dagegen zum Ziel, Veränderungs- und betriebswirtschaftliche Anpassungsprozesse und deren Auswirkungen auf die Personalbeschaffung von Leitungskräften in der stationären Altenpflege zu untersuchen. Denn den Umgang mit den Folgen von demografischen Veränderungen in der Beleg- und der Bewohnerschaft, von den sozialpolitischen und nicht zuletzt ökonomischen Bedingungs- und Einflussfaktoren müssen insbesondere Leitungskräfte verantworten und bewältigen. Allerdings - und dies bestätigt unter anderem die Studie - sind in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten zu konstatieren, Leitungskräfte zu akquirieren, die in der Lage sind, die veränderten Anforderungen zu erfüllen. Insofern bestand die neue Absicht der Untersuchung darin, die Einrichtungs- und Pflegedienstleitungskräfte in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses zu stellen. Obgleich die Studie nicht explizit und ausschließlich für Organisationen der Caritas konzipiert wurde (auch wenn sich im Sample einige Interviewpartner(innen) aus Caritas-Organisationen wiederfinden), können die Erkenntnisse - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des bestehenden Profil- und Personalentwicklungsdiskurses innerhalb der Caritas - wertvolle Impulse auch und gerade für Caritas-Einrichtungen liefern.
Die Ziele und wesentliche Erkenntnisse der Studie
Die Untersuchung von Veränderungsprozessen bei der Personalgewinnung in der stationären Altenpflege konzentrierte sich auf den Zeitraum seit Einführung der Pflegeversicherung. Die Studie ging der Frage nach, wie die Einrichtungen betriebswirtschaftlich auf Basis der aufgezeigten Veränderungsprozesse reagierten - speziell in Bezug auf die Gewinnung von Leitungskräften. Aufgezeigt werden sollte dabei insbesondere, welche Gemeinsamkeiten oder Inkonsistenzen es in der betriebswirtschaftlichen Anpassung in den Einrichtungen gibt und wie sich die Anforderungen an die Leitungskräfte dadurch verändern. Die Studie zieht daraus Schlüsse zum Personalmanagement, zu externen Rekrutierungsinstrumenten und zur zielführenden Anwerbung von Führungskräften.
Empirisch konnte belegt werden, dass durch Veränderungen bei sozialpolitischen, soziodemografischen, ökonomischen sowie personellen Rahmenbedingungen zunehmend wechselnde, dynamische und vielschichtige Anforderungen an Einrichtungen der stationären Altenpflege gestellt werden. Als weitere bedeutsame Einflussfaktoren wurden Vorgaben von (Aufsichts-)Behörden (zum Beispiel Medizinischer Dienst der Krankenversicherung oder Heimaufsicht) genannt. Besonders bedeutsam wird diese externe Marktdynamik zusätzlich dadurch, dass sich in der Branche ein Professionalisierungsprozess vollzieht, welcher eine (Weiter-)Entwicklung professioneller Standards von Einrichtungen erfordert, um im dynamischen Wettbewerbsumfeld bestehen zu können.
Einrichtungen haben auf diese veränderten Einflussfaktoren durch umfangreiche betriebswirtschaftliche Modernisierungs- und Professionalisierungsprozesse reagiert, die sich letztlich in allen Funktionsbereichen wiederfinden (das heißt in "Unternehmensführung und Organisation", "Materialwirtschaft", "Produktionswirtschaft", "Marketing", "Kapitalwirtschaft", "Rechnungswesen und Control- ling" sowie "Personalwirtschaft"). Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der
Personalwirtschaft zu. Allerdings wird deutlich, dass die Personalgewinnung von Leitungskräften dieser konstatierten Notwendigkeit einer Professionalisierung hinterherhinkt. In der Untersuchung wird
dies - neben den eingesetzten Rekrutierungsinstrumenten - insbesondere dadurch deutlich, dass Insuffizienzen beziehungsweise eine mangelnde Stimmigkeit zwischen betriebswirtschaftlichen Anpassungen und den Anforderungen an Leitungskräfte bestehen. Mithin zeigen sich Doppelungen sowie unklare Abgrenzungen in den Verantwortungsbereichen der jeweiligen Leitungspositionen.
