100 Jahre im Dienst der Sozialwirtschaft
Aus dem Gedanken der Selbsthilfe heraus gründeten die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege am 10. März 1923 in Berlin die "Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands GmbH" - die heutige Bank für Sozialwirtschaft AG (Sozialbank). 100 Jahre später steht die Sozialbank als Finanzdienstleisterin und betriebswirtschaftliche Beraterin partnerschaftlich an der Seite der Sozial- und Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Die Verbundenheit der Bank für Sozialwirtschaft mit ihren Kunden und Gesellschaftern spiegelt sich im Jubiläumsthema "Gemeinsam sozial wirksam".
Die Hilfskasse rettet die Wohlfahrtspflege
Wie finanzieren wir soziale Arbeit? Diese Frage stellt sich für die Wohlfahrtspflege nach dem Ersten Weltkrieg in einer ganz anderen Dimension als heute: Es gibt Millionen Hilfsbedürftige, alle Zuwendungen und Spenden sind versiegt und es grassiert die Inflation. Zugleich aber erhebt die Reichsverfassung soziale Sicherung erstmals zum Staatsziel und legt mit dem 1922 verabschiedeten Reichsjugendwohlfahrtsgesetz den Grundstein für das Subsidiaritätsprinzip.
Aus dieser Situation heraus entwickeln führende Persönlichkeiten aus der Freien Wohlfahrtspflege eine zukunftsträchtige Idee: ein Unternehmen zu gründen, das die Finanzierung und betriebswirtschaftliche Begleitung sozialer Einrichtungen auf professionelle Beine stellt. Die Initiative dazu ergreift der "Wirtschaftsbund gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands" (Wibu), der seit 1920 als genossenschaftlich organisierter Einkäufer für fast 1300 wohltätige Organisationen fungiert. Sein Aufsichtsratsvorsitzender Martin Faßbender, Leiter des Berliner Caritasverbandes (DCV), sowie Prälat Benedikt Kreutz, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, und weitere Vertreter der Wohlfahrtsverbände fragen bei Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns nach der Schaffung einer Institution, die die Notlage der Wohlfahrtspflege nachhaltig behebt - mit Erfolg. Am 10. März 1923 wird in Berlin die "Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands GmbH" gegründet. Das Stammkapital von 800.000 Mark stammt vom Wirtschaftsministerium. Die Gründer sind ihrer Bank über ein Jahrhundert treu geblieben. Bis heute sind Caritas und Diakonie die größten Aktionäre der Bank für Sozialwirtschaft.
Satzungszweck bleibt über ein Jahrhundert konstant
Satzungsgemäße Tätigkeiten der "Hilfskasse" sind die "Beschaffung von In- und Auslandsmitteln zur Gewährung von Darlehen an gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtungen, die Gewährung und Vermittlung von Darlehen an gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtungen, die Verwaltung von Sparguthaben gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen und die Beratung gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht". An diesem Auftrag hat sich bis heute kaum etwas geändert.
1924 stellt die "Hilfskasse" die ersten "Reichsmittel zur Förderung der freien Wohlfahrtspflege" als mittelfristige Kredite bereit. Die treuhänderische Kreditvergabe bleibt anfangs ihre Hauptaufgabe. Noch heute vergibt die Bank für Sozialwirtschaft aus einem revolvierenden Fonds des Bundes, in den Rückzahlungen immer wieder zurückfließen, zweckgebundene Darlehen an Verbände und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege.
Mit der Weltwirtschaftskrise, dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg folgen schwere Jahre, in denen die Wohlfahrtspflege und mit ihr die "Hilfskasse" ihre Freiheit verliert.
Ausbau zur Universalbank
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wandeln sich die Umstände für die Wohlfahrtsverbände immer wieder. Die Bank bleibt dabei stets an ihrer Seite. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren sorgt das anhaltende Wirtschaftswachstum für immer mehr Wohlstand. Bei einer strategischen Neuausrichtung steigt die Hilfskasse in das Spargeschäft mit institutionellen Anlegern aus der Wohlfahrtspflege ein. Speziell für den DCV werden 1984 "Caritas-Sparbriefe" mit vierjähriger Laufzeit eingeführt. Der Caritas nahestehende Personen können damit soziale Dienste und Einrichtungen des DCV unterstützen. 1995 folgt mit den "CaritasplusSparbriefen" eine Kombination aus Anlage und Spende: Die Käufer verzichten auf die Hälfte der Zinsen zugunsten einer Spende an den DCV.
