Europa ermöglicht Engagement
Engagement in Deutschland erhält von unterschiedlichen staatlichen Ebenen eine Förderung, eine davon ist die durch die Europäische Union. Es bestehen Programme, die Engagierte als unmittelbar Teilnehmende fördern, und solche, bei denen die hauptamtlich Mitarbeitenden im Vordergrund stehen, wenn sie Strukturen für ein Engagement organisieren oder selbst qualifiziert werden. Zudem tragen Programme zur gesellschaftlichen und demokratischen Weiterentwicklung bei.
Hier werden jetzt Programme erwähnt, bei denen eine Antragstellung bis 2027 für die Caritas möglich ist. All diese Programme haben mindestens eine Antragsfrist pro Jahr, einige Programme können mehrfach im Jahr oder fortlaufend beantragt werden. Die Europäische Union unterstützt dabei rechtsfähige Träger mit bürgerschaftlich Engagierten. Das sind Freiwillige, Ehrenamtliche, Selbsthilfegruppen, -verbände und -kontaktstellen. Dies können Engagierte mit einer direkten Anbindung an eine beruflich tätige Person bis hin zu selbstorganisiert handelnden Gruppen oder Teams sein.2
Bei der Finanzierung gelten entweder programmspezifische Kofinanzierungssätze3 bezogen auf die Personal- und Sachkosten oder es werden für verschiedene Bereiche Pauschalen gewährt, jedoch ohne eine Pauschale für Personalkosten. Außerdem werden weitere Phasen der Projektarbeit vor und nach der unmittelbaren Projektdurchführung nicht unterstützt.4 Bei dieser Finanzierung müssen alle Träger für sich klären, ob sie aus eigenen Mitteln Geld oder Personaleinsatz zur Verfügung stellen wollen.
Da nach den Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni die Diskussion um die Programmplanung ab 2028 startet, sollte die örtliche Caritas den Kandidat:innen die Erfahrungen mit den aktuellen Programmen mit und ohne Beteiligung von Engagierten bekanntmachen. Damit können sie sich für bessere Kofinanzierungssätze, weniger aufwendige Antragsverfahren oder geringere Kontrollauflagen einsetzen.5
Anträge sind wie jeder andere Projektantrag fristgerecht zu stellen. Dazu gehören klare Ziele, die Berücksichtigung der inhaltlichen Vorgaben der Mittelgeber, ein Arbeits- und ein Finanzplan. Anträge in europäischen Programmen müssen eine europäische Perspektive beziehungsweise einen Mehrwert besitzen. Daher sind die spezifischen Ziele der Europäischen Union und des jeweiligen Programms zu beachten, bis hin zur Frage, welche und wie viele europäische Partner zu beteiligen sind. So ist ein Antrag, der bei einer deutschen Stelle nicht erfolgreich war, ganz neu zu konzipieren.
Integration fördern
Der "Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds" (AMIF) ermöglicht die Mitwirkung von Engagierten für Integrationsmaßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Inklusion von Drittstaatsangehörigen sowie den Austausch mit der Aufnahmegesellschaft. Maßnahmen sind im AMIF-Förderaufruf unter 4.5.4 aufgeführt und werden zu 90 Prozent kofinanziert. Bei den Personalausgaben werden für Engagierte die bundesdeutschen Regelungen für Aufwandsentschädigungen angewandt.
Das Programm "Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte" (CERV) will die bürgerschaftliche und demokratische Teilhabe fördern sowie zur Gestaltung gleichberechtigter und inklusiver Gesellschaften beitragen. Im Bereich "Werte der Union" sollen in Zusammenarbeit mit Partnern in mehreren anderen Ländern diese gefördert werden. Zum Bereich "Gleichstellung" gehören nationale und transnationale Projekte, um Ungleichheit und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung abzubauen. Im Bereich "Daphne" sind transnationale Projekte zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder möglich. Im Bereich "Bürgerbeteiligung und Teilhabe" werden durch Bürgerbegegnungen bestehende Städtepartnerschaften fortgeführt oder neue thematische Netzwerke zwischen mehreren Orten aufgebaut. Zu jährlich wechselnden Themen können nationale Projekte zum Geschichtsbewusstsein durchgeführt werden. Kosten für Engagierte werden jeweils mit stundenbezogenen und länderspezifischen Sätzen angerechnet. Der Kofinanzierungssatz beträgt 90 Prozent.
Freiwillige als direkt Teilnehmende
"Erasmus+" ermöglicht Reisen zu Projekten mit Engagierten und hauptamtlich Mitarbeitenden sowie Abschnitte einer Weiterbildung im Ausland. Begegnungen unter Jugendlichen (bis 30 Jahre) oder der Austausch zwischen Jugendarbeiter:innen sind möglich. Inhaltliche Prioritäten sind Inklusion und Vielfalt, digitaler Wandel, Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels sowie die Teilhabe am demokratischen Leben, gemeinsame Werte und bürgerschaftliches Engagement. Es sieht einzelne Kostenpauschalen vor für die Vor- und Nachbereitung, die Reise sowie Unterkunft und Verpflegung je nach Anzahl der Teilnehmenden und dem Land des Aufenthalts. Nehmen Menschen mit geringeren Chancen teil, werden die zusätzlichen Kosten finanziert. In Zusammenarbeit zwischen Organisationen in mehreren Ländern können Konzepte durch Treffen im Ausland gemeinsam entwickelt und erprobt werden. Für solche Projekte wird zusätzlich eine monatliche Organisationspauschale gezahlt.
