Ungewollt schwanger: eine schwierige Schicksalsgemeinschaft
Als Theologin zum § 218 Strafgesetzbuch (StGB) zu schreiben, bedeutet sich als solche zu einem juristischen Sachverhalt zu positionieren, also eine theologisch-ethische Einordnung eines Paragrafen vorzunehmen. So ergeben sich verschiedene W-Fragen: Was? Welche Bedeutung? Wie theologisch-ethisch einordnen? Was wäre, wenn …? Welches theologische Moment? Als Frau nicht sogleich das Recht auf Schwangerschaftsabbruch (vgl. europäische Vorstöße) zu proklamieren, irritiert zumindest.
Was ist der Inhalt dieses durch die Regierungskoalition zur Diskussion gestellten Paragrafen des Strafgesetzbuches? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass er einen Kompromiss darstellte, denn er versuchte das Recht auf Selbstbestimmung aufseiten der Frau mit dem Recht auf Leben des Ungeborenen in Verbindung zu bringen. Dies leistet die Regelung rund um den § 218 StGB, indem sie zum einen der Frau einen rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruch bei Beratung ermöglicht und zum anderen den Lebensschutz als Thema in die ergebnisoffene Pflichtberatung hineinnimmt. Das Leben gilt als eines der zentralen zu schützenden Güter im Strafrecht, unterstrichen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993.
Welche Bedeutung hat dieser Paragraf erlangt? Mit dem bestehenden Paragrafen, vor allem auch mit dem ihn flankierenden Schwangerschaftskonfliktgesetz wurde versucht, die Schwangerschaft als "Zweiheit in Einheit" (BVerfG) zu betrachten und keiner Vereindeutigung auf die eine wie die andere Seite zuzulassen. Genau diese Unauflöslichkeit dieser "Schicksalsgemeinschaft" im Konfliktfall gilt es ernst zu nehmen, auch im theologischen Einsatz für den Lebensschutz der Frau wie des ungeborenen Kindes. So kann man immer wieder auch in bischöflichen Stellungnahmen lesen, dass das Leben des Kindes nur mit der Frau geschützt werden kann. Zugleich ist es aber auch nicht wegzuschieben, dass der Schwangerschaftsabbruch den Tod des ungeborenen menschlichen Lebens bedeutet. Damit wurde versucht, diese Spannung auszudrücken, die im Gesamtkomplex um den § 218 StGB besteht.
Welche Perspektive nimmt der § 218 ein?
Was lässt sich theologisch-ethisch zu diesem Paragrafen sagen? Durch die Verankerung im Strafrecht mit ihrer symbolischen generalpräventiven Wirkung wie auch der Fokussierung auf Gerechtigkeit und dem Mittel der Pflichtberatung wurde der Ernsthaftigkeit des Themas Ausdruck verliehen. Negativ hervorzuheben ist, dass zwar im Zuge der Gesetzesreform Anfang der 1990er-Jahre die embryopathische Indikation (Indikation aufgrund von zu erwartender Behinderung oder Krankheit des Kindes) aus verschiedenen Gründen (zum Beispiel Diskriminierung von Leben mit Behinderung) abgeschafft wurde, jedoch diese Abschaffung durch die medizinische Indikation und dem damit einhergehenden Kriterium der Belastung der psychischen und physischen Gesundheit der Frauen de facto nicht wirkungsvoll war. Gerne könnte im § 218 selbst der Lebensschutz erwähnt werden. Es ist sehr die Perspektive des Gesetzgebers auf die Frau, die den § 218 prägt.
Nichteinhaltung des Verfahrens wird sanktioniert
Verschiedene Narrative ranken sich um den § 218. Das erste besteht darin, dass der Paragraf die Frauen im Schwangerschaftskonflikt und dann im Schwangerschaftsabbruch kriminalisiere. Im Rechtstext steht dezidiert die Kriminalisierung des Abbruchs und derjenigen, die ihn unerlaubterweise vornehmen. Blickt man auf die Rechtspraxis seit der Einführung des Paragrafen zurück, so kann man feststellen, dass nach § 218 Abs. 3 StGB eine einzige schwangere Frau bestraft wurde. Vielmehr Nichteinhaltungen des Verfahrens werden sanktioniert. Schwangerschaftsabbrüche gegen den Willen der Frau oder die Nichteinhaltung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens etc. waren, laut dem Strafrechtler Michael Kubiciel, Gegenstand von Strafverfahren.
