Ehrenamtlich im Kinderhospiz
Julia Rechenberg ist einer dieser Menschen, zu denen man sofort Vertrauen fasst und denen man - ehe man sich’s versieht - sein Herz ausschüttet. Sie hat wache Augen und ein strahlendes, warmes Lächeln, trägt Jeans und ein Karohemd, wirkt lässig und unkompliziert.
Seit zwei Jahren arbeitet sie ehrenamtlich für den ambulanten Kinderhospiz- und Familienbesuchsdienst der Caritas Berlin. Dort betreut sie die 14-jährige Jana, die in Wirklichkeit anders heißt. Seit Jana sieben Jahre alt ist, weiß sie, dass sie an Thalassämie leidet, auch bekannt als Mittelmeeranämie: eine vererbte Erkrankung der roten Blutkörperchen. Diese verursacht Atemnot, Müdigkeit und kann später auch Organe schädigen. Heilbar ist sie nicht, aber behandelbar. Deshalb erhält Jana einmal im Monat eine Bluttransfusion.
Begleiterin mit offenen Ohren
Julia Rechenberg begleitet sie auf dem Weg in die Charité und sitzt an ihrem Bett, während Jana am Tropf hängt, der gesundes Blut in ihren Körper pumpt. Das dauert um die zehn Stunden. Julia Rechenberg teilt sich die Betreuungsschicht mit einer anderen Caritas-Mitarbeiterin.
"Ich übernehme meist ab 13 Uhr", erzählt sie. Während der Transfusion muss Jana sitzen oder liegen. Dabei liest sie, guckt Filme und unterhält sich mit Julia Rechenberg.
"Noch vor zwei Jahren haben wir Memory gespielt oder Mensch-ärgere-Dich-nicht", sagt sie. "Heute reden wir vor allem über die Schule, über Freunde, über Musik, die gerade angesagt ist, und über alles, was einen halt so bewegt in dem Alter." Über Janas Krankheit hätten die beiden am Anfang mehr gesprochen. "Inzwischen tun wir das weniger", erzählt die Betreuerin. Jana lebe mit ihrer Krankheit sehr gut. Die regelmäßige Bluttransfusion halte sie stabil.
"Wenn man Hospizdienst hört, denkt man immer gleich ans Sterben", sagt Julia Rechenberg. "Das ist aber nicht bei allen Kindern und Jugendlichen, die wir betreuen, der Fall. Sicher sind manche schwer krank und haben nicht mehr lange zu leben, aber viele haben chronische Krankheiten, die das Leben verkürzen. Jana kann damit auch ganz lange leben."
Die ehrenamtliche Arbeit hat Julia Rechenbergs Leben neu sortiert. Sie gab ihr den Impuls, mit 40 Jahren noch mal durchzustarten. Die gelernte Grafikdesignerin studiert derzeit Soziale Arbeit in Potsdam. Das Interesse dafür ist ihr quasi in die Wiege gelegt worden. Ihre Mutter war Sozialarbeiterin und leitete ein Altenheim: "Sie war gewissermaßen mein Vorbild und auch ich hatte schon immer die Tendenz, für Menschen da zu sein und ihnen zuzuhören."
In ihrem Beruf als Grafikdesignerin sitze sie dagegen viel allein am Rechner. "Der direkte Austausch mit Menschen fehlt mir", betont sie. "Nach meinem Abschluss will ich wieder mehr und intensiver mit Menschen zu tun haben." Sie kann sich gut vorstellen, in der Kinder- und Jugendberatung zu arbeiten. "Ich mag Kinder sehr", sagt sie - und sie hätte gern auch noch eigene.
Die Betreuerin genießt die vielen Gespräche mit Jana. Diese seien mit der Zeit immer tiefer und intensiver geworden. Manchmal telefonieren die beiden auch oder schicken sich Tiktok-Videos und Sprachnachrichten. "Ich bin so ein Zwischending für sie", sagt Julia Rechenberg. "Eine ältere Freundin, bei der sie Rat sucht, aber manchmal auch ein bisschen mütterlich. Dann sage ich zum Beispiel: Das finde ich jetzt gerade nicht so cool, wie du da reagiert hast."
"Jana hat ein großes Talent für Sprachen", sagt Julia Rechenberg, "interessiert sich für andere Kulturen und ist sehr neugierig auf die Welt."
Ein neuer Blick auf Leben und Tod
Neugier bringt auch Julia Rechenberg mit. Sie mag Menschen und ihre Geschichten, auch wenn diese manchmal traurig und erschütternd sind. Die Arbeit für den ambulanten Kinder- und Familienhospizdienst hat sie viel Neues gelehrt - über das Leben und den Tod.
Ein Jahr lang hat sie sich auf ihre Aufgabe als ehrenamtliche Betreuerin vorbereitet, hat viel über Palliativmedizin erfahren, über den Umgang mit Sterbenden, aber auch über sich, über das, was sie bewegt. "Es war wunderbar", sagt sie. "Die Menschen, die dort mitmachen, sind sehr besonders."
Der Tod sei nicht mehr so fremd oder bedrohlich für sie, sagt sie nachdenklich, sondern gehöre einfach dazu. "Er betrifft uns schlichtweg alle. Wie das Leben ist halt der Tod auch existent."
Es mache sie demütig, hautnah mitzuerleben, wie ein Mensch, der so früh krank geworden ist, damit umgehe. "Jana macht das toll", sagt Julia Rechenberg. "Sie ist kraftvoll, stabil und strotzt vor Energie - das haut mich echt um."