Risiken entdecken und Gutes zeigen
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung nimmt weltweit zu, auch in der Wohlfahrtspflege. Werkstätten für Menschen mit Behinderung spielen eine wichtige Rolle bei der Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt. In Deutschland gibt es einige Werkstätten, die sich freiwillig für eine sogenannte Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheiden, obwohl es keine gesetzliche Pflicht für sie gibt, da die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) der EU nicht greift, weil sie beispielsweise zu klein sind. Gerade in solchen Fällen lohnt es sich, näher hinzuschauen und mögliche Beweggründe und Potenziale für Werkstätten zu beleuchten, eine Nachhaltigkeitsberichterstattung durchzuführen.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann als Instrument beschrieben werden, mit dem Unternehmen und Organisationen ihre ökologischen, sozialen und governancebezogenen (ESG) Leistungen messen, überwachen und kommunizieren können. Sie umfasst die Erhebung und Offenlegung von Informationen zu Umwelt- und Sozialkennzahlen, Unternehmensführung- und -kultur, Mitarbeitermanagement, ethischen Geschäftspraktiken und anderen nachhaltigkeitsbezogenen Themen.
Beweggründe für Nachhaltigkeitsberichterstattung
Es scheint mehrere Beweggründe zu geben, die Werkstätten dazu motivieren, ein solches Kennzahlenmonitoring durchzuführen:
◆ Erfüllung von internen und externen Erwartungen: Werkstätten für Menschen mit Behinderung sind in der Regel Teil eines größeren Netzwerks von Akteuren im Bereich der Sozialwirtschaft. Diese Netzwerke können bestimmte Erwartungen an die Nachhaltigkeitsleistungen ihrer Mitglieder haben. Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kann es Werkstätten ermöglichen, diesen Erwartungen gerecht zu werden und ihr Engagement für soziale Verantwortung aufzuzeigen.
◆ Transparenz und Rechenschaftspflicht: Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kann helfen, transparent über Aktivitäten und Leistungen zu kommunizieren und Rechenschaft gegenüber den Stakeholdern (Berührtseins-/Anspruchsgruppen) abzulegen. Dies kann das Vertrauen in die und die Glaubwürdigkeit der Organisation stärken und eine offene Kommunikation mit diesen Interessengruppen ermöglichen.
◆ Verbesserung von Managementprozessen: Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordert eine systematische Erfassung und Auswertung von Kennzahlen. Dies kann Werkstätten dabei helfen, ihre internen Managementprozesse zu verbessern, indem sie Schwachstellen und sogenannte "blinde Flecken" identifizieren und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ergreifen. Ein gezieltes Monitoring kann dazu beitragen, dass Werkstätten nachhaltige Praktiken in ihre Betriebsabläufe integrieren und dadurch ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
◆ Erfüllung von ethischen und moralischen Verpflichtungen: Für Werkstätten für Menschen mit Behinderung steht die Förderung von Inklusion, sozialer und beruflicher Teilhabe und Chancengleichheit im Mittelpunkt ihrer Mission. Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kann helfen, diese ethischen und moralischen Verpflichtungen zu erfüllen, indem sie die Auswirkungen der Organisation auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft offenlegt. Dies kann dazu beitragen, das positive Image und den Ruf der Werkstätten zu stärken und das Vertrauen von Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern zu gewinnen.
Potenziale der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kann für Werkstätten für Menschen mit Behinderung verschiedene Potenziale bieten:
◆ Differenzierung und Wettbewerbsvorteil: Eine transparente und umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung kann dazu beitragen, dass sich Werkstätten von anderen Organisationen abheben und einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Insbesondere in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung von immer größerer Bedeutung für Kunden, Lieferanten und andere Stakeholder werden, kann eine Nachhaltigkeitsberichterstattung als Alleinstellungsmerkmal dienen und die Attraktivität der Werkstätten erhöhen.
