Jetzt wird Kontrolle wichtig
Am 3. Juli 2014 wurde das Tarifautonomiestärkungsgesetz im Bundestag verabschiedet. Der Deutsche Caritasverband (DCV) hat das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet, da die Änderungen auch den Sozialbereich betreffen. Ab Januar 2015 muss ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bezahlt werden. Generell ist zu sagen, dass der Mindestlohn ein wichtiger Schritt ist, Fehlentwicklungen am Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Für die Einrichtungen und Dienste der Caritas stellt der Mindestlohn kein Problem dar, weil heute bereits höhere Löhne bezahlt werden. Nur bei den Fahrdiensten könnte es zu Schwierigkeiten kommen. Refinanzierungsprobleme sind dafür verantwortlich, dass hier aktuell die Löhne unter 8,50 Euro liegen.
Positiv ist, dass die öffentlichen Religionsgemeinschaften und auch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände vor zukünftigen Anpassungen des Mindestlohns angehört werden können und ein Recht zur Stellungnahme erhalten. Auch bei Änderungen von Rechtsverordnungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz gibt es ein Recht zur Stellungnahme. Wie von Caritas und Kirchen gefordert, trägt der Gesetzgeber damit nun dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und den Sonderregelungen des Dritten Weges Rechnung.
Die mediale und politische Debatte der vergangenen Monate war stark von der Frage nach Ausnahmen vom Mindestlohn geprägt. Der Mindestlohn soll nun für einige Gruppen dauerhaft oder für einen begrenzten Zeitraum nicht gelten. Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung müssen nicht nach Mindestlohn bezahlt werden. Pflichtpraktika sind ebenfalls vom Mindestlohn ausgenommen. Für Orientierungspraktika und freiwillige Praktika während Ausbildung und Studium kann für drei Monate unterhalb des Mindestlohns gezahlt werden. Damit ist sichergestellt, dass Praktika, die aus Sicht der Caritas eine wichtige Funktion für den Berufseinstieg haben, in den genannten Bereichen weiter angeboten werden.
Gesetz differenziert zu wenig
Ein besonderes Augenmerk hat der DCV während der Reform auch auf die Arbeitsmarktsituation von Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderung gelegt. Das Gesetz sieht nun vor, dass Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht nach Mindestlohn bezahlt werden müssen. Damit tritt eine Regelung in Kraft, die für die sehr heterogene Gruppe von Langzeitarbeitslosen wenig zielgenau ist. So hat die alleinerziehende und gut ausgebildete Mutter, die keinen Betreuungsplatz bekommt, eine andere Problemlage als der seit acht Jahren langzeitarbeitslose Drogenabhängige. Die Wirkung des Gesetzes auf die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungshemmnissen muss daher weiter beobachtet werden. Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein großer Teil der Langzeitarbeitslosen jetzt schon Probleme hat, eine Beschäftigung mit höherer Entlohnung zu finden. Diese Situation kann sich bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro verschärfen. Auch stellt sich die Frage, ob bei bestehenden Förderprojekten die Refinanzierung höherer Löhne sichergestellt werden kann. Die Frage der Refinanzierung betrifft auch Integrationsprojekte der Behindertenhilfe, in denen heute teilweise auch weniger als 8,50 Euro bezahlt wird.
Positiv ist, dass - entgegen den anfänglichen Plänen - der Mindestlohn nun fortlaufend evaluiert wird. Dies gibt die Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen nachzusteuern. Im Bereich der Behindertenhilfe haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Regierungsfraktionen zudem in einer Erklärung zugesagt, die Entwicklung der Integrationsbetriebe genau zu beobachten und gegebenenfalls die Förderbedingungen und Eingliederungszuschüsse anzupassen. Dies gilt auch für die Beschäftigung von Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen.
In der Praxis ist es nun wichtig, die Refinanzierung höherer Löhne auszuhandeln. Die Einrichtungen und Dienste der Caritas sind gefordert, die Wirkungen zu beobachten und eventuelle Fehlentwicklungen an die Politik zurückzumelden. Insofern gilt: Nach der Reform ist vor der Reform.
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