Risikomanagement ist und bleibt ein Thema in der Caritas
Gemeinnützige Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens sehen sich zunehmenden wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt. Die Wettbewerbssituation hat sich durch die Vielzahl neuer privater Anbieter und unsichere Refinanzierung immens verschärft. Erhebliche wirtschaftliche Schieflagen einzelner Einrichtungen können die Folge sein. Mit der Arbeitshilfe 182 hat die Deutsche Bischofskonferenz bereits im Jahr 2004 auf diese Entwicklung reagiert, indem sie allen Caritasverbänden die Einführung eines Frühwarn- und Risikomanagementsystems nahegelegt hat. Heute, sechs Jahre später, stellt sich die Frage, inwiefern die einzelnen Caritasverbände ein solches Frühwarn- und Risikomanagementsystem eingeführt haben, um in der Lage zu sein, wirtschaftliche Schieflagen rechtzeitig zu erkennen.
Im Frühjahr 2010 führte der Lehrstuhl für Organisation, Personal und Innovation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster eine empirische Studie unter dem Titel "Risikomanagement bei deutschen Caritasverbänden" durch. Ziel dieser Studie war es, einen aktuellen und unabhängigen Einblick in die Risikomanagement-Aktivitäten deutscher Caritasverbände zu gewinnen. Konkreter Untersuchungsgegenstand war die "Reife" der in den einzelnen Verbänden eingeführten Systeme. Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, wurde ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, den Reifegrad des Risikomanagements nach dem weltweit anerkannten Risikomanagement-Standard der ISO 31000 in den einzelnen Caritasverbände zu ermitteln. 85 Verbände haben sich an der Studie beteiligt.
Verbände sind sensibilisiert
Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Notwendigkeit und Bedeutung von Risikomanagement auch von den Verbänden gesehen wird. Knapp drei Viertel (73 Prozent) der teilnehmenden Verbände schätzt die Bedeutung von Risikomanagement für die Zukunft ihres Verbandes als sehr hoch oder hoch ein. Mit acht Prozent schätzt lediglich eine Minderheit die Bedeutung als sehr gering oder gering ein. Hier wird deutlich, dass den Verantwortlichen in den Caritasverbänden die hohe Bedeutung und der Nutzen eines Risikomanagements bewusst sind.
Die zahlreichen Seminare, Workshops und Fortbildungen in den Caritasverbänden sowie die Arbeitshilfen zum Risikomanagement scheinen also Früchte zu tragen. Die Verbände wurden hinsichtlich dieses Themas sensibilisiert. Die notwendige Bedingung zur Einrichtung eines Risikomanagements scheint somit erfüllt.
Die hinreichende Bedingung in Form eines professionellen Risikomanagements lässt sich mit Hilfe des Risikomanagement-Reifegrads überprüfen. Im Mittel besitzt der Reifegrad des Risikomanagements aller Caritasverbände in Deutschland - auf einer Skala von 0 bis 100 - den Wert von 45,95. Der Reifegrad kann somit insgesamt als durchschnittlich charakterisiert werden. Die Vorgaben der Deutschen Bischofskonferenz wurden folglich noch nicht flächendeckend umgesetzt.
Risikomanagement muss ausgebaut werden
Dieser Befund verwundert etwas, da die hohe Bedeutung des Risikomanagements weitestgehend von allen Verbänden erkannt wird. Es fällt auch auf, dass einige Verbände noch überhaupt kein Risikomanagement betreiben oder nur einen sehr geringen Reifegrad aufweisen (0 bis 20), während andere dieses schon fest in ihrer Organisation verankert haben. Einzelne Caritasverbände weisen einen überaus hohen Reifegrad auf (70 bis 100) und verfügen somit über ein adäquates Risikomanagement. Insgesamt kann knapp einem Fünftel aller Verbände ein professionelles Risikomanagement attestiert werden.
Das Datenmaterial der Studie erlaubt jedem Verband eine Standortbestimmung des eigenen Risikomanagements. Ein solches Benchmarking ermöglicht es, spezifische Stärken und Schwächen des eigenen Risikomanagements im Vergleich zu den übrigen Studienteilnehmern und den "Top-Performern" zu ermitteln und etwaige Handlungsbedarfe festzumachen.
Die Studie kann über www.bsls-partner.de/Forschung bezogen werden.