Nicht noch mehr Kontrollen
Auf über eine Milliarde Euro soll sich der Schaden belaufen, den osteuropäische Pflegedienste mit organisiertem Abrechnungsbetrug in Berlin, Bayern und Niedersachsen verursacht haben sollen. Neu ist diese Problematik nicht. Die mutmaßliche Dimension überrascht und verunsichert jedoch schon. So erfolgt nun auch aus der Politik der Ruf nach veränderten und verstärkten Kontrollen von ambulanten Pflegediensten, dem NRW nun mit einer Meldepflicht für ambulante Pflege- und Betreuungsdienste begegnen will.
Was war es doch eine schöne Zeit, als die kommunalgeförderte Caritas-Gemeindekrankenschwester für 6000 Menschen im Dorf oder im Stadtteil, heute würde man Quartier sagen, ihre Arbeit verrichtete. Man kannte sich, man unterstützte sich, vor allem gab es aber kein Geschäftsmodell, welches zum Betrug eingeladen hätte. Dies ist heute alles anders. Mit unterstützendem Hightech versehen, verrichten unsere ambulanten Pflegedienste ihre Tätigkeiten am Patienten. Dabei wird dokumentiert und Transparenz geschaffen, was das Zeug hält. In regelmäßigen Besuchen durch den Medizinischen Dienst und andere Prüfinstanzen werden die Qualität der Arbeit und die Abrechnung der Leistung intensiv und umfangreich geprüft. Die Ankündigung der jährlichen Prüfung erfolgt am Mittag für den darauffolgenden Morgen oder sie wird telefonisch durch Patientenbefragungen der Kassen durchgeführt. Mehr geht nicht!
Patienten werden verunsichert
Wie konnte es da überhaupt zu einem Abrechnungsbetrug in einer solchen Dimension kommen? Warum musste erst ein solch gewaltiger Schaden entstehen, bevor eine konsequente strafrechtliche Verfolgung einsetzt? Ich bin schon jetzt auf die Aufklärung in den nächsten Wochen gespannt. An den Kontrollinstrumenten kann es meiner Meinung nach nicht gelegen haben. Davon haben wir genügend!
Sicher ist, dass die Nennung eines Milliardenbetrags die ganze Branche verunglimpft. Und dies vor dem Hintergrund schwieriger demografischer Herausforderungen in der Versorgung von Pflegebedürftigen. Vor allem die Patienten selber werden verunsichert.
Sicher ist, dass eine große kriminelle Energie bestehen muss, um in solchen Dimensionen zu betrügen. Dabei ist vermutlich davon auszugehen, dass nicht nur diese Pflegedienste, sondern auch Patienten oder Angehörige an den Betrugsfällen aktiv beteiligt sein können.
Sicher ist, dass einige Kostenträger mit ihrer manchmal auftretenden "Geiz ist geil"-Mentalität eine solche Entwicklung in Kauf nehmen. Indem sie Patienten aktiv auffordern, den billigsten, wenn auch nicht vertrauten, Anbieter zu wählen, erleichtern sie ortsfremden, nicht in den Pflegenetzwerken agierenden ambulanten Diensten den Markteintritt.
Sicher bin ich mir aber vor allem, dass unsere Caritas-Sozialstationen, unsere engagierten und verantwortungsbewussten Kolleginnen und Kollegen, das Vertrauen, welches die Patienten und deren Angehörige in sie setzen, rechtfertigen und verdienen.