Das Lob überwiegt
Nun ist er also da, der mit Spannung erwartete Referentenentwurf der SGB-VIII-Reform. Die gute Nachricht: Wenn das Gesetz so kommt, wird es die Jugendhilfelandschaft auf Jahre hinaus zum Guten verändern. Die Inklusion kann kommen! Die wirklichkeitsferne Trennung zwischen Jugendhilfe und Behindertenhilfe wird überwunden. Das ist ein Grund zur Freude. Ist dann alles gut? Leider nein. Natürlich haben die üblichen Kompromissbildungen Spuren hinterlassen: Die Inklusion dauert zu lange und die jungen Erwachsenen bleiben das Stiefkind der Jugendhilfe. Das ist besonders bitter.
Was ist geplant? Die fachliche Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für die Gesamtheit der Minderjährigen mit und ohne Behinderung ist für 2024 vorgesehen. Eine Gesetzesfolgenabschätzung soll ab 2024 stattfinden und erst 2027 soll ein Entwurf zu einem Gesetz vorgelegt werden, das ab 2028 die Übertragung der Leistungsträgerschaft regelt. Das zeigt, wie weit der Weg noch ist. Die vorgesehenen drei Phasen bis zur vollständigen Inklusion sind nachvollziehbar. Die Praxis hat sich längst inklusiv entwickelt und wartet auf die Zusammenführung der Zuständigkeit unter dem Dach der Jugendämter. Wir vom BVkE hätten uns eine schnellere und entschiedenere Lösung gewünscht. Trotzdem muss man die Politik erst mal loben. Der Prozess der Meinungsbildung und der Suche nach dem Wünschenswerten und Machbaren ist noch nie so oen und transparent geführt worden. Das Bundesfamilienministerium hat einen Dialog mit allen Akteuren geführt, das hat es seit der umfassenden Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes 1990 nicht mehr gegeben. Ich sage an dieser Stelle: Danke, Frau Ministerin Giffey, danke dem Team des Bundesfamilienministeriums!
Inhaltlich sind die Themen Ombudsstellen, Beteiligung, Kinderschutz, die Hilfen für Familien mit psychisch kranken Elternteilen, die Situation von Care Leaver(inne)n und vieles mehr im Gesetzentwurf neu geregelt, das begrüßen die Verbände unisono. Die inklusive Kinder- und Jugendhilfe ist ein großer Schritt, der vor kurzer Zeit noch nicht denkbar war.
Das Projekt Inklusion kann noch misslingen, wenn das Gesetz nicht mehr verabschiedet wird, weil es andere Prioritäten gibt. Oder wenn die Rahmenbedingungen und die Finanzierung nicht konsequent dem Willen zur Inklusion folgen. Die Fehler der schulischen Inklusion dürfen nicht wiederholt werden. Wir fordern die Bundespolitik auf: Bringt das Gesetz jetzt zu Ende. Und wir fordern von Ländern und Kommunen: Stattet die Jugendämter gut aus und bereitet sie gut vor!