Mit dem "Europäischen Solidaritätskorps" (ESK) können Jugendliche bis 30 Jahren aus dem europäischen Ausland einzeln oder als Team für eine Dauer bis zu einem Jahr aufgenommen werden. Ebenso kann die Einrichtung Entsendestelle von Jugendlichen sein. Dies schließt ausdrücklich junge Menschen mit geringen Chancen ein. Es geht um Aktivitäten, die auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren und damit die Demokratie, die europäische Identität und die aktive Bürgerschaft stärken. Die Finanzierung erfolgt über Pauschalen für die Organisation, die Reise, Unterkunft und Verpflegung abhängig von der Anzahl der Teilnehmenden, der Reisestrecke und der Tage.
"Interreg A" beinhaltet 13 Programme, die im grenznahen Bereich mit dem jeweiligen europäischen Nachbarland grenzüberschreitend zusammenarbeiten können. Dabei soll das gegenseitige Vertrauen zwischen den Bürger:innen gefördert werden, so dass Engagierte Teilnehmer:innen sind. Vom deutsch-dänischen bis zum bayerisch-tschechischen Programm sind die Schwerpunkte für ein bürgernahes Europa: jugendliche und lokale Akteure; grenzübergreifende Bürgerbegegnungen und die Verbesserung des Verständnisses füreinander; Austausch und Qualifizierung Ehrenamtlicher, von Vereinen und jungen Menschen. Im Finanzplan können unbezahlte Tätigkeiten Ehrenamtlicher als Sachleistungen mit einem bestimmten Stundensatz in die Kofinanzierung eingebracht werden. Die Kofinanzierungssätze liegen zwischen 50 und 80 Prozent, im Bürgerprojektefonds beträgt der Satz 90 Prozent.
Ländliche Gemeinden im Fokus
"LEADER" ist ein Programm im Rahmen der Weiterentwicklung ländlicher Räume. Die Fördergebiete sind mehrere ländliche Gemeinden, zumeist verteilt über mehrere Landkreise mit eigenen Rahmenprogrammen. Teilweise bestehen für die dörfliche Entwicklung eigene Richtlinien. Dabei werden Dorfentwicklungen und Basisdienstleistungen bis hin zu Jugendtreffs und Dorfläden oder - wie in Niedersachsen - die Qualifizierung zu Engagementlotsen und Dorfmoderator:innen gefördert. Die unentgeltlich erbrachten Arbeitsleistungen Ehrenamtlicher werden entweder mit einem Satz von 15 Euro/Stunde (Hessen) oder mit bis zu 60 Prozent des Betrages berücksichtigt, der sich bei der Vergabe der Leistungen an ein Unternehmen ergeben würde (Niedersachsen). Dies gilt für Investitionen bei Infrastruktureinrichtungen, lokalen Basisdienstleistungen oder Vorhaben der Daseinsvorsorge. Mehrfach im Jahr können Projekte bei den "Lokalen Aktionsgruppen" beantragt werden. Die Kofinanzierungssätze für Personal- und Sachkosten liegen zumeist bei 80 bis 90 Prozent, teilweise zwischen 45 und 65 Prozent.
"Rückenwind3" ist ein Programm zur Organisations- und Personalentwicklung sowie Organisationskultur. Soweit die Programmanforderungen erfüllt werden, kann ein Themenfeld die Weiterentwicklung des Engagements in einer Einrichtung oder einem Verband sein. Es werden Personal- und Sachkosten finanziert. Dabei wird die Arbeitszeit der teilnehmenden hauptamtlich Mitarbeitenden mit 33 Euro die Stunde einberechnet. Der Eigenanteil liegt bei zehn Prozent.
Wichtige Adressen
Informationen zu Programmen
AMIF: AMIF-Förderaufruf: Kurzlink: https://tinyurl.com/4522sajb; 4.5.4 S. 45-47. Ansprechpartnerin bei der Caritas ist Katharina Weiser, E-Mail: katharina.weiser@
caritas.de. Außerdem kann mit den fünf regionalen Bewilligungszentren Kontakt aufgenommen werden. Kurzlink: https://tinyurl.com/46543b53
CERV: Informationen mit Nennung der Mitarbeiter:innen: www.kontaktstelle-cerv.de
Erasmus+: Allgemeine Erwachsenenbildung und berufliche Bildung: www.na-bibb.de, Jugend: www.jugendfuereuropa.de; Ansprechpartner:innen sind bei den Maßnahmearten.
ESK: Informationen mit Ansprechpartner:innen nach Bundesländern:
www.solidaritaetskorps.de
Interreg A: Alle 13 Programme mit Nennung der Kontaktpersonen unter Kurzlink: https://tinyurl.com/4y744v8b
LEADER-Informationen: www.dvs-gap-netzwerk.de
rückenwind3: www.bagfw-esf.de; Ansprechpartner für die Caritas: Jörg Kaiser,
E-Mail: joerg.kaiser@caritas.de
1. Grundlage ist die vom Autor im Dezember 2023 bei der Universität Hildesheim vorgelegte Dissertation "Potenzial der Förderprogramme von 2021 - 2027 der Europäischen Union für das Engagement in Deutschland".
2. Vgl. sieben Typen der Einbindung von Engagement beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Backhaus-Maul, H.; Speck, K.; Hörnlein, M.; Krohn, M.: Engagement in der Freien Wohlfahrtspflege. Empirische Befunde aus der Terra incognita eines Spitzenverbandes. Wiesbaden: Springer, 2015.
3. Von staatlichen Ebenen in Deutschland und Stiftungen wird dies genauso praktiziert.
4. Ausnahme bilden Regelungen in den Interreg-A-Programmen, wo die Planung und die Nacharbeiten eines Projektes anteilig gefördert werden.
5. Forderungen der Caritas unter Kurzlink: https://tinyurl.com/9stv6z92