Ehrenamtliches Engagement – nicht mit Geld zu bezahlen
Mehr Geld fürs Ehrenamt! Wer für die Gemeinde ehrenamtlich tätig ist, bekommt vom 1. Januar 2016 an dafür mehr Geld ..." Diese Meldung war zu lesen in der Badischen Zeitung vom 7. August 2015, Ausgabe Breisgau West.
Beim Lesen einer solchen Meldung am frühen Morgen muss der Frühstückskaffee quasi zum Zaubertrank werden: Er muss wach machen und beruhigen zugleich. Denn genau diese Meldungen sind es, die die Diskussion und Auseinandersetzung rund um die Monetarisierung des Ehrenamtes beziehungsweise des freiwilligen Engagements immer wieder anfachen. Und die alle konstruktiven und gut gemeinten Hinweise und Bemühungen zu Sachlichkeit und differenzierter Betrachtung mit einem Schlag zunichtemachen. Denn das, was in der betreffenden Gemeinde am Rande des Kaiserstuhls geschieht, ist bundesweit übertragbar.
Menschen engagieren sich, setzen sich für andere ein, wo Unterstützungsbedarf und Not groß sind, gestalten ihre Sozial- und Lebensräume mit, üben gelebte Demokratie. Auch in den Kirchen engagieren sich Christinnen und Christen sozial. Für sie ist das Engagement oftmals Ausdruck gelebten Glaubens. Die tätige Nächstenliebe ist Antrieb zur Verbesserung der Lebenssituation.
Das Verständnis christlicher Lebensgestaltung ist entscheidend und prägend für Diakonie und Caritas. Not sehen und handeln war schon immer die Devise der Engagierten. Oder, wie es Julius Kardinal Döpfner (1913-1976) sagte: "Der barmherzige Samariter unterschreibt keine Resolution, die weitergeleitet werden muss, er packt selbst an."
Die Initiativen und Zusammenschlüsse ehrenamtlich engagierter Menschen waren eine der Hauptkräfte für den 1897 gegründeten Deutschen Caritasverband. Das ehrenamtliche Engagement ist somit konstitutiv für die Entstehung des Verbandes und bis heute ein unverzichtbarer Teil der caritativen Arbeit. Ehrenamtliche sind auf allen Ebenen verbandlicher Arbeit und in allen Feldern der Caritas tätig. Ihr Engagement äußert sich in sehr verschiedenen Formen und gibt der Vielfalt an Begabungen Raum zur Entfaltung.1
Damals wie heute engagieren sich Menschen mit sehr unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen für die Gesellschaft. Manche verfügten als wohlhabende Bürger(innen) sowohl über Mittel als auch die notwendigen Kontakte. Andere wiederum fanden in ihrem Engagement genau die Lebensaufgabe, der sie sich voll und ganz widmen konnten. Diese aus der Historie stammende Vielfalt ist es, die heute die Engagementlandschaft prägt: Menschen mit ausreichendem Einkommen, die ihre Zeit umsonst einbringen, und andere, denen eine finanzielle Zuwendung nicht nur guttut, sondern die sie auch nötig haben. Aber: Mit der Bedeutung des Geldes im Engagement wächst auch die Notwendigkeit zu Klarheit und Differenzierung.
Geld spielt eine Rolle
Unter dem Stichwort "Monetarisierung" wird eine Entwicklung gefasst, nach der finanzielle Anreize eine zunehmende Bedeutung gewinnen, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern und anzuerkennen. Neben den immateriellen Formen der Anerkennung wie zum Beispiel Ehrungen und Danksagungen nehmen in den vergangenen Jahren vor allem geldwerte Leistungen und direkte Geldzahlungen zu. Der Freiwilligensurvey, der alle fünf Jahre einen Überblick über das Engagement in Deutschland gibt, belegt die zunehmende Bedeutung des Geldes im Engagement: Waren es im Jahr 1999 noch 18 Prozent der Freiwilligen, die die Frage nach einer Vergütung bejahten, sprachen 2009 bereits 23 Prozent von einer Bezahlung. Die Praxis, das Engagement auf der Basis von Stundensätzen zu entgelten, in Verbindung mit einer geringfügigen Beschäftigung oder als pauschale Aufwandsentschädigung, hat sich in den zurückliegenden Jahren vor allem in den Bereichen entwickelt, in denen es einen ausgeprägten Problem- und Handlungsdruck gab und finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden: in der Pflege und bei der Betreuung demenzkranker Menschen.
