Gestärkte Teilhabe: Träger sollten ihr Portfolio erweitern
Das Bundesteilhabegesetz hat Gesetze, insbesondere das SGB IX, wesentlich geändert, um die Lage der Menschen mit Behinderung zu verbessern. Kurz nach seiner Einführung im Jahr 2017sind Regelungslücken und Regelungsprobleme offenkundig geworden, teilweise auch infolge von Gerichtsurteilen. Mit dem "Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen zur Bildung und Teilhabe in der Sozialhilfe" (Teilhabestärkungsgesetz) wurde das Bundesteilhabegesetz novelliert. Es wurde am 22. April 2021 vom Bundestag beschlossen und tritt in zwei Stufen in Kraft. Das Gesetz bringt Verbesserungen für Menschen mit Behinderung sowie für Rehabilitand:innen. Im Gesetz wurden auch Begriffe angepasst: Aus "Behinderten" oder "behinderten Menschen" werden "Menschen mit Behinderung" und aus "behindertenspezifisch" wird "behinderungsspezifisch". Eine Änderung des Personenkreises der Menschen mit Behinderung ist damit nicht verbunden.
Nicht zu berücksichtigendes Einkommen wird erweitert
Die Änderungen der ersten Stufe zum 1. Juli 2021 betreffen das Leistungsrecht. Mit dem Teilhabestärkungsgesetz wird das im SGB II nicht zu berücksichtigende Einkommen (§ 11 a ) erweitert. Sowohl Aufwandsentschädigungen nach § 1835 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs als auch Überbrückungsgeld nach § 51 des Strafvollzugsgesetzes oder vergleichbare Leistungen nach landesrechtlichen Regelungen sind nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen. Weiter wurden mögliche Absetzbeträge (§ 11 b SGB II) angepasst.
Leistungsverbot der Jobcenter wird gelockert
Die Änderungen der zweiten Stufe zum 1. Januar 2022 betreffen die Optionen zur Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung. Ihnen kommt eine arbeitsmarktpolitische Bedeutung zu. Für Rehabilitand:innen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen (SGB II; "Hartz IV"), sollen verschiedene Punkte im Bereich der Leistungserbringung und -koordinierung angepasst werden. Ihre Betreuungssituation in den Jobcentern soll verbessert werden, indem diesen die Möglichkeit eingeräumt wird, Leistungen zur Eingliederung in Arbeit neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen. Das sogenannte "Leistungsverbot" der Jobcenter bei Rehabilitand:innen (§ 22 Abs. 2 SGB III) wird somit gelockert.
Durch eine Änderung des § 5 SGB II (Verhältnis zu anderen Leistungen) können nun nach eigenem Ermessen der Jobcenter Leistungen nach den §§ 16 a und 16 b, 16 d sowie 16 f bis 16 i SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte erbracht werden, sofern ein Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX zuständig ist. Hier Tabelle 1
Eingliederungsinstrumente des Jobcenters |
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§ 16 SGB II |
Änderung Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§112 bis 114, 115, 117, 127 und |
§ 16 a SGB II |
Kommunale Eingliederungsleistungen |
§ 16 b SGB II |
Einstiegsgeld |
§ 16 d SGB II |
Arbeitsgelegenheiten |
§16 f SGB II |
Freie Förderung |
§ 16 g SGB II |
Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit |
§16 h SGB II |
Förderung schwer zu erreichender junger |
§ 16 i SGB II |
Teilhabe am Arbeitsmarkt |
Damit wird außerdem der Zugang zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen und der Berufsausbildungsbeihilfe verbessert. Mit dem Einfügen des § 116 Abs. 5 SGB III ist es beispielsweise möglich, eine durch die Jobcenter finanzierte außerbetriebliche Berufsausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus zu verlängern. Dies gilt, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und wenn ohne die Förderung keine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann.
