Alle Wünsche erfüllt?
Das Jahressteuergesetz 2020 hat gemeinnützigen Körperschaften zahlreiche, teils lang erwartete Änderungen serviert. Kleine gemeinnützige Körperschaften werden bei einer jährlichen Umsatzgrenze bis zu 45.000 Euro von der zeitnahen Mittelverwendung befreit. Sie können ihre Mittel also summieren, um sie wirkungsvoller einzusetzen. Freibeträge (Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale: 840 Euro beziehungsweise 3000 Euro), Freigrenzen (steuerliche für wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb: 45.000 Euro) und die Summen für den vereinfachten Spendennachweis (300 Euro) wurden erhöht, der Vertrauensschutz in die Gemeinnützigkeit eines Kooperationspartners oder Mittelempfängers gestärkt (Vertrauensschutzregelung des § 58 a Abgabenordnung (AO) neu; Einführung eines Zuwendungsempfängerregisters, § 60b AO neu)
Mittelzuwendungen, nun einheitlich in § 58 Nr. 1 AO neu geregelt, werden nicht mehr darauf beschränkt, dass sie nur teilweise weitergeleitet werden dürfen oder dass eine Synchronität eigener Satzungszwecke mit denen der Empfängerkörperschaft notwendig ist. Es werden damit Projekte und Förderungen ermöglicht, die in Schnittmengenbereichen zweier oder mehrerer gemeinnütziger Zwecke angesiedelt sind. Neue Kooperationen werden realisierbar, können ausprobiert werden, unabhängig davon, welchem Katalogzweck die Finanzverwaltung - später, überraschend - die Tätigkeit zuweist.
"Beim Spendenrecht hilft nur eine offene Kommunikation"
Begrüßt wurden auch die Ergänzungen des § 57 AO um Abs. 3 (Servicegesellschaften) und Abs. 4 (Holdinggesellschaften), die ebenso wie die Erleichterungen des § 58 Nr. 1 AO neu die Kooperation unter gemeinnützigen Organisationen stärken soll. Bei der Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO stehen Tätigkeiten im Fokus, die nicht auf die "unmittelbare" Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks gerichtet sind, sondern als voroder nachbereitende Tätigkeiten nun "mittelbar" gemeinnützige Aktivitäten sind (wie Krankenhauswäscherei, Hausmeisterdienste, Immobilienverwaltung, Abrechnungs- und Büroservices). Der Gesetzgeber möchte nunmehr auch eine solche Arbeitsteilung fördern, indem er die frühere isolierte Betrachtungsweise je Rechtsträger aufgibt und zu einer rechtsträgerübergreifenden Gesamtbetrachtung wechselt. Entscheidendes Kriterium ist ein sogenanntes planmäßiges Zusammenwirken der Servicegesellschaft mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Organisation. Deren steuerbegünstigten Zweck verwirklicht die Servicegesellschaft nun mit (im sogenannten Zweckbetrieb). Voraussetzung ist, dass dieses Ziel in der Satzung der Servicegesellschaft geregelt ist und der mit der Kooperationskörperschaft identische steuerbegünstigte Zweck genannt wird.
Gemeinnützigkeitsrecht braucht strukturelle Reform
So weit genug gejubelt - die Schwierigkeiten der Neuregelungen zeigen sich bei deren Anwendung. Während sich die punktuellen Regelungen noch im System des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts erklären lassen, fehlt eine Harmonisierung mit dem Umsatzsteuerrecht, dem Spendenrecht und auch mit dem Zivilrecht. Daran zeigt sich, dass der Bereich gemeinnütziger Betätigung nicht strukturell oder systematisch überarbeitet worden ist. Dies steht weiterhin aus.
Dazu zwei Beispiele:
1. § 58 Nr. 1 AO neu eröffnet die von Summen und Satzungszwecken unabhängige Förderung anderer Körperschaften. Kollidiert die[1]se Regelung nun mit dem auch in den Satzungen gemeinnütziger Körperschaften explizit genannten und grundlegenden Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO)? § 58 Nr. 1 AO neu kann nur als eine weitreichende Einschränkung des Ausschließlichkeitsgebotes (§ 56 AO) für Fördertätigkeiten verstanden werden, während § 56 AO für eigene operative Tätigkeiten einschränkungslos gilt.
Im Zivilrecht drohen Satzungsverstöße
In das Zivilrecht lassen sich die neuen Möglichkeiten nicht so einfach einbetten. Zivilrechtliche Regelungen bilden den wesentlichen Bestandteil der Satzungsregelungen gemeinnütziger Körperschaften. Die Organmitglieder sind zur Einhaltung statutarischer wie gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Gemeinnützigkeitsrecht hin oder her. Wendet eine gemeinnützige Körperschaft nun den Großteil ihrer Mittel solchen Empfängern mit anderen Zwecken zu (zulässig gemäß § 58 Nr. 1 AO neu), verstoßen die Organe aber gegebenenfalls gegen ihre Satzung. Diese besagt schließlich, für welche Ziele und Zwecke finanzielle, materielle oder personelle Mittel eingesetzt werden sollen.