Diese Praxis steht der verbandlichen Position entgegen: Das Ehrenamt ist unentgeltlich. So heißt es im Positionspapier "Ohne Ehrenamt keine Caritas": "Ehrenamt zeigt, dass nicht alles, was notwendig und hilfreich ist, nur gegen Bezahlung erfolgt. Ehrenamtliche erbringen Dienste und Leistungen, schaffen materielle und ideelle Werte, denen nicht äquivalente Kosten gegenüberstehen. Die Unentgeltlichkeit ist ein wesentliches Merkmal des Ehrenamtes in der Caritas. Dies schließt Kostenersatz - für Fahrtkosten, Arbeitsmaterialien und anderes - nicht aus, wohl aber vergütungsähnliche Leistungen oder Bezahlungen zum Beispiel für geleistete (Arbeits-)Zeit. Ehrenamtliches Engagement in der Caritas ist so angelegt, dass es nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes dient. Mit dieser Festlegung ist keine Abwertung von anderen Engagementformen verbunden, bei denen ein stundenbezogenes oder arbeitsbezogenes Entgelt bezahlt wird. Ehrenamtliches Engagement in der Caritas ermöglicht zusätzliche (Hilfe-)Leistungen, die den notleidenden und ausgegrenzten Menschen und den Zielen der Caritas dienen. Dieser Mehrwert muss den Betroffenen möglichst uneingeschränkt zugutekommen, er kann nicht die Kürzung notwendiger sozialstaatlicher Leistungen begründen."2
Engagement ist nicht gleich Engagement
Der anfangs zitierte Zeitungsbericht verdeutlicht einen Aspekt der Diskussionen rund um die Monetarisierung: Alles, was Engagement heißt, wird unreflektiert in einen Topf geworfen. Das Spektrum geht von der Organisation und Durchführung von Seniorennachmittagen über Besuchsdienste, Hausaufgabenbetreuung, Pflegehilfsdienste bis hin zu lokalen Wahlämtern, nebenberuflichen Aufsichtsratsfunktionen und sogar Spitzenfunktionären. "Reich werden im Ehrenamt" war der Inhalt einer Sendung des WDR-Fernsehens vom 11. Mai 2015. "Während Ehrenamtliche im Amateursport", so aus der begleitenden Ankündigung der Sendung, "unbezahlt viele Stunden opfern, werden die Manager im Profibereich richtig reich durch ihre ‚Ehrenämter‘." Der derzeitige Präsident des Deutschen Fußballbundes werde beispielsweise für sein Ehrenamt mit 70.000 Euro pro Jahr "entschädigt".
