Kinder sind nach wie vor ein Armutsrisiko
Immer wieder hört man den Satz: „Kinder zu bekommen, ist heutzutage ein Risiko.“ Oder: „Kinder muss man sich erst mal leisten können.“ Allgemeine Statistiken zeigen, dass es hauptsächlich Alleinerziehende und (obwohl weniger stark betroffen) Familien mit mehreren Kindern sind, die finanzielle Probleme haben. Spiegelt sich das in den Zahlen der Caritas wider? Mit welchen Problemen kommen die Menschen in die Beratung? Eine Auswertung der Klient(inn)endaten der Allgemeinen Sozialberatung (ASB) der Caritas gibt Auskunft.
Die Allgemeine Sozialberatung nutzen überproportional viele Menschen mit Kindern: 56 Prozent der Klient(inn)en geben an, in Haushalten mit Kindern zu leben. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, so machen die Haushalte mit Kindern nur knapp 30 Prozent aus. 14,5 Prozent der Klient(inn)en der ASB, also rund jede(r) siebte, hat drei und mehr Kinder. Das sind verglichen mit der Gesamtbevölkerung (3,4 Prozent) über viermal so viele. Das zeigt: je höher die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Beratung in Anspruch zu nehmen (vgl. Abb. 1 unten).
Umgang mit Behörden häufig als Problem genannt
Nach Einschätzung der Caritas ergibt sich der erhöhte Beratungsbedarf gegenüber Menschen aus Haushalten ohne Kinder entweder aufgrund finanzieller Schwierigkeiten (Einkommen zu gering für Versorgung der ganzen Familie) oder aufgrund erhöhter Anforderungen an die Lebensorganisation (zum Beispiel Kinderbetreuung).
Betrachtet man die Problemlagen, mit denen die Klient(inn)en in die Allgemeine Sozialberatung kommen, stellt man fest, dass diese zum Großteil in den Bereichen „Umgang mit Behörden“ (30,4 Prozent), „Sozialrechtliche Probleme“ (25,7 Prozent), „finanzielle Schwierigkeiten“ (30,3 Prozent) und/oder „Schulden“ (22 Prozent) liegen. 20,6 Prozent der Klient(inn)en berichten von „Partner-/Erziehungs- oder familiären Problemen“, 16,7 Prozent von „psychischen Problemen“, 16 Prozent geben „Krankheit“ und 15 Prozent „Probleme im Bereich Wohnen“ an. Oft kommen die Klient(inn)en mit mehreren dieser Probleme in die Beratung.
Die finanzielle Situation der ASB-Klient(inn)en mit Kindern hängt stark von der Familienkonstellation ab, in der sie leben. Paare mit einem oder zwei Kindern beziehen zwar mehrheitlich Arbeitslosengeld II (über 44,1 Prozent), trotzdem verfügen aber 42,5 Prozent der Paare mit einem oder zwei Kindern auch über Erwerbseinkommen. Bei Paaren mit drei und mehr Kindern leben rund 52 Prozent von Arbeitslosengeld II und nur 39 Prozent verfügen über ein Erwerbseinkommen. Extrem ist die Situation der Alleinerziehenden. Hier beziehen 73,6 Prozent Arbeitslosengeld II und nur 21 Prozent verfügen über Erwerbseinkommen – wobei auch im Bundesdurchschnitt Alleinerziehende deutlich häufiger von Arbeitslosengeld II leben als andere Bevölke- rungsgruppen. 25,5 Prozent der Alleinerziehenden haben keinen beruflichen Ausbildungsabschluss, im Vergleich zu 19,6 Prozent in der Gesamtbevölkerung (vgl. Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, 2009). Dass sie nicht auf dem Arbeitsmarkt ankommen, liegt dabei häufig nicht an den persönlichen Voraussetzungen, sondern an fehlender oder unzureichender Kinderbetreuung und/oder der mangelnden Bereitschaft von Arbeitgebern, Alleinerziehende einzustellen. Diese Probleme treffen Paare mit Kindern weitaus weniger.
Bei Klient(inn)en mit Kindern fällt auf, dass Alleinerziehende und Paare mit drei und mehr Kindern überdurchschnittlich häufig von finanziellen Schwierigkeiten berichten (38,7 Prozent beziehungsweise 39,2 Prozent), wohingegen Paare mit einem oder zwei Kindern nur zu 4,7 Prozent mit dieser Problemlage konfrontiert zu sein scheinen. Obwohl Paare mit einem oder zwei Kindern in der Erhebung der ASB nur unwesentlich seltener als der Durchschnitt Schuldenprobleme haben (19,5 Prozent versus 22 Prozent), scheinen sie besser mit ihrem verfügbaren Einkommen leben zu können als Mehrkindfamilien (drei und mehr Kinder) und Alleinerziehende. Dafür berichten sie überdurchschnittlich häufig von Problemen im Bereich Wohnen (24,8 Prozent versus 15 Prozent im Durchschnitt) (vgl. Abb. 2 unten).
Psychische Probleme bei Paaren mit Kindern seltener
Unterschiede bestehen auch im Bereich der Partner-, Erziehungs- und familiären Probleme. Diese sind bei Alleinerziehenden (29,4 Prozent) und Familien mit einem oder zwei Kindern (25,6 Prozent) deutlicher ausgeprägt als bei den Mehrkindfamilien (20,8 Prozent). In dieses Bild passt, dass Paare mit Kindern viel seltener als der Durchschnitt mit psychischen Problemen in die Beratung kommen (8,1 Prozent beziehungsweise 9,9 Prozent im Vergleich zu durchschnittlich 16,7 Prozent). Bei Alleinerziehenden treten sie auch unterdurchschnittlich aber häufiger als bei Paaren mit Kindern auf (15,6 Prozent).
Sind Kinder also ein Risiko? Menschen mit Kindern haben offensichtlich einen erhöhten Beratungsbedarf. Alleinerziehend zu sein oder mehr als zwei Kinder zu haben, steigert nochmals die Wahrscheinlichkeit, dass Hilfe und Beratung nötig sind. Beide Gruppen befinden sich in einer schlechteren finanziellen Situation und haben häufig Probleme. Ob diese aufgrund der schlechteren finanziellen Situation bestehen, kann mit den vorliegenden Zahlen nicht abschließend beantwortet werden. Aus der Beratungspraxis ergeben sich Hinweise, dass dem so ist. Darüber hinaus ist jede Familienform anfällig für spezifische Probleme, die über finanzielle Schwierigkeiten hinausgehen.
Wichtig ist also: Menschen mit Kindern brauchen mehr Unterstützung und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, trotz und gerade wegen ihrer Kinder am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Dabei geht es zum Beispiel um eine adäquate Kinderbetreuung, die sich an den Bedürfnissen der Eltern orientiert. Von der Teilhabe am Arbeitsleben sind insbesondere Alleinerziehende ausgegrenzt. Beispielsweise können Kinder bei Krankheit wegen fehlender Alternativen nur von einem Elternteil betreut werden. Mehrkindfamilien und insbesondere Alleinerziehende müssen verstärkt in das Blickfeld der Politik aber auch der Arbeit der Caritas gerückt werden.