Kundschafter nehmen Armut neu in den Blick
Ich möchte eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen", sagte Papst Franziskus bei seiner ersten Pressekonferenz am 16. März 2013. In seinem Schreiben "Evangelii gaudium" fordert er uns Christen dazu auf, Kirche an den Rändern der Gesellschaft zu sein.
Die Caritas-Konferenzen im Erzbistum Paderborn e.?V. (CKD) sind ein Netzwerk von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Gemeinden und Einrichtungen. Ihre Aufgabe ist es, Menschen in Not wahrzunehmen, ihnen zu helfen und gemeinsam mit ihnen zu handeln. Dabei geht es nicht nur um materielle Notstände - auch einsame, kranke, alte oder überlastete Menschen werden unterstützt. Die Hilfen können ganz unterschiedlich sein: Es gibt Besuche, Treffpunktangebote, existenzunterstützende Angebote wie Kleiderkammern und Warenkörbe, gemeinsame Behördengänge, finanzielle Hilfen und Sachleistungen, Beratung, Freizeitangebote??… Die Nähe zu den Menschen und schnelle und unbürokratische Hilfe sind dabei wichtig.
Für die rund 18.000 Ehrenamtlichen im Erzbistum Paderborn liegt eine immer größere Herausforderung darin, die durch die Zusammenlegungen von Gemeinden wachsenden pastoralen Räume zu überblicken und die Nähe zu den Menschen zu behalten. Außerdem ist für viele Kirchengemeinden Armut in Deutschland kein relevantes Thema. Die Caritas-Konferenzen verstehen sich aber als Anwältinnen für Menschen in Notsituationen. Sie wollen neben der unmittelbaren Hilfe ein Bewusstsein für das Thema erzielen und sich für Gerechtigkeit für alle Menschen einsetzen.
Politische Aktionen zur Bewusstseinsbildung
So wurden und werden immer wieder politische Aktionen gestaltet: 2011 wurden Wahlprüfsteine entwickelt und Politiker(innen) zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Im Jahr 2012 nutzten die Caritas-Konferenzen die Caritas-Kampagne "Armut macht krank" für dieses Thema. Ein Beipackzettel des "Medikaments" gegen Armut namens "CKD-forte" mit dem Wirkstoff "Solidarität" diente zur Information und zur Aufklärung für Politik und Gesellschaft. Im Jahr 2014 wurde dann das Projekt "Armutskundschafter - Not sehen und handeln in den Pastoralen Räumen" auf den Weg gebracht. Die Finanzierung des vorerst bis 2021 befristeten Projekts erfolgt wesentlich über den neu eingerichteten "Armutsfonds" des Erzbistums.
Welche Gesichter hat Armut bei uns heute?
Die Ausbildung zum Armutskundschafter oder zur Armutskundschafterin soll mehr sein als eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Armut. Es geht vielmehr darum, zu erarbeiten, wo man heute konkret der nicht immer an Äußerlichkeiten erkennbaren und oft schamhaft verborgenen Armut begegnet, welche Signale für sie entdeckt werden können und welche Vernetzungsmöglichkeiten es gibt, um Armut aufzuspüren und dieser dann entgegenzuwirken.
Die Armutskundschafter(innen) befassen sich auch mit den Fragen: Wie sieht Kommunikation auf Augenhöhe aus? Welche Hemmschwellen müssen beachtet werden im Kontakt mit von Armut betroffenen Menschen? Die Ausbildung konfrontiert außerdem mit verbreiteten Vorurteilen und lässt Raum, um sich mit der eigenen Haltung und belastenden Gefühlen im Kontakt mit Betroffenen auseinanderzusetzen.
Die Teilnehmenden lernen in dem Kurs unterschiedliche Methoden zur Erkundung ihres Sozialraums und bekommen eine Schritt-für-Schritt-Anleitung im Bereich "Projektmanagement". Im Idealfall steht am Ende des Prozesses ein neues Projekt.
Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist für Menschen, die in Armut leben, oft schwierig, da viele Veranstaltungen und Unternehmungen finanzielle Mittel voraussetzen. Auch das Vereins- und Gemeinschaftsleben in der katholischen Kirche erfordert materiellen Einsatz. So entstehen verschiedene Welten, die kaum Berührungspunkte miteinander haben.
Sich zwischen den Welten bewegen und vermitteln
Das Projekt "Armutskundschafter" setzt genau dort an: Ehrenamtliche Mitarbeitende sollen auf der Ebene der pastoralen Räume dazu befähigt werden, sich zwischen den Welten zu bewegen und zu vermitteln. Es geht darum, soziale Notlagen in den pastoralen Räumen wahrzunehmen und sich in sozialen und kirchlichen Gremien für betroffene Menschen starkzumachen. Leitfragen sind dabei unter anderem: Können von Armut betroffene Menschen an den Angeboten der Kirchengemeinde teilnehmen? Kann sich eine arme Familie die Teilnahme am Pfarrfest leisten? Sind die Seniorenausflüge, die wir anbieten, für Senioren mit kleinster Rente finanzierbar? Grenzen wir Menschen vom Engagement aus, weil wir die Kosten, die im Ehrenamt anfallen, nicht selbstverständlich erstatten?