Unsere Gesellschaft kommt aus dem Monetarisierungsdilemma nur dann heraus, wenn es ihr gelingt, die unterschiedlichen Formen des Engagements differenziert zu benennen und deren jeweiligen Rahmenbedingungen zu beschreiben. Für das Ehrenamt im Verständnis der Caritas gelten die Grundätze Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit und Gemeinwohlorientierung. Das schließt den Auslagenersatz für entstandene Kosten nicht aus. Im Gegenteil: Die Sicherung der Haftungsrisiken ebenso wie die Auslagenerstattung gehören heute zum Standard einer modernen Engagementförderung und sollen sicherstellen, dass Engagierten keine zusätzlichen Kosten entstehen. Dagegen ist eine Aufwandserstattung, die Zeit in Geld umrechnet und damit der Logik einer auf Entgelt ausgerichteten Beschäftigung folgt, mit den Grundsätzen des Ehrenamtes in der verbandlichen Caritas nicht vereinbar.3
Wenn aber kein Ehrenamt, was dann? Grundsätzlich gilt: Wenn Beträge gezahlt werden, die die entstandenen Auslagen übersteigen und in denen die Einkommenserzielung sichtbar dominiert, dann sollte auf die Bezeichnung als ehrenamtliches beziehungsweise freiwilliges Engagement verzichtet werden.4
Die Praxis des sogenannten bezahlten Ehrenamtes, so wie es sich in den zurückliegenden Jahren herausgebildet hat, lässt darauf schließen, dass es anscheinend einen nicht unerheblichen Bedarf an solchen zumeist geringfügig entlohnten Tätigkeiten gibt. Der Umgang damit und die Konsequenzen daraus müssen gesellschaftlich diskutiert werden. In der Folge müssten dann auch Modelle von Erwerbsarbeit entwickelt werden, die arbeitsrechtliche und gesellschaftspolitische Fragen berücksichtigen. Eines sollte am Ende aber unmissverständlich klar sein: Alles, was bezahlt ist, ist kein Ehrenamt.
Weitestgehend Einigkeit besteht darin, dass als ehrenamtliches oder freiwilliges Engagement nur die Tätigkeiten bezeichnet werden sollten, die auch die Kriterien eines freiwilligen, unentgeltlichen, gemeinwohlorientierten Engagements erfüllen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Jegliche Form des Engagements ist wertvoll und sollte hinreichend gewürdigt werden. Aber ein undifferenziertes In-einen-Topf-Werfen hilft nicht weiter. Tätigkeiten mit Geldbezug sind deutlich vom Ehrenamt abzugrenzen und als solche zu bezeichnen. Das wertet sie nicht ab, verwässert aber auch nicht den besonderen Status des Ehrenamtes.
Die Vielfalt im Engagement muss durch eine möglichst genaue Benennung der verschiedenen Formen dargestellt werden. Das klingt zwar sehr technisch, ist aber nicht nur eine semantische Übung. Und die Engagementforschung hat dazu bereits Lösungsansätze dargelegt, wie beispielsweise die obenstehende Tabelle zeigt.5
Vielleicht hilft auch ein Blick über die Grenze nach Frankreich: Dort treten in der Übersetzung des Begriffes "Ehrenamt" weder die Wörter "Ehre" noch "Amt" auf. Es heißt einfach "bénévolat" und bedeutet "mit gutem Gewissen tun" und schließt jegliche Aufwandsentschädigung aus. In der Politik, auch in der Lokalpolitik, werden die gewählten Funktionsträger einfach "les élus", also "die Gewählten" genannt. Diese Bezeichnung verträgt sich dann auch damit, wenn für solche Funktionen Aufwandsentschädigungen gewährt werden.
Die verbandliche Praxis zeigt, dass trotz aller bislang schon vorliegenden Positionen eine aktuelle (Er-)Klärung nottut. Diese soll Unklarheiten und Unsicherheiten beseitigen und den Verantwortlichen in den Diensten und Einrichtungen eine deutliche Orientierung geben. Ein entsprechendes Papier der Caritas ist in Vorbereitung.
Anmerkungen
1. Vgl. Deutscher Caritasverband: Ohne Ehrenamt keine Caritas. In: neue caritas Heft 17/2010, S. 40.
2. Ebd., S. 42.
3. Vgl. Ehrenamtliche Tätigkeit in der Caritas. Beschluss des Zentralrates vom 10. Mai 1995. In: caritas Heft 1, Dezember 1995, Unser Standpunkt Nr. 27.
4. Vgl. Klie, T.; Stemmer, P.; Wegener, M.: Untersuchung zur Monetarisierung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement in Baden-Württemberg. Freiburg, 2009.
5. In Anlehnung an Klie, T.; Stemmer, P.;
Wegener, M., a.a.O.
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