Das Leistungsverbot für die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter wird partiell aufgehoben in Bezug auf die Leistungen nach den §§ 44 und 45 SGB III beziehungsweise nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§ 44 und 45 SGB III. Die Vermittlungstätigkeit kann nun unmittelbar mit vermittlungsunterstützenden Leistungen flankiert und damit die Eingliederung von Rehabilitand:innen anderer Rehabilitationsträger in den Arbeitsmarkt beschleunigt werden. Hier Tabelle 2
Eingliederungsinstrumente des Jobcenters |
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§ 44 SGB III |
Förderung aus dem Vermittlungsbudget |
§ 45 SGB III |
Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung |
Die Agenturen für Arbeit beziehungsweise Jobcenter sind künftig neben dem jeweils anderen Rehabilitationsträger für die genannten Leistungen zuständig. Deshalb ist es erforderlich, die Leistungen zu koordinieren und datenschutzrechtliche Regelungen einzuführen. Im Gesetz wird sichergestellt, dass die Rehabilitationsträger und die Jobcenter die von ihnen zu erbringenden Leistungen (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen zur Eingliederung des SGB II) verbindlich aufeinander abstimmen. Parallel dazu werden alle Kommunikationswege für den Abgleich und für den Austausch von Sozialdaten bei Zusammentreffen von Leistungen nach dem SGB II beziehungsweise SGB III und Rehabilitationsleistungen in diesem Verfahren gebündelt. Deshalb werden die Mitwirkungsmöglichkeiten der Jobcenter im Rehabilitationsverfahren gestärkt, beispielsweise im Teilhabeplanverfahren.
Acht Leitfragen helfen Trägern
Das Gesetz stärkt Menschen mit Behinderung und Rehabilitand:innen, indem es zahlreiche Punkte verbessert. Für Träger hat das Teilhabestärkungsgesetz zwei Folgen: Sie sollten sowohl ihre Beratungsinhalte als auch ihr Portfolio an Maßnahmen aktualisieren und ergänzen. Um Maßnahmen für Rehabilitand:innen auszugestalten und anzupassen, könnten die Träger ihre vorhandenen Aktivitäten überprüfen. Dazu helfen können folgende Leitfragen:
◆ Welche Eingliederungsinstrumente, die nun vom Leistungsverbot der Jobcenter nicht mehr ausgeschlossen sind, können wir für die Zielgruppe der Rehabilitand:innen öffnen?
◆ Welche Prozesse in unserer Einrichtung müssten geändert oder neu entwickelt werden?
◆ Falls die Rehabilitand:innen "leistungsschwächer" sind als bisherige Teilnehmenden: Welche Maßnahmeninhalte und welche Arbeiten (zum Beispiel in Arbeitsgelegenheiten) können für sie angeboten werden?
◆ Wer entwickelt die neuen Inhalte und Prozesse?
◆ Soll es Varianten (zum Beispiel für verschiedene Rehaträger) oder Standards geben?
◆ Was machen wir von den neuen Inhalten selbst und was übernehmen Dritte?
◆ Wie sieht die Kalkulation für die aktualisierte Maßnahme aus?
◆ Welche Kompetenzen benötigen unsere Mitarbeitenden zusätzlich?
In einer Veranstaltung des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln, Bereich Soziale Integration, Europa und Arbeitsmarktpolitik, wurden im Herbst 2021 mit Trägern die Chancen des Teilhabestärkungsgesetzes diskutiert. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass hier ein zusätzliches Potenzial liegen könnte, das auszuloten ist. Entscheidend wird sein, so die Einschätzung, wie die Jobcenter ihre neuen Optionen nutzen werden. Es ist zum Nutzen der Menschen mit Behinderung zielführend, auf die Jobcenter aktiv zuzugehen.
Tafeln unter Druck
Dabei sein ist alles
Ein Quartier für alle
Digitale Teilhabe: souverän und sicher im Internet
Schutz für Kinder
Wie ehrenamtliches Engagement für Ältere digital gelingen kann
Für Vielfalt, Wandel und Zukunftsfähigkeit in der Sozialwirtschaft
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