Bundeskonferenz bündelt gemeinsame Interessen
Der Weg von der über 60-jährigen Tradition einer Großstadtdirektorenkonferenz zur neuen Bundeskonferenz der Orts-Caritasverbände dauerte dann doch etwas länger. Dafür hatte die neue Konferenz in der Pfingstwoche mit 98 Teilnehmenden einen guten Start.
Die Bundeskonferenz ist eine Antwort auf neue Kommunikationsbedarfe in der deutschen Caritas. Mit der Entwicklung stärkerer Konkurrenz unter örtlichen Anbietern sozialer Leistungen und den Auswirkungen der Föderalismusreform reichten bewährte Strukturen in der Caritas nicht mehr aus. Mit den beiden Verbandsprojektgruppen zu "Föderalismus" und zu "Kommunalisierung" hatte sich der Deutsche Caritasverband (DCV) diesem Anpassungsbedarf gestellt. Seit 2007 befasste sich zugleich eine Arbeitsgruppe der Großstadtdirektorenkonferenz mit den veränderten Bedürfnissen der Ortsebene in der Caritas.
So offensichtlich auf der Ortsebene eine immer größere eigene Management- und Verhandlungsrolle wahrgenommen wird, so ist auch das Agieren auf zunehmend schärfer konkurrierenden Sozialmärkten zum Tagesgeschäft geworden.
Schnelle und effiziente Meinungsbildung und die Abstimmung gemeinsamer sozialpolitischer Positionen gewinnen an Bedeutung. Damit wird es zugleich nötig, ergänzend zu den vorhandenen Satzungsstrukturen die Interessen der Ortsebenen stärker auf der Bundesebene, sowohl im Verband als auch in der Politik, direkt und offensiv zu vertreten. Eine Unterscheidung zwischen Konferenzen für "Großstadt-" und "ländliche Verbände" macht deshalb keinen Sinn mehr. Vielmehr hat sich mit der ersten gemeinsamen Konferenz der hohe Mehrwert einer gemeinsamen Kommunikationsstruktur und jährlichen Tagung gezeigt. Die Bundeskonferenz hat einen 14-köpfigen Lenkungsausschuss sowie eine Sprechergruppe gebildet: Hartmut Fritz (Caritasverband Frankfurt) fungiert künftig als Sprecher, Ulrich Ahlert (CV Stuttgart), Regina Hertlein (CV Mannheim) und Hans-Georg Liegener (CV Krefeld) komplettieren den Kreis.
In seinem Gastbeitrag unterstrich auch Caritaspräsident Peter Neher seine Erwartung, dass die Bundeskonferenz wertvolle Beiträge zur innerverbandlichen Kommunikation und themenbezogenen Ausrichtung in der deutschen Caritas liefern könne. Ausdrücklich bezeichnete er die neue Tagungs- und Kooperationsform als gute und in ihrer Entwicklung auch von ihm persönlich unterstützte Initiative der örtlichen Caritasverbände.
Die Herausforderungen ähneln sich
Die Erfahrung des persönlichen und fachlichen Miteinanders in der neuen Tagungsform war für alle Verbandsvertreter(innen) eine große Bereicherung. Die gemeinsamen Herausforderungen in den Caritasverbänden deckten sich erwartungsgemäß zum großen Teil, trotz sehr unterschiedlicher Verbandsgrößen und Konstellationen. Die Fachthemen der ersten gemeinsamen Tagung, wie beispielsweise die Auswirkungen der demografischen Entwicklung, der heutige und künftige Fachkräftemangel, Ansätze zur strategischen Personalplanung und -entwicklung sowie gemeinsame Caritasthemen wurden entsprechend engagiert diskutiert.
In seinem Eingangsvortrag machte der SPD-Politiker und ehemalige Bundesarbeitsminister Franz Münterfering die Herausforderungen der demografischen Veränderungen für das ganze Land deutlich. Nicht nur Fachkräftemangel oder steigender Pflegebedarf, sondern auch eine grundlegend andere gesellschaftliche Konstellation stehe uns in den kommenden Jahren bevor, so Müntefering. Es sei höchste Zeit, dass die gesamte Staatsgemeinschaft und nicht nur die Verbände als Arbeitgeber und Dienstleister ihre Rollen und ihr Miteinander daran anpassten.
