Mit Zeitwertkonten flexibel sein
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht Klartext. Forderungen nach einer Rente mit 70 erteilte er am 29. Mai 2022 gegenüber Zeitungen der Funke Mediengruppe eine Absage. Einen solchen Vorschlag könne nur machen, wer "in einer ganz anderen Welt lebe", so der Minister. "Ich halte es für eine Phantomdebatte, bis 70 arbeiten zu wollen und zu sollen." Diese Diskussion sei "mit der Lebensrealität vieler Menschen in Deutschland nicht zu vereinbaren". Dagegen hält er einen "flexiblen Übergang in den Ruhestand" für richtig und liegt damit auf einer Ebene mit dem Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Die Grünen). Dieser hatte in einem Interview gegenüber der "Welt am Sonntag" vom 29. Mai 2022 verlauten lassen, dass er für mehr Flexibilität in der Rentenpolitik sei. "Wer kann und will, soll auch länger arbeiten dürfen", so Habeck.
Aber was schafft die notwendige Flexibilität? Wie können Vereinbarkeiten zwischen Arbeit und Familie, Arbeit und Freizeit, Arbeit und Auszeit, Arbeit und Eltern- oder Pflegezeit in Einklang gebracht werden?
Doreen Paus setzt auf Zeitwertkonten. Sie ist Geschäftsführerin der Stiftung Sankt Johannes im bayerischen Marxheim und weiß, "dass die Arbeit in der Behindertenhilfe, vor allem in der Heilerziehungshilfe, belastend ist". Viele wollten und könnten das nicht einmal bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter durchziehen. Zusammen mit ihrem Geschäftsführerkollegen Robert Freiberger und Führungskräften diskutierte sie in Workshops die Themen "Führungskräftemangel", "Generationswechsel" und "Ansprüche der Generationen Y und Z". "Wir haben mit unseren Leitungskräften im Sinne der Personalentwicklung Maßnahmen überlegt, die gut wären, um Personal zu entwickeln und Personal zu halten", sagt Doreen Paus. "Und am Ende des Prozesses stand, dass wir ein Lebensarbeitszeitmodell brauchen, um neben Fort- und Weiterbildungen wirklich ganzheitliche Angebote machen zu können."
"Flexi-Zeit" ist ein Erfolg
Die dem Caritasverband angeschlossene Stiftung Sankt Johannes betreut mit rund 950 Mitarbeitenden über 900 Menschen mit Behinderung an fünf Standorten im Landkreis Donau-Ries. Das Lebensarbeitszeitmodell "Flexi-Zeit", das die Stiftung mit der Deutschen Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeitmodelle (DBZWK) entwickelt hat, bewerten Paus und Freiberger als beste Investition, die sie im letzten Jahr getätigt hätten. Sozialversicherungsrechtlich gesichert können die Mitarbeitenden über "Flexi-Zeit" Auszeiten planen, Elternzeit verlängern, bei Bedarf eine Pflegeauszeit für die Eltern oder einen Partner nehmen oder dank des angesparten Guthabens auch früher in Rente gehen. Die Arbeitgeberattraktivität steigern und zugleich ein echtes Angebot für die Mitarbeitenden machen zu können stand bei den Geschäftsführer:innen ganz oben auf der Agenda.
"Ich bin hocherfreut, dass Flexi-Zeit bei der Mitarbeiterschaft eine so positive Resonanz ausgelöst hat", resümiert Robert Freiberger und ist mit dieser Meinung in der Caritas-Familie nicht alleine. Denn zahlreiche Verbände und Einrichtungen innerhalb der Caritas setzen zwischenzeitlich auf das Lebensarbeitszeitmodell. Deren Mitarbeitende nutzen ihre Zeitwertkonten auch rege, weiß die DBZWK aus langjähriger Erfahrung zu berichten. Der Anteil derer, die ein Zeitwertkonto mit ihrem Dienstgeber vereinbaren, liegt bei mindestens 25 Prozent und erreicht in manchen Einrichtungen bis zu 60 Prozent - und dies bereits in der Startphase der Modelleinführung.
Das Fazit: Zeitwertkonten sind gerade in der Alten- und Krankenpflege, in der Behinderten- und Heilerziehungshilfe wie auch in allen anderen erzieherischen Berufen innerhalb der Caritas als flexibler Übergang zwischen Erwerbs- und Rentenphase unverzichtbar. Denn diese Mitarbeitenden sind sowohl körperlichen wie auch psychischen Belastungen ausgesetzt, die ein Regel-Renteneintrittsalter oftmals nicht zulassen.
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