Krankenhäuser gewinnen im Verbund
"Krankenhauslandschaft 2020 - im Verbund stärker!" - lautet die Studie, die die Prognos AG im Auftrag des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands (KKVD) und des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV) erstellt hat.1 Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat Stellgrößen herausgearbeitet, die (christliche) Krankenhausträger und -verbünde beachten sollten, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Schon im Herbst 2009 wurde eine Studie mit dem Titel "Krankenhäuser - werteorientiert, innovativ, wettbewerbsstark" im Auftrag der christlichen Krankenhäuser veröffentlicht.2 Damit diese Aussage auch in Zukunft noch ihre Berechtigung hat, müssen sich die kirchlichen Krankenhäuser vielfachen Herausforderungen stellen. Wie diese aussehen und wie ihnen begegnet werden kann, darauf gibt es keine endgültigen Antworten und auch keine abschließende Lösungsstrategie. Bereits heute sind jedoch Trends erkennbar, die die Vielzahl von denkbaren Herausforderungen deutlich einschränken.
Mit welchen Strategien die Leitungen der kirchlichen Krankenhäuser auf die zukünftigen Herausforderungen reagieren werden, war Thema einer repräsentativen Umfrage unter 121 Geschäftsführer(inne)n christlicher Krankenhäuser.
Kirchliche Kliniken wollen größer werden
Zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Geschäftsführungen wollen mit ihren Häusern im Markt wachsen, indem sie produkt- oder patientenorientierte Leistungsbereiche in ihre Wertschöpfungskette integrieren sowie neue Märkte erschließen.
Die wachstumsorientierten Krankenhausmanager(innen) entwickeln ihre Wertschöpfungskette auf unterschiedlichen Handlungsfeldern weiter. 82 Prozent engagieren sich im Bereich der Erweiterung des stationären, krankenhausspezifischen Leistungsportfolios. Die Hälfte widmet sich der Erschließung neuer ambulanter beziehungsweise rehabilitativer Leistungsangebote. Die Etablierung innovativer, integrierter Versorgungsangebote ist für rund ein Drittel der Befragten geeignet, um ihre Marktposition zu verbessern.
Die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser werden schwieriger. Parallel dazu werden die Voraussetzungen für Wachstum zunehmend anspruchsvoller. So ist davon auszugehen, dass
a) bei nur geringem Anstieg der Fallzahlen die Fallschwere weiter steigen wird. Gleichzeitig ermöglicht es der medizinisch-technische Fortschritt, dass ambulante Operationen zunehmen werden;
b) die Personalgewinnung und -entwicklung - insbesondere im Bereich der Pflege - anspruchsvoller wird. Bis zum Jahr 2020 werden bundesweit schätzungsweise 380.000 Fachkräfte in der Pflege fehlen;
c) sich der von den Ländern eingeschlagene Weg des Rückzugs aus der öffentlichen Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser weiter fortsetzen wird, so dass die Investitionsfähigkeit kirchlicher Krankenhäuser weiter geschwächt wird.
Im Bündel werden diese Faktoren zur Folge haben, dass die Verfügbarkeit von Kapital und Personal darüber entscheiden wird, ob die Wachstumsstrategie der Geschäftsführungen realisiert werden kann.
Im Verbund stärker - eine nicht realisierte Botschaft
Perspektivisch ist zu erwarten, dass mit Blick auf die zentralen Herausforderungen größere Verbundstrukturen das probate Mittel sind, um auch zukünftig im Markt bestehen zu können. Die Vorteile eines Verbundes liegen auf der Hand:
- Durch Prozessoptimierung (Innovationen) wird die Rendite verbessert. Damit fällt die Innen- und Außenfinanzierung von Investitionen leichter.
- Durch umfangreiche Personalentwicklungskonzepte steigt die Attraktivität der einzelnen Verbundklinik. Das bedeutet einen Vorteil in der Personalakquise und Personalsicherung.
Auch vielen Geschäftsführungen der kirchlichen Krankenhäuser - und zwar unabhängig von der verfolgten Strategie - ist bewusst, dass angesichts der zunehmenden Wettbewerbsintensität das Zusammengehen mit anderen Krankenhäusern das adäquate Mittel ist, sich im zukünftigen Klinikmarkt zu behaupten. 91 Prozent der befragten Kranken-hausleitungen gehen davon aus, dass sich die Verbundgröße auf mindestens drei bis vier Krankenhäuser erweitern wird (s. Abb. 1).
