Die Verbandsstruktur auf dem Prüfstand
Nach intensiver Vorbereitung in einer Satzungskommission hat die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes (DCV) im vergangenen Jahr eine neue Satzung verabschiedet. Im Zentrum dieser Satzungsänderung standen dabei im Wesentlichen die Organe des Verbandes:
◆ die Rolle der Präsidentin:des Präsidenten und des Vorstandes,
◆ die Stärkung des Caritasrates in seiner doppelten Funktion als Aufsichtsorgan und "Verbandsrat" und
◆ die Erweiterung der Zusammensetzung der Delegiertenversammlung.
Daneben erfolgten kleinere Anpassungen an veränderte gesetzliche oder kirchliche Regelungen. Diese Satzungsänderung bedarf nun der Zustimmung der Deutschen Bischofskonferenz und wird nach Eintragung ins Vereinsregister wirksam werden.
Bei der gründlichen Durchsicht der Satzung sind der Satzungskommission weitere Fragestellungen aufgefallen, die im Rahmen des Zeitplans für die jetzt beschlossene Satzungsänderung nicht angemessen diskutiert und beantwortet werden konnten. Dabei ging es im Wesentlichen um drei große Bereiche:
◆ Die Auflistung der Mitglieder in § 7 der Satzung (alte Fassung): Hier wurde zum Beispiel die Frage nach einheitlichen Mitgliedschaftskriterien gestellt. Daneben wurde das System der "durchgängigen" Mitgliedschaft von Orts- bis zur Bundesebene hinterfragt, mit Blick auf überdiözesane Träger gab es Unklarheiten, wo jeweils eine Mitgliedschaft erworben wird oder werden muss. Besonders betont wurde die Frage nach dem Stellenwert des Ehrenamtes bei der Mitgliedschaft. Dabei war klar, dass alle diese Mitgliedschaftsfragen möglicherweise Auswirkungen auf die Repräsentanz in der Delegiertenversammlung haben.
◆ Die Aufgaben des DCV in § 6 der Satzung (alte Fassung): Es wurde bemängelt, dass die Auflistung in der Satzung nicht klar trennt zwischen den Aufgaben der gesamten verbandlichen Caritas in Deutschland und den konkreten Aufgaben, die der Deutsche Caritasverband mit seinen Geschäftsstellen wahrnehmen muss. Aus dieser Unklarheit, so die These, folgt eine unklare Erwartungshaltung an den Vorstand und die Mitarbeitenden des DCV.
◆ Die Prozesse in den verbandlichen Strukturen: Angesprochen wurden dabei zum Beispiel Fragen der Verbindlichkeit von inhaltlichen Beschlüssen der Organe des DCV für die Mitglieder oder auch das Miteinander innerhalb der verbandlichen Caritas, beispielsweise zwischen dem DCV und seinen Mitgliedern, etwa den Diözesanverbänden oder Fachverbänden. Auch wurden notwendige fest verankerte Konfliktlösungswege angemahnt.
Auch die Verbandsordnung des DCV überprüfen
In den Beratungen zu diesen Fragen wurde deutlich, dass die Mehrzahl der Problemstellungen nicht alleine die Satzung betreffen, sondern ebenso die Verbandsordnung des DCV, die seinerzeit nach der großen Satzungsreform aus dem Jahre 2003 von den Delegiertenversammlungen 2006 und 2007 erlassen wurde. Daher hat die Satzungskommission aus ihrer Arbeit heraus dem Caritasrat die Einrichtung einer "Kommission zur Verständigung über Verbandsstrukturen und Neuformulierung der Verbandsordnung (Verbandsordnungskommission)" vorgeschlagen.
