Arbeitnehmerfreizügigkeit 2011 - welche Regeln gelten?
Ohne die bisherigen Einschränkungen können ab Mai 2011 Arbeitnehmer(innen) aus Polen, Slowenien, der Slowakei, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen und Ungarn zu den gleichen Bedingungen in Deutschland arbeiten wie deutsche Arbeitnehmer. Seit ihrem EU-Beitritt im Mai 2004 galt für diese Länder eine siebenjährige Übergangsfrist.
Seit dem 1. Mai 2011 ist es jedem EU-Bürger - mit Ausnahme der Bürger(innen) Rumäniens und Bulgariens wegen des Beitritts dieser Länder erst 2007 - möglich, in Deutschland zu arbeiten. Für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist keine Arbeitserlaubnis mehr notwendig.
Zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen ist ab dem 1. Mai 2011 die Entsendung von Arbeitnehmer(inne)n in alle Branchen möglich. Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird auf in- und ausländische Unternehmen gleichermaßen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz angewandt.
Für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland abgeschlossen haben, gelten gemäß dem Arbeitsortsprinzip das deutsche Arbeitsrecht und Sozialversicherungssystem. Dies gilt auch für Grenzgänger (Beschäftigte, die in einem Land arbeiten und in einem anderen Land wohnen).
Arbeitnehmer(innen) hingegen, die nur für bestimmte Zeit zum Erbringen einer Dienstleistung von ihrem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt werden, fallen unter das Arbeitsrecht ihres Herkunftslandes - zugleich sind aber Mindestarbeitsbedingungen aufgrund deutscher Rechts- oder Verwaltungsvorschriften (wie Mindestentgelt, Mindesturlaub, Höchstarbeitszeit) zwingend einzuhalten. Dazu kommen in bestimmten Branchen tarifvertragliche Regelungen, insbesondere zu Mindestlöhnen.
Leiharbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgelts, wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers (Gleichstellungsgrundsatz). Davon kann durch die Anwendung eines einschlägigen Tarifvertrages abgewichen werden.
Die grenzüberschreitende Leiharbeit ist bereits seit 1. Mai 2004 grundsätzlich zulässig (mit Ausnahmen im Bereich der Baubranche). Sie war bislang jedoch dadurch eingeschränkt, dass für ausländische Unternehmen zusätzlich zu den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nur Leiharbeitnehmer(innen) grenzüberschreitend eingesetzt werden konnten, die die Staatsangehörigkeit eines "alten" EU-Mitgliedstaates oder bereits eine Arbeitsgenehmigung für Deutschland besaßen.
Wesentlich erleichtert: Leiharbeit und Entsendung
Seit dem 1. Mai 2011 gelten die arbeitsgenehmigungsrechtlichen Einschränkungen bezüglich der Leiharbeit nicht mehr, da keine Arbeitsgenehmigung mehr notwendig ist. Es gilt allein das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Die Entsendung von Arbeitnehmer(inne)n war im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit bereits grundsätzlich zulässig. Zum 1. Mai dieses Jahres wurden noch bestehende branchenbezogene Einschränkungen aufgehoben.
Im Rahmen des Arbeitnehmerentsendegesetzes wurden für verschiedene Branchen Mindestarbeitsbedingungen festgelegt. Die Grundlage dafür bilden in der Regel die tariflichen Vereinbarungen der jeweiligen Branchen. Soweit Branchen über Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz verfügen, müssen sich ausländische Dienstleistungserbringer an diese Arbeitsortsregelungen halten. Diese Mindeststandards legen fest, unter welchen Bedingungen im Ausland ansässige Arbeitgeber ihre Angestellten in Deutschland beschäftigen dürfen.
Mindestarbeitsbedingungen in der Pflege
Die Beschäftigten im Pflegesektor erhalten seit 1. August 2010 einen gesetzlichen Mindestlohn. In dieser Branche wurde allerdings ein Sonderweg beschritten: Um dem Nebeneinander von kirchlichen und nichtkirchlichen Pflegedienstanbietern mit je eigenen Regelwerken ihrer Arbeitsbedingungen Rechnung zu tragen, wurde im neu gefassten Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) für die Festsetzung von Mindestlöhnen in der Pflegebranche eine achtköpfige Kommission gebildet.
Als verbindliche Untergrenze gilt dort nun ein Stundenlohn von 8,50 Euro in den westdeutschen Bundesländern und Berlin sowie von 7,50 Euro in Ostdeutschland. Im Januar 2012 und im Juli 2013 werden die Sätze um jeweils 25 Cent angehoben. Die Regelung gilt bis Ende 2014.
Es fallen jedoch nicht alle Mitarbeiter(innen) unter die neue Regelung. Gemäß § 1 gilt die Verordnung für Pflegebetriebe. Dies sind Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Die Verordnung gilt nicht für Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen.
Keine Pflegebetriebe sind zudem Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser.
Die Mindestlohnverordnung gilt nur für Arbeitnehmer(innen), die überwiegend Grundpflegeleistungen erbringen. Dazu gehören etwa das Waschen der Klient(inn)en, Hilfe beim Anziehen oder Treppensteigen sowie die Zubereitung von Mahlzeiten und Assistenz bei der Nahrungsaufnahme (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 SGB XI). Ausgeschlossen bleiben hingegen reine Haushaltshilfen sowie Auszubildende und Praktikant(inn)en. Damit liegt der größte Anwendungsbereich der Mindestlohnverordnung im Bereich der stationären und ambulanten Altenhilfe.
Die Mindestlohnverordnung in der Pflege führt dazu, dass sich auch ausländische Pflegedienste an diese Arbeitsortsregelungen halten müssen. Selbstständige können ebenfalls im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit in jedem Mitgliedsland ihre Arbeit anbieten. Die Mindestarbeitsbedingungen gelten für Selbstständige nicht, da sie nur für Arbeitnehmer(innen) Anwendung finden. Allerdings darf keine bloße Scheinselbstständigkeit vorliegen, wie sie sehr häufig im Bereich von sogenannten "Rund-um-die-Uhr"-Betreuungen anzutreffen ist.