◆ Verbesserte Stakeholderkommunikation: Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung bietet Werkstätten die Möglichkeit, transparent und umfassend mit ihren Stakeholdern zu kommunizieren. Dies kann das Vertrauen und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten, Investoren und anderen Interessengruppen stärken. Eine offene und transparente Kommunikation kann auch dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und das Verhältnis zu Stakeholdern zu verbessern.
◆ Verbessertes Risikomanagement: Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kann es Werkstätten ermöglichen, ihre Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Dies kann helfen, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen.
"Wir handeln zum Wohle der Gemeinschaft"
Trotz der Motive und Potenziale einer Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt sich für einen Träger die Frage, ob Aufwand und Ertrag in einem lohnenden Verhältnis zueinander stehen. Als sich die Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren und ihr Tochterunternehmen, die Wertachtal-Werkstätte, 2021 auf den Weg der Gemeinwohl-Bilanzierung gemacht haben, musste zuerst diese Frage beantwortet werden (S. auch neue caritas Heft 11/2023, S. 9 ff.). Drei Aspekte haben den Ausschlag gegeben, sich für diesen Weg zu entscheiden:
◆ Der Ansatz der Gemeinwohl-Ökonomie ist ein ganzheitlicher. Durch eine Gemeinwohlbilanz versprachen sich die Werkstätten eine Analyse des Unternehmens, die nicht nur Teilaspekte beleuchtet, sondern Antworten auf die Frage gibt, wie die Organisation unter Berücksichtigung aller Aspekte noch nachhaltiger werden kann.
◆ Die Bilanzierung nach Gemeinwohl-Richtlinien ist ein anerkanntes und erprobtes Bewertungsverfahren, das bereits von sehr unterschiedlichen Organisationen (zum Beispiel Sparda-Bank München, Vaude, Herzogsägmühle) durchgeführt wurde und wird.
◆ Mit der Hochschule Kempten hatte die Lebenshilfe eine starke Partnerin an ihrer Seite, die sie in dem Verfahren unterstützt und die eigenen einzubringenden Ressourcen stark reduziert hat.
Nach der ersten erfolgreichen und sehr erkenntnisreichen Bilanzierung steht nun die Aufgabe an, Schwachstellen und Verbesserungspotenziale zu bearbeiten. Hier gibt es einige "low hanging fruits" (tief hängende Früchte) zu ernten (zum Beispiel die weitere Verbesserung bei der sozial-ökologischen Investition und Mittelverwendung oder die ohnehin gerade begonnene Umstellung des Fuhrparks auf E-Mobilität). Aber es stellen sich auch komplexe Aufgaben, die nur im Rahmen eigener Projekte über einen längeren Zeitraum bearbeitet werden können. Als Beispiele seien hier die Förderung des ökologischen Verhaltens der Mitarbeitenden oder das große Thema "Zulieferketten" genannt.
Und wie bei jedem Bewertungsverfahren gilt auch bei der Gemeinwohlbilanz: Nach dem Bericht ist vor dem Bericht. Der Berichtszeitraum von zwei Jahren ist durchaus ambitioniert, aber im Sinne der Sicherstellung einer Verbesserung sinnvoll.
Zwei Jahre nach der ersten Bilanzierung ist festzuhalten, dass die Erwartungen an das Instrument "Gemeinwohlbilanz" erfüllt worden sind. Durch die Systematik der Bewertung zum Umgang mit fünf identifizierten Berührungsgruppen (Stakeholdern) im Lichte der gesetzten Werte Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz/Mitentscheidung ist gewährleistet, dass auch "blinde Flecken" aufgedeckt werden. Eine große und dauerhafte Aufgabe ist es, die Verbesserungspotenziale, die identifiziert wurden, in konkrete Maßnahmen zu gießen und zu bearbeiten. Wenn es gelingt, dies als dauerhaften Prozess im Unternehmen zu etablieren, ist das schon als Erfolg zu werten, wird das Unternehmen voranbringen und kann einen kleinen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten.
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