Lediglich zehn Prozent der befragten Geschäftsführungen erwägen Übernahmen von Krankenhäusern. Vor dem Hintergrund einer schwächeren Investitionsfähigkeit kirchlicher Einrichtungen, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) festgestellt hat, ist diese Zurückhaltung noch nachvollziehbar.3 Dass jedoch nur die Hälfte der Geschäftsführungen bereit ist, die eigene Einrichtung in einen größeren Verbund zu integrieren, erstaunt zumindest.
Das Ergebnis der Befragung zeigt eine Diskrepanz auf: Einerseits sind sich die Geschäftsführungen über die Risiken beziehungsweise Chancen auf dem Klinikmarkt im Klaren. Andererseits wird deutlich, dass die konkrete Bereitschaft, sich mit anderen Krankenhäusern zu verbinden, vielfach noch nicht ausgeprägt ist. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass zukünftige Kooperationsbeziehungen möglichst unverbindlich sein sollten (s. Abb. 2).
Die Frage für die kirchlichen Krankenhausträger ist, wie diese mit ihrer geringen Investitionsfähigkeit diesen Herausforderungen Rechnung tragen können. Wie wollen sich die kirchlichen Krankenhäuser in einem umkämpften Markt gegen investitionsstarke Wettbewerber durchsetzen?
Der Weg in die Zukunft führt über starke Verbünde und verbindliche Kooperation - auch ökumenisch. Auch andere Studienergebnisse und Experteneinschätzungen belegen, dass es größeren Verbünden leichter fällt, das Personal zu entlasten und dadurch die Arbeitszufriedenheit nachhaltig zu steigern. Große Klinikverbünde haben Effizienzvorteile gegenüber kleineren Wettbewerbern. Darüber hinaus ermöglichen Verbundstrukturen einen besseren Wissensaustausch der verschiedenen Fachkräfte sowie durch Job-Rotation den Einsatz in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Dadurch werden die Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten gesteigert.
Das zunehmende Alter der Patient(inn)en macht eine sektorübergreifende Versorgung immer notwendiger. Wenn Selektivverträge im Gesundheitswesen vermehrt als Grundlage zur Versorgung der Patient(inn)en dienen, wird die Weiterentwicklung einzelner Häuser zu sogenannten "Mehrfachspezialisten" umso wichtiger. Auch dies fällt Verbünden deutlich leichter.
Mit Blick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen wird einzelnen Krankenhäusern - mit Ausnahme von Fachkliniken und einiger Maximalversorger - das Überleben schwerfallen.
Kirchliche Krankenhäuser haben das Potenzial, sich zu (regionalen) Großanbietern zu entwickeln, wenn die noch vielfach zu beobachtende Zurückhaltung zur verbindlichen Kooperation und Verbundbildung aufgegeben wird und die Hindernisse wie kirchenrechtliche als auch "politische" Vorbehalte, die ökumenischen Verbünden zurzeit noch im Wege stehen, überwunden werden.
Mehrfacherkrankungen der Patienten nehmen zu
Die Chance für die kirchlichen Krankenhäuser liegt auch darin, die Wertschöpfungskette durch die Einbindung teilstationärer und ambulanter Angebote in einen regionalen Verbund zu verlängern. Dieser bietet dann die gesamte Leistungspalette an. Denn je größer der Verbund ist, umso leichter wird es sein, attraktive - und dabei auch betriebswirtschaftlich interessante - Angebote zu entwickeln, die der zunehmenden Multimorbidität der Patient(inn)en Rechnung tragen.
Ob es den kirchlichen Krankenhäusern auch künftig gelingen wird, sich in dem seit Jahren durch hohen Effizienzdruck und Konsolidierung gekennzeichneten Wettbewerb im Krankenhausmarkt zu behaupten, wird vor allem davon abhängen, ob sie - über die Optimierung von Prozessen und Abläufen hinaus - strategische verbindliche Allianzen eingehen, die Bildung größerer Verbünde, auch konfessionsübergreifend, zielstrebig vorantreiben, und ob sie ihre aktuelle Investitionsschwäche nachhaltig überwinden können.
Anmerkungen
1. Abrufbar unter www.prognos.com
2. Ebd.
3. Siehe RWI Krankenhaus Rating Report 2012, Essen.