Schritt für Schritt zum Klimaschutz
Klimaschutz ist dringlicher denn je - diese Botschaft wurde erst kürzlich durch den Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck betont: Die Geschwindigkeit der Emissionsminderung muss sich nahezu verdreifachen, um das Ziel des Bundes-Klimaschutzgesetzes einer Treibhausgasreduktion von 65 Prozent bis zum Jahr 2030 (im Vergleich zu 1990) zu erreichen.1 Dafür sind sektorübergreifende Anstrengungen nötig. Auch der Deutsche Caritasverband (DCV) als Deutschlands größter Wohlfahrtsverband ist hier gefragt. Das Pendeln von Millionen von Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen, Klient(inn)en und Besucher(inne)n, die Bewirtschaftung von Tausenden von Liegenschaften sowie die Beschaffung sind ein bedeutender Faktor für die Treibhausgasemissionen und liefern damit gleichzeitig großes Potenzial, um Emissionen zu reduzieren. Dabei gibt es pragmatische und konkrete Ansätze für ein Klimamanagement in den Einrichtungen.
Startschuss fürs Klimamanagement
Einmalaktionen reichen für mehr Klimaschutz langfristig nicht aus. Es braucht eine Grundsatzentscheidung: Ja, wir wollen uns engagieren, um kontinuierlich dazu beizutragen, Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) zu reduzieren - mit dem Ziel, klimaneutral zu werden. Das lässt sich am besten erreichen, indem die Einrichtung einen systematischen Ansatz wie das Klimamanagement einführt. Dabei wird die Herangehensweise an neue Themen aus dem Geschäftsalltag nicht fremd sein: Verantwortlichkeiten festlegen, Ist- und Soll-Stand definieren, und dann folgt die Umsetzung mit kontinuierlichem Controlling. Dieses bewährte Vorgehen wird auch im Klimamanagement genutzt, so dass es auch gut anschlussfähig an bestehende Umweltmanagementsysteme wie EMAS oder den kirchlichen Grünen Gockel ist.
Für das Klimamanagement hat eine oder ein Klimapromotor(in) den Hut auf und wird tatkräftig durch ein Klimateam unterstützt. Dabei sollten, vor allem zu Beginn des Prozesses, ausreichend zeitliche Kapazitäten zur Verfügung stehen. Dann gelingt es besonders gut, die vielversprechendsten Bereiche für eine Emissionsminderung systematisch zu identifizieren und anzupacken. Um das Thema langfristig zu bearbeiten und zu verankern, helfen folgende fünf Schritte (siehe Grafik, S. 16).
Schritt 1: Klima-Mapping
Das Klima-Mapping gibt einen Überblick über die klimarelevanten Aktivitäten in der Einrichtung: Wo werden diese im Gebäude sichtbar? Eine Begehung des Gebäudes schafft erste Klarheit über den Status quo - außerdem lassen sich in Gesprächen mit Mitarbeitenden bereits Ideen und Anregungen zum Klimaschutz in ihrem Arbeitsumfeld sammeln.
Schritt 2: Klimabilanz
Beim Energieverbrauch entstehen THG-Emissionen, das liegt auf der Hand. Aber auch das Beschaffen von Materialien, die Entsorgung von Abfällen oder Investitionsentscheidungen sind mit THG-Emissionen verbunden. Der erste Schritt einer Klimabilanz ist also, diese Energieverbrauchs- und Aktivitätsdaten zu erfassen. Liegen sie vor, wird die Klimabilanz mittels einer Multiplikation mit einem Emissionsfaktor berechnet. Ein kleines Beispiel verdeutlicht das: Multipliziere ich die Jahreslaufleistung von 10.000 Kilometern meines Benzin-Dienst-Pkws mit dem zugehörigen Emissionsfaktor von 0,209 Kilogramm CO2/km, so ergibt sich ein THG-Ausstoß von 2,09 Tonnen CO2.
Bei der Datenerfassung und -berechnung gilt, dass sie so genau wie möglich sein sollte. Umso aussagekräftiger ist damit die Klimabilanz, die dann auch die Basis für Ziele und das Vorgehen bildet. Daher sollte, wo immer möglich, auf reale Verbrauchsdaten zurückgegriffen werden. Liegen einmal keine Verbrauchsdaten vor, können Schätzungen oder Vergleichswerte anderer Einrichtungen weiterhelfen.
Zur besseren Einordnung der THG-Emissionen und Emissionsquellen einer Organisation wird zwischen drei Betrachtungsweisen (sogenannten Scopes) unterschieden: In Scope 1 werden alle Emissionen, die am Standort entstehen, eingeordnet. Hier hat eine Organisation direkten Einfluss, wie zum Beispiel bei der Art und Nutzung der Heizungsanlage oder der Anschaffung und Verwendung von eigenen Dienstfahrzeugen. Auch die Scope-2-Emissionen aus der Nutzung von eingekaufter Energie (meist Strom, Fernwärme/-kühlung oder Prozessdampf) lassen sich gut zuordnen.
Schwieriger wird es, die indirekten Emissionen aus den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten in Scope 3 zu erfassen. Häufig gibt es keine (detaillierte) Kenntnis über die entstehenden Emissionen und somit ist die Beeinflussbarkeit auch nur bedingt gegeben. Typische und relevante Scope-3-Emissionsquellen für sozialwirtschaftliche Einrichtungen sind beispielsweise bezogene Lebensmittel, der Pendel- und Besuchsverkehr sowie getätigte Investitionen.