In eine ähnliche Richtung weist das Spendenrecht: Spender(innen) wenden einem karitativen Verein Mittel für karitative Zwecke zu, nicht aber zum Beispiel für die Pflanzenzucht. Dieses Beispiel mag plakativ klingen, im Einzelfall kann die Entscheidung schwierig sein, ob ein(e) Spender(in) seine/ihre Spende zu Recht zurückverlangt und Vorstand oder Geschäftsführung für die Fehlverwendung der Spendenmittel (persönlich) haftet. Praktisch helfen hier nur eine offene Kommunikation mit den Spender(inne)n, ein gesonderter Spendenaufruf oder eine Satzungsergänzung derart, dass die Weiterleitung nennenswerter Mittel an Kooperationspartner mit anderen Satzungszwecken jedenfalls einem Schnittmengenprojekt dienen muss, das heißt, die Mittelzuwendung dennoch den Vereinszielen dient.
Satzungen können die Weiterleitung für andere Zwecke auch ausschließen, etwa dann, wenn die eigenen Satzungszwecke auch für Mittelweiterleitungen benannt werden. (Zum Beispiel: Verein für Altenhilfe: Der Satzungszweck wird verwirklicht durch die finanzielle Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die der selbstlosen Förderung der Altenhilfe dienen.) Darauf ist vor einer Weiterleitung besonders zu achten.
2. Im Anwendungsbereich des § 57 Abs. 3 AO neu (Servicegesellschaft) hängt die entscheidende Frage, ob man tatsächlich eine Servicegesellschaft gründet oder eine bestehende Gesellschaft in die Gemeinnützigkeit überführt, von vielen Einzelentscheidungen ab. Dazu gehört auch das Umsatzsteuerrecht. Denn die von der Servicegesellschaft den gemeinnützigen Kooperationskörperschaften angebotenen Dienstleistungen unterliegen der Umsatzsteuer, soweit keine Umsatzsteuerbefreiung einschlägig ist. Diesbezüglich ist zu klären, ob aufgrund der Zuordnung der Leistungen zum Zweckbetrieb auch der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gilt, auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG. Die[1]se Fragen sind nur mit einer sogenannten verbindlichen Auskunft beim jeweils zuständigen Finanzamt sicher zu beantworten. Anderenfalls hilft nur eine umsatzsteuerliche Organschaft zur Muttergesellschaft, die (auch) eine unternehmerische Tätigkeit aufweist.
Ausstehend und für den gemeinnützigen Bereich wünschenswert wäre daher eine EU-konforme Ausgestaltung der Umsatzsteuerbefreiungen insgesamt. Diese wurde durch das Jahressteuergesetz 2019 bereits teilweise umgesetzt (zum Beispiel § 4 Nr. 18 UStG), fehlt aber beispielsweise noch bei den Bildungsleistungen.
Schritt in die Gemeinnützigkeit strategisch planen
Unabhängig von den umsatzsteuerlichen Problemstellungen sollten sich gemeinnützige Körperschaften vor dem Schritt in die Gemeinnützigkeit von Servicegesellschaften unbedingt mit strategischen Überlegungen befassen: Warum soll eine Servicegesellschaft gegründet werden, ist zum Beispiel eine Kooperation mit anderen gemeinnützigen Leistungserbringern gewünscht oder eine Konzentration gleicher Leistungen in einer Konzerngesellschaft, oder ist die Sicherung von externem Know-how das Ziel (gesellschaftsrechtliche Einbindung)? Weiterhin sollte eine Leistungsanalyse erstellt werden, dergestalt, an wen Leistungen erbracht werden sollen - an gemeinnützige oder nicht gemeinnützige Empfänger. Auch eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Gemeinnützigkeit (zum Beispiel Steuerbefreiungen versus Mittelverwendungsgebote und Vermögensbindung) sollte nicht fehlen.
Die Aktualisierung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu den vorgenannten Neuerungen steht aus. Es besteht der Wunsch, den gemeinnützigen Körperschaften über die hier aufgeworfenen Fragen Rechtssicherheit zu geben.
Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen formaler Fehler, auch in der Geschäftsführung, ist bitter. Es wäre ein großer Schritt, anzuerkennen, dass das Nebeneinander der unterschiedlichen Rechtsgebiete und gesetzlichen Regelungen beziehungsweise der Satzung eine Herausforderung darstellt. Um dem Einwand der Finanzverwaltung zu begegnen, ihr stünde bei Verstößen gegen die Vorschriften der §§ 51, 59, 60 und 61 AO kein Ermessen zu, sollte im AEAO explizit der BFH1 zitiert werden: Das Verhältnismäßigkeitsprinzip und der ihm innewohnende Bagatellvorbehalt sind ein unverzichtbares Korrektiv, um in Einzelfällen die einschneidende Rechtsfolge des Verlusts der Gemeinnützigkeit auszuschließen.
Anmerkung
1. Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. März 2020 - V R 5/17 = BStBl. II 2021, 55 = DStR 2020, 1837.
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