In seiner Sitzung im Juli 2023 ist der Caritasrat dieser Empfehlung gefolgt und hat eine Verbandsordnungskommission eingesetzt. Diese soll die oben genannten Fragebereiche bearbeiten und dabei sowohl auf die Ergebnisse des Projektes "Verbandlich handeln. Neujustierung der Zusammenarbeit zwischen Bundesverband, Gliederungen und Mitgliedern" als auch auf die Beratungen der Satzungskommission aufbauen. Der Kommission gehören stimmberechtigt Vertreter:innen der Diözesan-Caritasverbände, der Orts-Caritasverbände, der Einrichtungs- und Personalfachverbände und der Orden sowie die Mitglieder des Vorstandes des DCV an; beratend nehmen Expert:innen zu verschiedenen Themenfeldern wie beispielsweise Ehrenamt, youngcaritas, große überdiözesan tätige Träger, Ökumene, Kirchenrecht, digitale Transformation, internationale Caritasarbeit oder auch die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an den Sitzungen teil. Geleitet wird die Kommission von Heinz-Josef Kessmann (ehemaliger Direktor des Diözesan-Caritasverbandes Münster und Vizepräsident des DCV) und Hans-Georg Liegener (ehemaliger Sprecher des Vorstandes des Caritasverbandes für die Region Krefeld und Sprecher der Konferenz der Orts- und regionalen Caritasverbände).
Wer soll in der Delegiertenversammlung sitzen?
In seinem Beschluss über die Einrichtung hat der Caritasrat der Verbandsordnungskommission neben den oben genannten drei Themenbereichen zusätzlich den Auftrag gegeben, die im Rahmen der Satzungsänderung vorgenommenen Veränderungen in der Zusammensetzung der Delegiertenversammlung zu überprüfen. Dieser Aufgabenkatalog wurde durch die Delegiertenversammlung im Herbst 2023 noch einmal auf Antrag der Caritas-Konferenzen Deutschlands (CKD) um das Thema des Zusammenwirkens von Ehrenamt und Hauptamt in der Wohlfahrtspflege ergänzt.
Die Verbandsordnungskommission hat sich im September 2023 konstituiert, zwischenzeitlich haben schon zwei Klausurtagungen der Kommission und etliche Sitzungen von Arbeitsgruppen zu gezielten Fragestellungen stattgefunden. Aktuell geht es dabei vor allem darum, zu den drei genannten Fragestellungen einen möglichst umfassenden Problemüberblick zu bekommen und darauf aufbauend erste Lösungsvorschläge zu entwickeln. Dabei ist zu prüfen, inwieweit die bestehende Verbandsordnung weiterzuentwickeln oder in anderen Fällen auch eine erneute Änderung der Satzung in den Blick zu nehmen ist. Als herausfordernd zeigt sich dabei schon zu Beginn, dass die verbandliche Realität in der Caritas in den einzelnen Regionen und Diözesen stark voneinander abweicht und ein einheitliches, durchgängiges Satzungsrecht aufgrund der diözesanen Verfasstheit der Caritas nicht existiert.
Überarbeitete Verbandsordnung nächstes Jahr vorstellen
Der weitere Prozess der Verbandsordnungskommission sieht vor, bis zum Sommer 2024 Vorschläge für mögliche Lösungswege zu den drei Fragekomplexen zu erarbeiten. Diese sollen bei einem Studientag für die Mitglieder der Delegiertenversammlung im September vorgestellt und beraten werden. Auf der Delegiertenversammlung 2024 können diese Vorschläge so weit konsentiert werden, dass die Verbandsordnungskommission bis zur Delegiertenversammlung 2025 konkrete Überarbeitungen der Verbandsordnung erstellen kann. Ebenso kann in diesem Jahr entschieden werden, inwieweit eine erneute Satzungskommission eine weitergehende Überarbeitung der Satzung vorbereiten muss. Neben diesem Einbezug der verbandlichen Organe und Gremien ist es der Verbandsordnungskommission wichtig, an möglichst vielen Stellen eine breite verbandliche Mitwirkung sicherzustellen. Neben dem genannten Studientag wird es auch regelmäßige Informationen über Zwischenstände der Arbeit in der neuen caritas und in weiteren Formaten geben.