Absage an Dumpinglöhne in der Eingliederungshilfe
Das Bundessozialgericht hat seine Entscheidung vom 7. Oktober 2015 über die Anerkennung der Tarifbindung bei Entgeltverhandlungen nach dem SGB XII nun begründet. Gegenstand des Revisionsverfahrens war ein Rechtsstreit zwischen einem Träger einer Einrichtung der Eingliederungshilfe (Barmherzige Brüder gGmbH) und dem Saarland, der zugunsten des Trägers entschieden wurde. Erstmals hatte ein Gericht den Grundsatz der wirtschaftlichen Angemessenheit der Tarifentgelte aus dem SGB XI auf das SGB XII übertragen (AZ B 8 SO 21/14 R; siehe dazu neue caritas Heft 20/2015, S. 28).
In den Entscheidungsgründen hat das BSG nun die wirtschaftliche Angemessenheit der Tarifbindung im Bereich der Eingliederungshilfe dargelegt: "…die Einhaltung der ,Tarifbindung‘ und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind … grundsätzlich als wirtschaftlich angemessen zu werten und genügen insoweit den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung."
Damit ist die Frage der Tarifanerkennung im SGB XII geklärt. Daneben stellt das BSG klar, dass der Begriff der Sparsamkeit keine eigenständige Bedeutung hat und keine unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegende Ebene normiert. Zudem bestätigt das BSG eine rechtliche Gleichstellung der Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR) mit Tarifverträgen.
Laut BSG erfordern die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern (sogenannter externer Vergleich). Zwar enthalte das SGB XII dafür keine Vorgaben. Die Kriterien könnten jedoch aus den vergleichbaren Regelungen des Pflegeversicherungsrechts übernommen werden (§ 84 Abs. 2 SGB XI). Danach sind bei der Bemessung der Entgelte die Pflegesätze vergleichbarer Einrichtungen zu berücksichtigen, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsmerkmale in § 84 Abs. 5 im Wesentlichen gleichartig sind. Angesichts des "enormen Auseinanderklaffens" der Aufwendungen in den einzelnen Einrichtungen könne laut BSG die Entgelthöhe allein kein valides Mittel für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit sein.
Diese Stellungnahme ist auch im Hinblick auf die geplanten Änderungen im Bundesteilhabegesetz (BTHG-E) bedeutsam. Einerseits wird der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit von Tarifbindungen im Entwurf verankert, andererseits wird eine neue Regelung beim externen Vergleich eingeführt (§ 119 Abs. 3 BTHG-E). Danach soll die Vergütungsforderung des Leistungserbringers wirtschaftlich angemessen sein, wenn sie gegenüber "der Vergütung vergleichbarer Einrichtungen im unteren Drittel liegt". Eine Aussage über die Anwendung des Tarifanerkennungsgrundsatzes beim externen Vergleich fehlt jedoch. Auch bleibt offen, nach welchen Kriterien Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu vergleichen sind. Denn die Bewohner- und Leistungsstruktur ist heterogener als in Pflegeeinrichtungen.
Ein weiterer Rechtsstreit über die Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe wurde ebenso zugunsten des Leistungserbringers (Christliches Sozialwerk gGmbH) entschieden (Urteil LSG Sachsen vom 1. April 2015, AZ L 8 SO 86/12 KL; BSG-Beschluss vom 27. November 2015, AZ B 8 SO 94/15 B). Die Argumentation des LSG orientiert sich an der Rechtsprechung des BSG vom 16. Mai 2013 (AZ B 3 P 2/12 R). Demzufolge müssen auch tarifgebundene Einrichtungen dem externen Vergleich unterzogen werden. Eine Grenze sei dort zu ziehen, wo die Vergütungsforderung die Entgelte der Vergleichseinrichtungen ohne einen sachlichen Grund deutlich übersteige. Die Kürzung von Personalaufwendungen ist auf solche Sondersituationen beschränkt.
Die Möglichkeit, das Prüfschema aus dem SGB XI anzuwenden, schließt jedoch andere Vorgehensweisen bei Überprüfung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im SGB XII nicht aus. Auch in dieser Hinsicht halten die Träger das BSG-Urteil für einen Gewinn.
Kirchlicher Suchdienst: Ende einer Ära
Kinderpsychodrama: stärkend und befreiend
Mehr tun für Langzeitarbeitslose und ältere Migranten
Noch Nachbesserung fällig
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}