Das zweite Narrativ bezieht sich auf die Diskriminierung der schwangeren Frau durch die Pflichtberatung. "Vor einem Schwangerschaftsabbruch müssen sich ungewollt schwangere Personen einer diskriminierenden und entmündigenden Pflichtberatung unterziehen" (Deutscher Juristinnenbund zur neuerlichen Befassung mit dem § 218). Hier stellt sich die Rückfrage, worin die Diskriminierung und die Entmündigung liegen. Die Pflichtberatung stellte damals eine Strategie dar, den verfassungsmäßig verbrieften Lebensschutz zu gewährleisten. Man mag zurückhaltend zu diesen Lösungen durch Beratungen stehen, jedoch ist die Beratung der Ort, an dem unterschiedliche Optionen für die Zukunft zu Wort kommen und eine tragfähige Entscheidung getroffen werden soll. Eine Ablösung der Pflichtberatung würde dem verfassungsgemäß verbrieften Lebensschutz die letzte Option nehmen. Die Pflichtberatung ist hier das kleinere Übel, wenn dadurch auch Schwangere mit Migrationshintergrund, mit finanziellen Problemen, in schwierigen Beziehungskonstellationen etc. erreicht werden: für den Lebensschutz und für die zu Beratenden.
Was ist eine mögliche Antwort auf diese Narrative? Was zeichnet einen seriösen Lebensschutz aus? Versachlichung statt Emotionalisierung, Empathie statt Aburteilung, die Frage des ungeborenen Lebens thematisieren statt alleinige Selbstbestimmungsrhetorik und umgekehrt, Achtsamkeit gegenüber Betroffenen. Wichtig wäre zu überlegen, welche Mittel in der Frage der Lebensbewahrung verhältnismäßig sind. Die Gehsteigbelästigung wie auch Mahnwachen erscheinen jedenfalls kaum als ein verhältnismäßiges Mittel und bedeuten eine Missachtung der autonom getroffenen Entscheidung.
Spielt man in Gedanken die gänzliche Abschaffung des § 218 durch, so könnte auch die Pflichtberatung fallen. Aber wie steht es um die Selbstbestimmung der Frau, wenn sie sich nun möglicherweise gegenüber dem Vater (Erzeuger) des Kindes durchsetzen muss, der sich beispielsweise den finanziellen Unterhaltspflichten entziehen möchte? Durch die Pflichtberatung und die strafrechtliche Befassung des Lebensschutzes kann umgekehrt das Recht auf gesellschaftliche Unterstützung und die Autonomie der Frau ebenso als gestärkt angesehen werden.
Das theologische Momentum
Wie einfach wäre es, sich auf die Seite des Kindes zu schlagen und von einem absoluten Lebensschutz zu schreiben. Bereits in der Bibel (zum Beispiel Psalm 139,19) steht geschrieben: "Schon im Mutterleib hast du mich gebildet." Die Gott-Kind-Beziehung besteht also von Anfang an. In dieser Einheit mit Gott ist aber auch genauso die Frau als sprichwörtliche Trägerin dieser Schwangerschaft aufgehoben. Die fast schon in die christlichen Gene eingeschriebene Metapher vom Geschenk des Lebens spielt in der religiösen Argumentation häufig eine große Rolle. Oft wird diese in Verbindung zur Heiligkeit des Lebens gebracht. Aber lässt sich damit eine Gebärpflicht für die Mutter ableiten, zum Beispiel nach einer Vergewaltigung? Auch die Kirchengeschichte war nicht immer so eindeutig gegen Abtreibung, wie oft zu lesen ist (zum Beispiel bei der vitalen Indikation, also wenn das Leben der Mutter und des Ungeborenen auf dem Spiel steht).
Die Vereindeutigung eines fundamentalen Konflikts, also die Auflösung auf nur einerseits die Seite des Kindes wie auch andererseits die Seite der Frau beziehungsweise der Eltern, ist ethisch hochproblematisch. Genau diese Spannungslage hat der § 218 StGB versucht einzufangen. Dies sei auch im internationalen und europäischen Vergleich und angesichts diverser Radikalisierungen als durchaus vorzugswürdige rechtliche Strategie deutlich festgehalten.
Was wird dem Lebensschutz wirklich gerecht?
Nicht den § 218 abzuschaffen, sondern zu verbessern, sollte das Ziel sein. Nach dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollte der Schutz des ungeborenen Lebens mit demjenigen vor ökonomischen oder auch sozialen Risiken bei der Schwangeren verbunden werden. Wie kann die gesellschaftliche Verantwortung für die Schwangeren wie auch der ungeborenen Kinder noch besser übernommen werden? Stichwort: bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Und zum Schluss sei noch die Rückfrage an die kirchlichen Verantwortungsträger gestellt: Wurde mit dem Ausstieg aus dem staatlichen Beratungssystem dem Leben wirklich ein Dienst erwiesen? Empirische Zahlen gibt es nur insofern, als die wirklichen Konfliktberatungen in kirchlichen Stellen zurückgegangen sind, da kein Beratungsschein ausgestellt wird. Ob damit das Ziel eines besseren Lebensschutzes erreicht wird oder eher, sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen, sei an dieser Stelle als Gewissensfrage vermerkt.