Da Nang–Mannheim: Abenteuer Pflegeausbildung
Fünf junge Frauen aus Vietnam haben im Februar und April 2020 eine Ausbildung in der Pflege beim Caritasverband Mannheim angefangen, im Oktober sollen acht weitere kommen. Der Weg dorthin war voller Hindernisse und Rückschläge und deutlich arbeitsaufwendiger als gedacht. Trotzdem: In weniger als einem Jahr ist es gelungen, eine deutsch-vietnamesische Kooperation aufzubauen - eine gute Basis für die Zukunft.
Im Frühsommer 2019 trat die Mannheimer Wirtschaftsförderung mit der Bitte einer vietnamesischen Sprachschule für Deutsch um eine Kooperation an den Caritasverband Mannheim heran. Die Schule im zentralvietnamesischen Da Nang arbeitete bereits sehr gut mit einem Mannheimer Unternehmen in der Anwerbung von Lokführern zusammen und war daran interessiert, künftig auch Pflegekräfte zu vermitteln.
Erste virtuelle Kontakte verliefen positiv, so dass Leitungen verschiedener Bereiche der Mannheimer Caritas im vergangenen Sommer für fünf Tage nach Vietnam reisten, um sich vor Ort ein Bild von der Schule zu machen. Primär diente die Reise dazu, die Schulleitung, aber auch die Schüler(innen) kennenzulernen und das Kurskonzept zu prüfen. Bei der Anwerbung im Ausland muss der Fokus besonders auf die Bedingungen des Anwerbeprozesses und Beweggründe zur Auswanderung gerichtet werden. Darüber hinaus wurde ein Besuch an der Hochschule für Krankenpflege organisiert, um sich mit der Ausbildung in Vietnam vertraut zu machen und ein weiterer in einem staatlichen Krankenhaus, um einen Eindruck von der vor Ort geleisteten Pflege zu bekommen.
Bereits während des kurzen Aufenthalts konnte ein guter Draht zur Schulleiterin aufgebaut werden, die die Schüler(innen) mit viel Engagement und persönlicher Note begleitet. Auch die Sprachausbildung findet auf hohem Niveau statt, was unter anderem während Gruppenund Einzelgesprächen mit Schülerinnen - bei den Interessenten für die Pflege handelt es sich fast ausschließlich um junge Frauen - deutlich wurde.
Da viele der Sprachschülerinnen in Da Nang bereits vier Jahre Pflege studiert hatten, beschloss der Caritasverband, neben Auszubildenden auch Studienabsolventinnen anzuwerben und diese bei der Anerkennung des im Ausland erworbenen Abschlusses zu begleiten. Wie sich zeigte, ein mehr als ambitionierter Wunsch.
Enttäuschung nach einem halben Jahr Wartezeit
Eine Schülerin verfügte bereits über das für die Anerkennung nötige B2-Sprachzertifikat, so dass nach Legalisierung, Übersetzung und Beglaubigung die Anerkennung des Pflegestudiums beantragt wurde. Nach sechsmonatiger Wartezeit erging zum Jahresende der ernüchternde Feststellungsbescheid: Das vierjährige Bachelorstudium wird in Deutschland nur wie eine einjährige Gesundheits- und Krankenpflegehelferausbildung gewertet und entsprechend auch nur als solche anerkannt. Für die Anerkennung als Fachkraft muss entweder die Eignungsprüfung abgelegt werden, deren Besteherquote verschwindend gering ist, oder ein neunmonatiger Anpassungslehrgang absolviert werden, was gemäß Bescheid ausschließlich in einem Akutkrankenhaus möglich ist. Als Alternative schlug die Caritas das Verkürzen der Altenpflegeausbildung auf zwei Jahre und acht Monate (bei einem Einstieg im Februar) vor. Die Bewerberin entschied sich nach einigem Hin und Her für die verkürzte Ausbildung.
Nun zeigte sich das nächste Problem: Das Visum muss innerhalb eines Jahres nach Ablegen des B2-Zertifikats beantragt werden. Es blieben also nur wenige Tage, um alles zu organisieren. Da ursprünglich die Anerkennung des Studiums geplant war, wurde keine Anerkennung des Schulabschlusses beantragt, der wiederum für die Ausbildung benötigt wird. Außerdem musste die Vorabzustimmung der Agentur für Arbeit erfolgen, die zwar für Pflegefachkräfte nicht benötigt wird, für die Ausbildung hingegen schon. Abschließend musste das Regierungspräsidium der Verkürzung der Ausbildung zustimmen.
