„Das Leid und die Verzweiflung der Menschen sind unermesslich“
Die Caritas in Hamburg hat einen großen Bereich der Flüchtlingsberatung. Warum auch eigens eine Afghanistan-Beratung?
Die Machtübernahme der Taliban und die damit verbundenen schrecklichen Ereignisse in Afghanistan Mitte August 2021 führten zu einer Flut von Anfragen in der gesamten Hamburger Trägerlandschaft. Um die Beratungsfachkräfte zu entlasten und den Betroffenen schnelle, niedrigschwellige Hilfe auch in ihrer Sprache anzubieten, wurde das Projekt ins Leben gerufen.
Mit welchen Anliegen kommen die Leute zu Ihnen?
In der Regel möchten die Menschen wissen, wie sie ihre gefährdeten Verwandten aus Afghanistan raus nach Deutschland holen können. Ich berate also überwiegend zum Familiennachzug, und sollte dieser für die Betroffenen nicht in Frage kommen, da sie die Voraussetzungen nicht erfüllen, prüfe ich potenzielle andere Optionen. Auch erhalte ich Anfragen von Menschen direkt aus Afghanistan mit der verzweifelten Bitte, sie und ihre Familien zu evakuieren. Diese Menschen kann ich letztlich nur darüber informieren, welche begrenzten Wege sie nutzen können. Ich stelle ihnen Informationen zur Verfügung und verweise sie weiter.
Wie groß ist das Leid der Betroffenen?
Das Leid und die Verzweiflung der Menschen sind unermesslich. Sie befinden sich entweder selbst in einer ausweglosen Situation, oder sie leben in Deutschland und suchen nach Optionen für ihre Verwandten in Afghanistan. Letztere plagt ein schlechtes Gewissen, dass sie hier in Frieden und Sicherheit leben und nichts für ihre Verwandten tun können, die dort teils in Lebensgefahr sind. Wo ich keine konkrete Hilfe in Form von Informationen, Links und Verweisen leisten kann, höre ich den Menschen zu und versuche, ihnen Trost zu spenden. Dies wird von ihnen sehr positiv aufgenommen, da sie oft allein mit ihren Sorgen dastehen.
Sie kooperieren mit der Refugee Law Clinic der Universität Hamburg und der Law Clinic der Bucerius Law School Hamburg. Wie wichtig ist diese Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit ist von unschätzbarem Wert, da es sich häufig um Anfragen handelt, die juristisch eingeordnet werden müssen. Da ich selbst keine Juristin bin, leite ich solche Anfragen weiter und erhalte kurzfristig und unbürokratisch die Informationen, die ich dann wiederum mit den Betroffenen bespreche. Die Studierenden sind sehr leidenschaftlich bei der Sache und übernehmen bestimmte Fälle sogar selbst. Das können besonders knifflige Fälle oder aber Fälle sein, wo es sich lohnt, gewisse Anträge zu stellen. Die Studierenden begleiten die Betroffenen dann auf diesem bürokratischen Weg. Ich kann wiederum bei Bedarf übersetzen. Den Studierenden steht juristische Supervision mit zwei bekannten Hamburger Rechtsanwälten zur Verfügung, die Experten auf diesem Gebiet sind. Davon profitiere ich selbstverständlich auch. Alles in allem ist es eine sehr fruchtbare Kooperation.
Wie viele Menschen haben sich bisher an Sie gewandt?
Ich habe seit Beginn des Projekts bis zum 31. Januar 2022 insgesamt etwa 200 Telefonanfragen erhalten und noch mal circa die doppelte Menge an E-Mails. Das liegt auch daran, dass die Telefonzeiten auf jeweils zwei Stunden an fünf und später an drei Tagen beschränkt waren und E-Mails durchgehend eingehen konnten. Außerdem haben wir Anfang Dezember 2021 eine Afghanistan-Veranstaltung für Ratsuchende in Präsenz durchgeführt, wo sie ihre Fragen direkt einem Rechtsanwalt stellen konnten und bei Bedarf auch übersetzt wurde. Die Veranstaltung war (wegen der Corona-Auflagen) mit 30 Personen maximal besucht, die Einwahl per Zoom war auch möglich. Letzteres nutzten bis zu 50 Interessierte.
Sie haben auch ein breites Netzwerk und Kontakte zu anderen Partnern aufgestellt. Welche sind das und wie hilft das weiter?
Ich habe regelmäßigen Kontakt und Austausch zu afghanischen Vereinen und Initiativen und zu anderen Einrichtungen der Hamburger Trägerlandschaft, wie dem Verein Bin, der Diakonie, diversen Behörden, den Flüchtlingsräten und natürlich auch caritasintern. Dieser Kontakt fördert den Wissensaustausch und die Wissenserweiterung untereinander und zudem bleibt man up to date, was etwaige aktuelle Entwicklungen angeht.
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