Ombudschaft ist Kinderschutz
In der Regel funktioniert die Kinder- und Jugendhilfe gut. Dennoch kann es auch in diesem Bereich zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten kommen. In solchen Momenten geht es nicht darum, Konflikte zu vermeiden, sondern die Beteiligten dabei zu unterstützen, sie zu lösen. Durch die bestehenden Machtasymmetrien in der Jugendhilfe, die durch den Wissensvorsprung oder die Entscheidungsgewalt der Fachkräfte gegenüber den Familien bestehen, sieht die Ombudsstelle ihre Aufgabe vor allem darin, den jungen Menschen sowie deren Sorgeberechtigten einen niedrigschwelligen und kostenlosen Zugang zu rechtlichen Grundlagen zu vermitteln. Betroffene Familien wissen oft nicht, welche Rechte sie beispielsweise im Bereich der Hilfen zur Erziehung haben.
Die zentrale Aufgabe im Umgang mit der Beratung ist es, eine unparteiische und unabhängige Vorgehensweise zu gewährleisten. Die Grundlage bildet das geltende Recht, im Wesentlichen das SGB VIII.1
Die Unabhängigkeit der Ombudsstelle gewährleistet eine Beratung, die nicht in Loyalitätskonflikte mit derjenigen Person gerät, die die "Macht" hat, wichtige Entscheidungen über das Leben der Ratsuchenden zu fällen. Träger der Thüringer Ombudsstelle "Dein Megafon" ist der Kinderschutzbund Landesverband Thüringen. Er betreibt keine eigenen Einrichtungen in der Jugendhilfe und ist auch den Jugendämtern gegenüber nicht weisungsgebunden. Gleichzeitig sind die Ombudsstellen den öffentlichen oder freien Trägern gegenüber nicht weisungsbefugt. "Dein Megafon" ist Mitglied beim "Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe". Das Bundesnetzwerk hat in seinem Selbstverständnis Qualitätskriterien für unabhängige Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe definiert, die auch für "Dein Megafon" gelten.
Im Rahmen der SGB-VIII-Reform haben die Ombudsstellen seit dem 10. Juni 2021 eine gesetzliche Grundlage. Der § 9 a SGB VIII verpflichtet alle Bundesländer, eine Ombudsstelle für junge Menschen und ihre Familien zur Beratung sowie Vermittlung und Klärung von Konflikten in Zusammenhang mit Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 SGB VIII vorzuhalten. In den Jahren vor der Novellierung sahen die Ombudsstellen ihren Schwerpunkt der Arbeit vor allem im Bereich der Hilfen zur Erziehung. Mit der Implementierung des § 9 a SGB VIII ist die Zielgruppe wesentlich erweitert worden. Das ist zu begrüßen, jedoch benötigen die Ombudsstellen die entsprechenden Rahmenbedingungen, um die Anliegen der weiteren Zielgruppen adäquat bearbeiten zu können.
Die Erfahrungen, die "Dein Megafon" seit Januar 2020 gemacht hat, decken sich im Wesentlichen mit den zehnjährigen Erfahrungen bestehender Ombudsstellen in Deutschland. Die Zugänge für die jungen Menschen niedrigschwellig zu gestalten ist eine Herausforderung. Je jünger sie sind, desto komplizierter ist es. Es braucht das Zusammenwirken aller Fachkräfte, um eine nachhaltige und wirksame Beschwerdekultur zu etablieren, die sicherstellt, dass junge Menschen in der Jugendhilfe partizipieren können.
Die Themen, mit denen Ratsuchende kommen, betreffen besonders die Leistungsgewährung wie beispielsweise die Bewilligung oder Weiterbewilligung einer Hilfe zur Erziehung, Hilfen für junge Volljährige, Zuständigkeiten der Jugendämter, das Wunsch- und Wahlrecht. Andererseits geht es um die Leistungserbringung wie beispielsweise die Ausgestaltung der Hilfen durch die Träger und deren Wohngruppen, wie Umgangskontakte zu den Eltern und Großeltern, Konsequenzen für Fehlverhalten, Respektieren der Privatsphäre. Meist lassen sich die Fragen klar auf der Grundlage des SGB VIII und der entsprechenden Kommentare beantworten. Manche Fälle sind dennoch sehr komplex.
Ein Fallbeispiel zeigt, wie wichtig eine Ombudsstelle ist
Jasmin (Name geändert), 18 Jahre alt, hat viele Jahre im Heim gelebt. Nun sollte sie die Jugendhilfe verlassen und in eine eigene Wohnung ziehen. Aus verschiedenen Gründen hat der Übergang nicht gut geklappt. Jasmin war von Obdachlosigkeit bedroht, als wir sie kennenlernten. Davor lebte sie in einer Wohngruppe für junge Erwachsene. Allerdings waren die Regeln dort zu eng für sie. Sie flog raus. Im Obdachlosenheim war sie schon bei der Vorstellung mit der Sozialarbeiterin aneinandergeraten. Jasmin sollte durch eine ambulante Hilfe unterstützt werden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen fand diese nicht statt. Jasmin schien nicht zu wissen, wie sie wen im Helfersystem aktivieren könnte. Ihr letzter Strohhalm war das Careleaver-Zentrum Thüringen, das Jasmin an uns verwiesen hat.
Es ging um Zwischentöne
In einem Hilfeplangespräch mit dem Jugendamt wurde deutlich, dass sich die Problemlage auch durch unterschiedliche Zuständigkeiten verschiedener Jugendämter verschärft hatte. Es zeigte sich ferner, dass Jasmin formal die Hilfen bekommen hatte, die ihr zustanden. Hier ging es aber um Zwischentöne. Jasmin hat viel erlebt. Wie viele dieser jungen Menschen, hat sie manche Entwicklungsschritte zu schnell und andere zu langsam gemacht. Kombiniert mit einer niedrigen Impulskontrolle führte das immer mal wieder zu Konflikten. Bei dem Hilfeplangespräch kam heraus, dass sie eigentlich nur drei Monate im Obdachlosenheim hätte überbrücken müssen, bis die eigene Wohnung fertig saniert gewesen wäre. Sie brauchte also nun Unterstützung, um im Obdachlosenheim aufgenommen zu werden. Jetzt ging es darum, wer sie dorthin begleiten würde. Alle, die für sie zuständig waren, schienen spontan keine Zeit zu haben. Nach einigen Diskussionen und dem Einwand der Ombudsstelle, dass es die Aufgabe der Jugendhilfe sei, junge Menschen in solchen Situationen zu unterstützen, konnte eine Begleitung gefunden werden. Jasmin kam in dem Obdachlosenheim unter und konnte die nächsten Schritte für sich organisieren.
Anmerkung
1. Siehe www.ombudschaft-jugendhilfe.de
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