Durch das Mobilisieren von Netzwerken und die unglaubliche Unterstützung der beteiligten Stellen gelang es innerhalb von fünf Tagen, alle Unterlagen zusammenzutragen. Nach zehn Tagen konnten die Unterlagen per Express nach Vietnam versandt werden. Dann scheiterte der Botschaftstermin, da sich die Botschaft in Hanoi für nicht zuständig hielt und eine Kopie des Stammbuchs nicht ausreichend war. Erfreulicherweise konnte schnell und noch kurz vor Weihnachten ein Nachholtermin vereinbart werden. Nur acht Tage später folgte die erlösende Nachricht, dass das Ausbildungsvisum erteilt und eine Einreise gestattet ist. Am 28. Januar 2020 landete die Schülerin in Frankfurt, am 1. Februar trat sie ihre Ausbildung an. Mittlerweile hat sie sich gut eingelebt, leistet überzeugende praktische Arbeit und ist eine gute Schülerin.
Mit den Erfahrungen aus dem Anerkennungsprozess gerüstet, wurde im Januar mit der Einreisevorbereitung von vier Schülerinnen für die generalistische Pflegeausbildung zum 1. April begonnen. Sie absolvierten die B2-Prüfung, Dokumente wurden beantragt und Verträge geschlossen. Anfang März folgte eine erneute Reise nach Vietnam, um letzte Details zu besprechen und die Bewerberinnen für den Ausbildungsstart im Oktober kennenzulernen.
Die Einreisesperre brachte alle Vorbereitungen ins Wanken
Der Aufenthalt in Vietnam war bereits durch den Ausbruch von Covid-19 geprägt, Schulen wurden geschlossen, der geplante Besuch im Krankenhaus abgesagt. Die jungen Frauen erhielten dennoch problemlos ihre Ausbildungsvisa. Ihr Flug wurde für den 27. März gebucht. Am 17. März wurde die Einreisesperre in Deutschland verhängt. Es wurde zwar eine Ausnahmegenehmigung für Pflegekräfte kommuniziert, ob diese jedoch auch für Pflegeschüler gilt, war unklar. Zwei Tage später stornierte die Airline den Flug. Anfragen beim Auswärtigen Amt blieben unbeantwortet, und auch das Gesundheitsministerium hüllte sich in Schweigen. Die deutsche Botschaft in Vietnam lehnte den Transport mit einem Rückkehrflug ab, da nicht sicher bestätigt war, dass die Schülerinnen einreisen dürften.
Infolge der Schulschließungen in Deutschland führte die Pflegeschule ein E-Learning-System ein, das den Schülerinnen ermöglichte, von Vietnam aus am Unterricht teilzunehmen. Mit der Hoffnung auf eine baldige Einreise erledigten die Schülerinnen alle Aufgaben mit hohem Engagement. Da am 11. Mai der Praxisteil der Ausbildung beginnen sollte, wurde eine Einreise zunehmend dringender. Der Caritasverband Mannheim schickte eine Anfrage an den Sozialminister Baden-Württembergs, ob eine Einreise mittels Sonderregelung auch für Pflegeschüler(innen) möglich sei. Das Anliegen wurde zügig und klar befürwortet und Unterstützung zugesagt.
Sprachtraining und viele neue Erfahrungen
Für eine Flugbuchung gab es nur eine Option: am 28. April von Ho-Chi-Minh-City über Seoul nach Frankfurt. Mit den Flugdaten sandte das Sozialministerium über das Innenministerium ein Schreiben an die Bundespolizei am Flughafen Frankfurt, um die Einreise der Schülerinnen unproblematisch zu ermöglichen. Nun wurde um den Flug gebangt. Unglaublich groß war die Freude, als am 29. April vier vietnamesische Pflegeschülerinnen nach Deutschland einreisten, um Anfang Mai die Präsenzwoche in der Schule und danach die praktische Ausbildung zu beginnen. Die Schülerinnen haben sich bereits gut eingelebt. Einmal wöchentlich erhalten sie ein Sprachkommunikationstraining und lernen nahezu täglich etwas Neues kennen - sei es ein Nahrungsmittel, trinkbares Wasser aus dem Hahn oder Temperaturen von fünf Grad am Morgen.
Mittlerweile hat die Organisation des Ausbildungsstarts im Oktober begonnen. Es bleibt zu hoffen, dass die nächste Gruppe diesen ohne Komplikationen antreten kann.
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