Ersatzfreiheitsstrafen streichen
Jeder zweite Mensch, der in Haft kommt, verbüßt eine Ersatzfreiheitsstrafe. Das heißt, er oder sie wurde "nur" zu einer Geldstrafe verurteilt. Weil diese nicht bezahlt werden kann, muss die Person ins Gefängnis. Das passiert etwa 56.000-mal im Jahr. Die den Betroffenen zur Last gelegten Taten sind zu über 40 Prozent Vermögensdelikte und zu 24 Prozent Schwarzfahren. Also Taten, die von der Rechtsordnung als so gering eingestuft wurden, dass sie nur mit einer Geldstrafe sanktioniert werden. Dennoch bringen diese Taten Menschen in Haft. Betroffen davon sind solche, deren Leben von erheblichen sozialen, finanziellen und gesundheitlichen Problemen geprägt ist. Die Haft wird ihre Lage verschlechtern, gesundheitlich und finanziell. Wenn es schlecht läuft, verlieren sie noch die Wohnung, so sie denn eine haben. Einige Anstaltsleitungen haben sich unbeliebt gemacht, indem sie gefordert haben, dass JVAs nicht länger als Obdachlosenunterkunft missbraucht werden. Hinter dieser Forderung steht die Hilflosigkeit angesichts des Elends, welches das Strafjustizsystem in die Haftanstalten spült: Menschen in einem desolaten Gesundheits- und Allgemeinzustand. Der Vollzug ist nicht auf die Behandlung von armen, abgehängten und schwerkranken Menschen ausgelegt.
Die Fakten liegen auf dem Tisch, jetzt muss die Politik handeln! Am Unsinn der Ersatzfreiheitsstrafe als Rückgrat der Geldstrafe festzuhalten, schadet den Schwächsten unserer Gesellschaft und führt zu extremer Ungerechtigkeit. Die meisten Menschen zahlen ihre Bußgeldbescheide ebenso wie Geldstrafen, weil sie es müssen und können. Sie machen sich keine Gedanken darüber, was passiert, wenn sie es nicht tun - sei es Erzwingungshaft, Ersatzfreiheitstrafe oder dass der Gerichtsvollzieher klingelt. Sie wollen die Sache schnell erledigt haben und keinen weiteren Ärger mit der Justiz. Wie der aussehen mag, spielt dabei keine Rolle. Die Ersatzfreiheitsstrafe kann daher ohne nachteilige Folgen für die Gesellschaft gestrichen werden - wie wir es auch in europäischen Nachbarländern sehen. So kann verhindert werden, dass sich Armut gravierend strafschärfend auswirkt. Jede:r siebte Schwarzfahrer:in verbüßt seine:ihre Geldstrafe in Haft, wohingegen bei Steuerhinterzieher:innen nur jede:r 43. wegen einer Geldstrafe im Gefängnis landet. Armutsdelikte führen in Haft, Reichtumsdelikte nicht.
Deshalb die Aufforderung an die Ampel: Bessert euren Gesetzesvorschlag nach! Grundsätzlich muss verhindert werden, dass jemand, der seine Geldstrafe nicht zahlen kann, ins Gefängnis muss. Armut darf nicht dazu beitragen, dass Menschen in Haft kommen.