In den Siebzigerjahren beschließt die Sozialbank, ihren Kund:innen regionale Anlaufstellen anzubieten. Am 1. Juli 1983 eröffnet die Geschäftsstelle Karlsruhe in der Steinhäuserstraße 20. Eine besonders enge Bindung besteht von Anfang an zum DCV, der als wichtiger Gesellschafter seinen Sitz in Freiburg hat. Nach der Wende expandiert die Sozialbank nicht nur in die neuen Bundesländer, sondern gründet auch in den alten Ländern weitere Niederlassungen, zudem 1997 ein Büro in Brüssel - als Mieter im Haus des Deutschen Caritasverbandes in der Rue de Pascale 4-6.
Mit neuen Angeboten hin zu mehr Markt
In den Neunzigerjahren halten Wettbewerb und Ökonomisierung Einzug. Die Sozialgesetzbücher und das Bundessozialhilfegesetz gewähren gewerblichen Trägern Zugang zur Leistungserbringung. Leistungs- und Entgeltvereinbarungen ersetzen das Selbstkostendeckungsprinzip. Mit der Einführung der Pflegeversicherung werden im Pflegesektor privat-gewerbliche Anbieter gemeinnützigen Trägern gleichgestellt. Es folgt eine Pluralisierung der Trägerlandschaft. Die Bank verstärkt ihr Angebot an Fachvorträgen, Seminaren und Publikationen erheblich, um ihre Kund:innen auf immer neue ökonomische und rechtliche Herausforderungen vorzubereiten. Praktisch unterstützt sie die Marktveränderungen durch Betriebsvergleiche für die Alten- und Behindertenhilfe, innovative Fundraising-Instrumente und "Online-Factoring" zur Vorfinanzierung von Forderungen der Kostenträger. Hier etabliert sich die 1989 gegründete Tochtergesellschaft BFS Service GmbH als Spezialanbieterin.
Die Sozialbank schärft ihr Profil als Fachbank
In der Finanzierung entwickelt sich die Sozialbank in dieser Zeit zur Spezialistin für Sozial- und Pflegeimmobilien. Für den langfristigen Erfolg einer Einrichtung werden zunehmend Standort, Wettbewerbssituation und Geschäftsmodelle der Träger erfolgsentscheidend. Um Finanzierungsvorhaben valide einschätzen zu können, baut die Sozialbank ihre Beratungsangebote aus. Im Mittelpunkt steht die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit von Investitionsvorhaben, vor allem in der Altenhilfe und im Krankenhaussektor. Die voranschreitende Digitalisierung und sich wandelnde Versorgungsstrukturen bringen einen großen Bedarf an Finanzierungen, strategischer Beratung und Angeboten zur praktischen Unterstützung mit sich.
Optimistisch ins zweite Jahrhundert
Heute positioniert sich die Bank für Sozialwirtschaft als führendes Spezialkreditinstitut und innovative Dienstleisterin in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft zugeschnitten auf die Bedarfe der Kund:innen. Vor allem werden die branchenbezogenen Beratungsleistungen ausgebaut, insbesondere im Immobilienbereich und bei der nachhaltigen Ausrichtung von Sozialunternehmen. Digitale Lösungen werden geschaffen und strategische Kooperationen und Beteiligungen genutzt.
All diesen Entwicklungen liegt ein klares Selbstverständnis zugrunde: Für die Bank für Sozialwirtschaft, die seit 100 Jahren bankfachliches und sozialwirtschaftliches Know-how in gesellschaftlich wirksame Vorhaben einbringt, ist ein Gedanke prägend: "Hilfe für die Helfer". Dieser Gedanke findet sich 2023 in der Jubiläumsbotschaft "Gemeinsam sozial wirksam" wieder: "Seit einem Jahrhundert bringen wir Menschen zusammen, die erfolgreich das Gemeinwohl stärken. Unser Auftrag ist es, diese Menschen dabei zu unterstützen. Als Partner auf Augenhöhe. Sozialbanking bedeutet für uns: Wir stiften nachhaltig sozialen Nutzen. Seit 1923 und in Zukunft."
Anmerkung
1. Geschichten aus der Geschichte der Bank für Sozialwirtschaft, Zeitzeugenvideos, eine Chronik und vieles mehr finden sich auf der Jubiläumswebsite www.gemeinsam-sozial-wirksam.de
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