Entgeltverhandlungen wollen vorbereitet sein
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) schreitet in den einzelnen Bundesländern weiterhin zeitlich und inhaltlich unterschiedlich voran. Eines haben jedoch alle gemeinsam: Der vielbesagte Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe muss nicht nur fachlich-inhaltlich umgesetzt, sondern auch betriebswirtschaftlich bewertet werden. Die Leistungsanbieter müssen sich auf Entgeltverhandlungen einstellen.
Bei der dafür notwendigen Vorbereitung, die auch dann erforderlich ist, wenn lediglich ein zentral verhandeltes Angebot des Leistungsträgers bewertet werden muss, gilt es, folgenden Grundsatz stets zu beachten: Es muss eine Passgenauigkeit zwischen dem künftigen Leistungsgeschehen und den dafür notwendigen personellen, sächlichen und strukturellen Ressourcen hergestellt werden. Bei Entgeltverhandlungen sind deshalb die folgenden Erfolgsfaktoren und Vorgehensweisen zu beachten:
Das Fachkonzept ist zentral
Zentrales Element ist nun das Fachkonzept (wie Konzeption oder Leistungsbeschreibung). Die Anforderungen an das Fachkonzept sind deutlich umfassender als die an die bisherige pädagogisch-fachliche Einrichtungskonzeption. Das Fachkonzept enthält die Beschreibung der künftigen Zielgruppen und Leistungen sowie des damit verbundenen Personal-, Sach- und Ressourceneinsatzes. Alle wesentlichen Elemente für die Entgeltkalkulation können aus dem Fachkonzept abgeleitet werden.
Die zu verhandelnden Einheiten sind festzulegen
Der Leistungsanbieter muss sich zudem Gedanken über die zu verhandelnden Einheiten machen. Dabei sollte er sich von seinen bisherigen Strukturen lösen und folgende Themen in den Blick nehmen: Bedarfe der Leistungsberechtigten (Personenkreis), Leistungsangebote (zum Beispiel Außenwohngruppe, aufsuchende Dienste oder tagesstrukturierende Angebote), Standorte und Größe. Daraus kann abgeleitet werden, für welche Einheiten künftig Fachkonzepte erstellt werden müssen. Diese bilden somit auch die Grundlage für die Entgeltvorbereitung.
Leistungskatalog und Angebotsmodellierung ausgestalten
Der Leistungskatalog beschreibt die Art, den Inhalt und den Umfang der Leistungen, jeweils in Abhängigkeit vom Personenkreis und der angedachten Zielsetzung. Die inhaltliche Auseinandersetzung und Ausgestaltung sind zwingend notwendig, um daraus entsprechende personelle, sächliche und strukturelle Ressourcen ableiten zu können. Zudem muss bei der Angebotsmodellierung festgelegt werden, in welchem Modul welche Leistung erbracht werden soll. Bei der Erarbeitung sind unter anderem folgende Fragen zu betrachten:
◆ Wie ist das künftige Verhältnis zwischen einer fixen und variablen Vergütung?
◆ Ist die Leistung Teil einer Tagespräsenz oder eine personenzentrierte Leistung?
◆ Welches Personal wird wann und wo für die Leistungserbringung benötigt?
◆ Welche sächlichen und strukturellen Ressourcen sind für die Leistungserbringung notwendig?
◆ Wo werden welche Leistungen künftig erbracht (Fachleistungsflächen)?
◆ Welche Vorgaben aus dem Landesrahmenvertrag müssen noch beachtet werden?
Aus den Landesrahmenverträgen sind die unterschiedlichen Vorgaben hinsichtlich der Personal-, Verwaltungs-, Leitungsschlüssel sowie weiterer Bestandsteile zu berücksichtigen. Dabei ist es unabdingbar, die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen zu beachten: pro Leistungsberechtigte, pro Vollzeitstelle, pro Mitarbeitende und so weiter. Bei der Vorgabe von pauschalen Personal- und Kostenansätzen sollte immer ein tatsächlicher "Soll-Ist"-Vergleich stattfinden, um zu überprüfen, ob die gemachten Vorgaben auskömmlich sind.
Vorbereiten der Kostenrechnung und Umlagensystematik
Eine gut strukturierte Kostenrechnung ist ein zentrales Element, um daraus geeignete Steuerungsgrößen und Kennzahlen abzuleiten. Sie ist aber auch notwendig, um die anstehenden Entgeltverhandlungen vorzubereiten. In der bisherigen, zumeist pauschal finanzierten Welt ist beziehungsweise war das Auswerten von einzelnen Kostengruppen nicht relevant. Für die Entgeltverhandlungen und Kalkulationen gibt es hier jedoch andere Anforderungen. Daher gilt es, die Kostenrechnung und damit verbunden die Konten-, Kostenstellen- und Umlagesystematik an die veränderten Bedarfe anzupassen. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob alle relevanten Informationen standardisiert und automatisiert aus den bestehenden Vorsystemen (wie Kostenrechnungen oder Finanzbuchhaltung) ausgewertet werden können.
Wichtig: eine genaue Kalkulation
Bei der Kalkulation muss zwischen den Angebotsfeldern klar abgegrenzt werden. Dies gilt vor allem für gemeinsam genutzte Kostenpositionen, wie zum Beispiel eine zentrale Verwaltung. Zudem muss eine Systematik gefunden werden, wie die zentrale Umlage auf die einzelnen Kostenpositionen der zu verhandelnden Einheit heruntergebrochen und dieser zugeordnet werden kann. Hierbei sind Datenvollständigkeit, Plausibilität und Nachvollziehbarkeit zu beachten. Zudem sind folgende Fragestellungen bei der Kalkulation zu beachten:
◆ Sind die Personalkosten mit allen zukünftigen Änderungen korrekt hochgerechnet?
◆ Entsprechen Fachkonzept und Leistungsbeschreibung dem künftigen Personaleinsatz?
◆ Sind alle Kostenbestandteile im Fachkonzept berücksichtigt?
◆ Ist der gesamte Mehraufwand, der aus der Systemumstellung resultiert, eingepreist?
◆ Ist eine klare, schiedsstellenfeste Aufteilung und Zuordnung aller Kosten möglich?
◆ Sind mögliche Risikopositionen identifiziert worden?
◆ Können gegebenenfalls Aufwendungen im neuen Leistungsgeschehen nicht verhandelt werden?
Vorbereitung der eigentlichen Entgeltverhandlung
In der finalen Vorbereitung müssen sämtliche Vorarbeiten zusammengeführt werden, um eine belastbare Datengrundlage für schiedsstellenfeste Verhandlungen zu schaffen. Zwischen dem Einreichen der Unterlagen und einer möglichen Verhandlung können mehrere Monate vergehen, auch dann müssen die eingereichten Daten immer nachvollzogen werden können. Daher ist eine entsprechende interne Dokumentation notwendig, zum Beispiel, mit welchen Annahmen gearbeitet wurde oder woher die Daten stammen. Dies umfasst auch das Festlegen der eigenen Grenzen in der Verhandlung und eine Bewertung, inwieweit sich eine mögliche Reduzierung der Aufwandspositionen auf die inhaltliche Leistungsausgestaltung oder die künftige wirtschaftliche Situation auswirkt.
Mit Blick auf die vielfältigen Anforderungen an die Entgeltverhandlungen sollten sich die Anbieter rechtzeitig auf den Weg machen, um ein entsprechendes Niveau und die Strukturen aufzubauen, um verhandlungsfähig zu sein und mögliche wirtschaftliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
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