Neu initiierte Projekte können dazu beitragen, die unterschiedlichen Milieus wieder miteinander zu verbinden. Eine Möglichkeit auf dem Weg zur gelungenen Integration kann Partizipation darstellen - ein gemeinsames Projekt.
Die CKD-Gruppen in unseren Gemeinde sind aktiv und kreativ: Sie entwickeln immer wieder neue Projekte und Angebote, um von Armut betroffene Menschen zu unterstützen. Der "Armutskundschafter" bietet jetzt eine Plattform, um Best-Practice-Beispiele zur Inspiration weiterzugeben.
So hat eine örtliche CKD in Kooperation mit dem Familienzentrum und anderen Partnern zu einer Veranstaltung zum Thema "Auskommen mit dem Einkommen" eingeladen. Auslöser war, dass einige bedürftige Familien in Bigge regelmäßig finanzielle Hilfen von der Caritas-Konferenz in Anspruch nahmen. Mit der Veranstaltung sollte dieser Zielgruppe nachhaltig geholfen werden. Eine Schuldnerberaterin gab einen Überblick darüber, welche Leistungen Menschen unter bestimmten Umständen zustehen, und erstellte mit den Teilnehmenden einen Haushaltsplan, ging Einsparmöglichkeiten durch und vermittelte weitergehende Hilfen.
Haushaltsplan, Kochkurs oder Ämterbegleitung
Andere Caritas-Konferenzen bieten Kochkurse an, um von Armut betroffenen Menschen praktische Tipps an die Hand zu geben, wie kostensparend zu Hause gekocht werden kann. Neben dem Lerneffekt und der warmen Mahlzeit stehen hier natürlich auch die Gemeinschaft, der Austausch und die Teilhabe im Vordergrund.
Viele CKD-Gruppen nutzen bereits das Qualifizierungsangebot, Ehrenamtliche zu Behördenbegleitern auszubilden, die dann Menschen zu Ämtern begleiten.
Auch für Kinder und Jugendliche, die aus armutsbedrohten Familien kommen, gibt es Unterstützungsangebote seitens der CKD. So finanzieren einige Gruppen das Mittagessen in Kita und Schule mit, bieten Hausaufgabenhilfe und Ferienspiele an. Vielerorts werden einkommensschwache Familien unterstützt, wenn es um die Anschaffung von Schulmaterialien geht.
Eine Caritas-Konferenz hat ihre Kommunalpolitiker(innen) zum Mithelfen in die Kleiderkammer eingeladen, um deutlich zu machen, wie viele Menschen diese nutzen und was dort ehrenamtlich geleistet wird.
Solche Ideen werden in das Netzwerk unseres Verbandes eingespeist und von anderen aufgegriffen.
Die Ausbildung zum "Armutskundschafter" ist bereits in sechs pastoralen Räumen angelaufen. Eine diözesane Ausbildungsreihe hat stattgefunden. Zusätzlich gab es zahlreiche Informationsnachmittage und Kurzschulungen. Dennoch steht das Projekt immer noch am Anfang. Es gilt weitere pastorale Räume für dieses Thema zu gewinnen, zu sensibilisieren und zu mobilisieren.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Ehrenamtlichen und Interessierten vor Ort sehr heterogen sind und jede Gemeinde auf einem anderen Stand ist. So bedarf es großer Flexibilität, um den individuellen Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb bieten wir verschiedene Formen der Auseinandersetzung an: Die Ausbildung kann vor Ort für einzelne Gruppen oder in Kooperation mit kirchlichen Gremien oder Verbänden durchgeführt werden. Ebenso gibt es für interessierte Einzelpersonen die Möglichkeit, eine diözesane Ausbildungsreihe zu besuchen. Inhaltlich und zeitlich werden die einzelnen Module auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten abgestimmt.
Am Ball bleiben
"Wir haben in Deutschland kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit", heißt es in dem Buch "Schamland" von Stefan Selke. Ehrenamtliche, Interessierte, Politik und Öffentlichkeit für das Thema "Armut" zu sensibilisieren kann somit nur ein Teilziel des Projekts sein. Sein Leitmotto "Armutskundschafter - weiter sehen und weiter gehen", schließt auch eine Handlungskomponente mit ein. Die Ausbildung zum Armutskundschafter stellt den Auftakt eines Prozesses dar.
In der Praxis zeigt sich, dass Gruppen lange genug begleitet werden müssen, damit das Thema nicht im Sande verläuft. Erst wenn sichtbar wird, dass die Motivation, die Struktur und die Ressourcen soweit vorhanden sind, dass sie sich selber tragen können, kann die Begleitung auslaufen. Eine langfristige Vernetzung der Akteurinnen und Akteure auf Diözesan- oder Regionalebene wird angestrebt.
Viele Schritte, aber noch nicht am Ziel
Armut darf nicht entpolitisiert werden
Reform der Leiharbeit
Popanz Proporz
Mehr Differenzierung ist nötig
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