Für den Einstieg in die Berechnung einer Klimabilanz können kostenfreie webbasierte Tools verwendet werden. Diese stoßen aber meist bei der Berechnung der Scope-3-Emissionen an ihre Grenzen. Dann werden kostenpflichtige Tools notwendig oder der/die Klimapromotor(in) erstellt ein eigenes Excel-Tool. Über das von DCV und Diakonie Deutschland beantragte Förderprojekt im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundes2 soll perspektivisch eine Klima-Plattform mit Klimabilanzierungstool für Caritas-Einrichtungen erstellt werden.
Schritt 3: Klimaprogramm
Auf die Ausgangslage folgt die Frage: Welches Ziel wollen wir erreichen und wie? Dafür wird ein ambitioniertes und zugleich realistisches Klimaprogramm mit Zielen und daraus abgeleiteten Maßnahmen erstellt. Die gesetzten Vorgaben sollten auf das verbandliche Oberziel der Klimaneutralität bis 2030
einzahlen und so konkret wie möglich beschrieben, zeitlich festgelegt, finanziell bewertet und hinsichtlich der eingesparten Treibhausgasemissionen quantifizierbar sein. Für die konkrete Planung gilt es die wesentlichen Hebel zur Treibhausgasreduktion vorrangig zu fokussieren. Um langfristig viele Emissionen einzusparen, sollten Einrichtungen nicht ausschließlich kurzfristige Schritte, sondern frühzeitig die notwendigen mittelfristigen Veränderungen angehen. Je nach Tätigkeitsschwerpunkt bestehen die größten Minderungspotenziale in unterschiedlichen Bereichen: So liegen bei einer Sozialstation die größten Hebel eher im Fuhrpark, bei einem Pflegeheimkomplex eher in der Unterhaltung der Gebäude, der Verpflegung und Beschaffung.
Schritt 4: Umsetzung des Klimaprogramms
Mit voller Kraft voraus kann nun die Umsetzung starten. Zunächst können die Maßnahmen realisiert werden, die mit wenig oder gar keinen Investitionen verbunden sind und sogar kurzfristig Kosten sparen (zum Beispiel Verhaltensänderungen im Strom- und Heizungsverbrauch oder bei der Einrichtung von Wasserspar-Armaturen). Weitreichendere Vorhaben, vor allem die Sanierung der Gebäudehülle (zum Beispiel Fassadendämmung, Energiesparfenster und Ähnliches), Tausch von Heizungsanlagen oder die Umstellung hin zu einem klimaneutralen Beschaffungswesen und Fuhrpark haben großes Einsparpotenzial, sind aber auch mit Investitionen und Vorlaufzeiten verbunden. Bei der Planung und Umsetzung sollten unbedingt entsprechende Expert(inn)en einbezogen werden.
Schritt 5: Kontinuierliche Verbesserung und Klimareport
Wie in jedem Managementprozess wird auch im Klimamanagement die kontinuierliche Verbesserung angestrebt. Wenn die Vorhaben erfolgreich umgesetzt sind, ist zu prüfen, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden. Die Evaluierung bildet dann den Startschuss, den Prozess erneut zu durchlaufen und den Klimaschutz in der Einrichtung erfolgreich weiterzutragen.
"Tue Gutes und rede darüber" - frei nach diesem Motto ist es empfehlenswert, das eigene Klimaengagement zu kommunizieren. In Form eines standardisierten, knappen Klimareports werden die Klimabilanz, das Klimaprogramm und der aktuelle Stand der Zielerreichung veröffentlicht. Der Klimareport dient der Transparenz nach innen und außen. Grundsätzlich sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: Gestalterisch und textlich kann der Bericht umfangreich ergänzt und durch Hintergrundinformationen angereichert werden. Ein solcher erweiterter Klimabericht kann auch für zahlreiche Anspruchsgruppen (Mitglieder, Politik, Spender(innen) oder Bewerber(innen)) wichtig sein - und nicht zuletzt auch andere Einrichtungen motivieren.
Klimaschutz rechnet sich
Rein aus ökonomischer Sicht müssen wir gesamtgesellschaftlich handeln, denn langfristig liegen die Kosten für Klimaschutz deutlich unter denen, die ein ungebremster Klimawandel zur Folge hätte. Aber auch jetzt schon rechnen sich Investitionen in klimafreundliche Technologie und eine nachhaltige Wirtschaftsweise.
Durch konsequente Energieeinsparung und CO2-Vermeidung über Heiz- und Mobilitätsenergie können Kosten gesenkt werden. Erfahrungsgemäß lassen sich etwa eine Einsparung von zehn Prozent der Energiekosten durch organisatorische und etwa 25 Prozent Energieeinsparung durch investive Maßnahmen (zum Beispiel Gebäudesanierung) erreichen.
Außerdem ist es möglich, auf Fördergelder für das Klimamanagement und einzelne Klimaschutzprogramme auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene zurückzugreifen. Dabei werden Personalkosten oder investive Maßnahmen gefördert. Insbesondere die Fördermöglichkeiten der novellierten Kommunalrichtlinie des Bundes, die nun auch explizit sozialwirtschaftliche Akteure anspricht, sind in Betracht zu ziehen.
Anmerkungen
1. Pressemitteilung des BMWK vom 11. Januar 2022; direkter Kurzlink: https://bit.ly/3sX1sIi
2. Siehe dazu auch www.klimaschutz.de sowie der Artikel von Bär, Bangert und Schaffert in diesem Heft.
Energiekosten: Alle entlasten?
Die Wende: „Jetzt geht die Post ab“
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