Aufgabenbereiche klar regeln
Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass es notwendig ist, die Aufgaben von Führungskräften beziehungsweise die Verantwortungsbereiche in Einrichtungen der stationären Altenpflege zu konkretisieren beziehungsweise zu harmonisieren. Die Frage "Wer ist für was zuständig und sind entsprechende Kompetenzen und Befugnisse vorhanden?" muss konkret und widerspruchsfrei beantwortet werden. Dieser Optimierungsbedarf in Einrichtungen der stationären Altenpflege wurde auch im Hinblick auf Mittel und Wege deutlich, die zur Personalgewinnung von Leitungskräften zum Einsatz kommen. Denn neben der Nutzung von klassischen Wegen (zum Beispiel "Stellenanzeigen in Printmedien", "Stellenanzeigen in Internet-Jobbörsen" sowie "Stellenanzeigen auf der Homepage") zeigten sich Entwicklungsnotwendigkeiten speziell in der Nutzung von "Jobmessen/Jobbörsen", "Kontakten zu Hochschulen", "Stellenanzeigen in Hochschulmedien", "Aushängen" und "Bewerberpools". Weitere Verbesserungsmöglichkeiten liegen darin, Netzwerkkontakte und Empfehlungen auszubauen sowie Web-2.0-Anwendungen zur Rekrutierung von Führungskräften zu nutzen.
Ferner ergab die Studie, dass über derzeit bereits eingesetzte Instrumente hinaus vor allem solche ausgebaut werden sollten, die unter die Themenfelder "Kooperationen" sowie "Arbeitgeberattraktivität"
fallen. Deutlich wird, dass speziell dem vielschichtigen Bereich der Arbeitgeberattraktivität mit den als wesentlich erachteten Kernaspekten Arbeitsbedingungen, Vergütung, Unternehmenskultur und -zielsetzung sowie Bekanntheitsgrad eine zunehmende Bedeutung zugeschrieben wird. Insofern wird der Gestaltung entsprechender Attraktivitätsfaktoren eine hohe Bedeutung zugeschrieben, damit in Einrichtungen der stationären Altenpflege aktuell und zukünftig qualifizierte Leitungskräfte gewonnen werden können.
Aufbauend auf diesen zusammengefassten Erkenntnissen wurden fünf zentrale Hypothesen generiert. Sie nehmen in ihren Kernaussagen Bezug auf eine reaktive Ausrichtung von Einrichtungen, verdeutlichen eine Tendenz zur "organisierten Unverantwortlichkeit" in Einrichtungen und zeigen auf, dass sich Leitungskräfte in einem Spannungsfeld zwischen extern induzierten betriebswirtschaftlichen Erfordernissen und einem unzureichenden innerorganisatorischen Professionalitätslevel befinden. Systemisch betrachtet wird in einer abschließenden Hypothese argumentativ ein Grunddilemma zwischen einem geforderten unternehmerischen Handeln und einer in der Praxis vorherrschenden Orientierung an weitgehend staatlich vorgegebener Steuerungssystematik herausgearbeitet, welches es perspektivisch dringend aufzulösen gilt.
Caritas kann sich in Unternehmenskultur profilieren
Angesichts der Befunde der Studie kann von einem Zustand des "Under-Managed"-Seins von Einrichtungen insbesondere im Bereich des Personalmanagements ausgegangen werden. Insofern ist es essenziell, die eingesetzten Instrumente zur Personalgewinnung, aber auch die Entwicklung sowie die Bindung von bereits vorhandenem Personal weiterzuentwickeln, um den zukünftigen Personalbedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht erfolgreich decken zu können. Denn letztlich ist es eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, die auch und gerade durch Einrichtungen der stationären Altenpflege zu leisten ist, die professionelle Versorgung pflegebedürftiger Menschen aktuell und zukünftig sicherzustellen. Im Sinne der Wichtigkeit von Unternehmenskultur können gerade die Caritas und ihre Einrichtungen als Arbeitgeber auf dem knappen Markt von qualifizierten Leitungskräften einen wertvollen Beitrag zur Lösung dieser gesellschaftlichen Herausforderung leisten: durch die Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen im Sinne eines katholisch-christlichen Arbeitgeberprofils. Im Konkreten sind Einrichtungen der Caritas aufgefordert, gemeinsam mit ihren Leitungskräften eine Vision, ja Leitlinien guter Arbeit und Führung in den Einrichtungen zu entwickeln, damit Führungspersonal diese Orientierung, ja diesen (konzeptionellen und vom christlichen Menschenbild getragenen) Halt sowohl an Mitarbeitende als auch an Bewohner(innen) erfolgreich weitertragen können. Denn nur wenn die Botschaft eines herausgearbeiteten, gemeinsam getragenen und verantworteten, idealerweise einzigartigen katholisch-christlichen Arbeitgeberprofils die Arbeit und das Personalmanagement trägt, dann haben Einrichtungen der Caritas im Wettbewerb um qualifizierte Leitungskräfte ein Unterscheidungsmerkmal und bestenfalls auch eine Magnetwirkung.
Anmerkung
1. Müller, Thomas:?Einrichtungen der stationären Altenpflege im Wandel. Veränderungs- und betriebswirtschaftliche Anpassungsprozesse und ihre Auswirkungen auf die Personalbeschaffung von Leitungskräften. Sozialpolitische Schriften, Band 92. Berlin: Duncker & Humblot, Juli 2015.
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