Gäste aus Wirtschaft und Wissenschaft gaben Einblick in ihre Strategien und Analysen zu den Herausforderungen der sich verändernden Personalmärkte. Jutta Rump, Professorin an der Fachhochschule Ludwigshafen mit Schwerpunkt Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung, war der Ansicht, dass oft noch grundsätzliche Entscheidungen zum Personalmanagement getroffen werden müssten. Ziel müsse sein, den "Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit über ein ganzes (künftig längeres) Arbeitsleben lang" als Balance zwischen Arbeitgeber und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden anzugehen. Sie regte an, in der Caritas bei aller Strategie auch "normatives Personalmanagement" im Sinne der Unternehmenskultur und der eigenen Normen und Werte sowie im "operativen Personalmanagement" die breiten Chancen vieler einzelner Instrumente und Maßnahmen noch kreativer im Blick zu haben.
Führungskräfte: Nachfolge will geplant sein
Susanne Pauser, Personalleiterin der Huk-Coburg-Versicherung, mahnte die Managementverantwortung für strategische Personalarbeit an (siehe auch neue caritas Heft 9/2009, S. 12 f.). Neben den gemeinsamen Herausforderungen aller Arbeitgeber müssten Fragen des Umgangs von Caritas und Kirche mit Krisen und Kritik sowie die Wirkung der Grundordnung als starke Einschränkung bei der Personalakquise, insbesondere bei Führungskräften, ernst genommen werden. Sie sah in der realen täglichen Führungspraxis die entscheidende Größe zur Mitarbeiterbindung und für bessere Aussichten bei Nachbesetzungen. Ohne mittelfristige Nachfolgeplanung werde es allerdings auch für caritative Träger künftig schwer, ihre wachsenden Personalbedarfe angemessen zu befriedigen.
Aus dem Deutschen Caritasverband thematisierte Thomas Becker, Abteilungsleiter Sozialpolitik und Publizistik, Folgerungen aus dem Markenprojekt der Orts-Caritasverbände Krefeld und Stuttgart. Elisabeth Fix, Referentin für Rehabilitaton, Alten- und Gesundheitspolitik im DCV, stellte den aktuellen Stand zur gesetzlichen Neuausrichtung der Pflegeversicherung vor.
Fachgruppen diskutierten auch außerhalb der Plenen aktuelle AVR-Entwicklungen, sozialraumpastorale Projekte und personalstrategische Initiativen für die Caritasverbände. Sie trugen wesentlich dazu bei, Erfahrungen über Diözesan- und Bundesländergrenzen hinweg nutzbar zu machen. Zugleich erlaubte die Unterschiedlichkeit der Konferenzteilnehmer(innen) eine Erweiterung der Perspektive. Künftig hilft diese breitere Sicht vielleicht dabei, gemeinsame Interessen klarer im Blick zu haben und zugleich bei politischen Initiativen und Positionierungen nachteilige Auswirkungen für einzelne Verbände zu vermeiden.
Am Ende der Konferenz war für alle klar: Städtische und ländliche Verbände wollen auch künftig das Jahr über enger zusammenarbeiten. Mit der in Berlin verabschiedeten Geschäftsordnung wurde dies ebenso wie die künftige gemeinsame jährliche Tagung fest vereinbart. Mit der neuen Bundeskonferenz verfügt die deutsche Caritas nun über eine weitere Kommunikations- und Meinungsbildungsplattform, die eine erfolgreiche Entwicklung der örtlichen Caritas und ihre politische Wirksamkeit unterstützen kann.
Für das Jahr 2013 gilt die Verabredung, erneut in der Woche vor Pfingsten in Berlin zu tagen - dann vielleicht mit einer noch größeren Teilnehmerzahl.