Ehrenamt - geschenkt, aber nicht umsonst
„Was nichts kostet … ist nichts wert.“ – Empirische Ergebnisse eines vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes widerlegen diese Aussage für drei konkrete Institutionen, in denen der Nutzen ehrenamtlicher Tätigkeit bewertet wurde.1 Dabei handelt es sich um eine Kirchengemeinde, in der das caritative Ehrenamt der Gemeindecaritas untersucht wurde, um ein Kreiskrankenhaus und dessen Kooperation mit den „Grünen Damen“ und um eine stationäre Einrichtung der Altenpflege.
Ein wichtiger Hinweis vorweg: In diesem Untersuchungsansatz werden Argumente unterschiedlicher Systeme zusammengebracht. Die eine Denkweise beschreibt den Wert der Ehrenamtlichkeit, des Engagements, der Liebe und Fürsorge. Die andere Denkweise ist die des Nutzens innerhalb der Betriebswirtschaft, der Abrechenbarkeit und des Geldes in einer marktwirtschaftlichen Logik. In der heutigen Gesellschaft sind beide Denkweisen notwendigerweise miteinander verbunden. So kann kein Unternehmen auf Dauer die Perspektive der Kund(inn)en außer Acht lassen, und ebenso kann auch keine caritative Organisation ohne betriebswirtschaftliche Grundlage existieren. Der Wert ehrenamtlicher Arbeit wird in dieser Untersuchung nicht monetär bemessen, wohl aber der Nutzen aus der wirtschaftlichen Perspektive der Institutionen.
In der allgemeinen Diskussion existiert kein einheitlicher Terminus für all die Tätigkeiten, die freiwillig, gemeinwohlorientiert und von Aufwandserstattungen abgesehen unentgeltlich erbracht werden. Ehrenamt, freiwilliger Dienst, bürgerschaftliches Engagement, Bürgerarbeit oder Selbsthilfe sind Begriffe, die alle etwas Ähnliches meinen.
In vielen Bereichen des öffentlichen und sozialen Lebens funktionieren Abläufe nur noch problemlos durch derartige unentgeltliche Leistungen. Beim Versuch, ihre Arbeit nachhaltig zu gestalten, stoßen Institutionen oft an ihre Grenzen. Einerseits müssen sie wirtschaftlich funktionieren, andererseits möchten sie dabei die Menschlichkeit bei ihrer Arbeit nicht vernachlässigen. Die Caritas ist aus religiösen Motiven bemüht, diese Aspekte im institutionellen Alltag umzusetzen. Ehramtliche und Hauptberufliche arbeiten in vielen Einrichtungen des Caritasverbandes Köln zusammen. Dadurch kann eine optimale Wirkbreite des Einsatzes für Menschen in Not möglich werden.
Ehrenamtliche übernehmen zusätzlich klar umrissene Aufgabenfelder. Ehrenamtliche Tätigkeit kann aber professionelle Arbeit nicht ersetzen. Sie darf keineswegs als Notlösung für fehlendes hauptberufliches Personal missverstanden werden. Andererseits ist ehrenamtliche Tätigkeit auch nicht durch professionelle Arbeit ersetzbar.2 Es werden Leistungen erbracht, die „der Markt“ nicht zu finanzieren bereit und in der Lage wäre. Die Beachtung, die ehrenamtliche Arbeit findet, ist unterschiedlich. Einerseits wird ihre Bedeutsamkeit stark betont, andererseits wird ihr Stellenwert in der Gesellschaft oft unterschätzt.
Ehrenamt ist nicht privat
Die ökonomische Bewertung unbezahlter Arbeit ist in der Öffentlichkeit umstritten. Eine kostenfreie Leistung wird im Alltag nicht hinterfragt. Aber ehrenamtliche Tätigkeit vollzieht sich nicht im privaten Raum, sondern ist gesellschaftlich eingebettet. Damit ehrenamtliche Arbeit in unserer Gesellschaft Bestand haben kann, braucht sie öffentliche und institutionelle Unterstützung, die nicht ohne Kosten erbracht werden kann. Erforderlich sind öffentliche Wertschätzung (in jeder Hinsicht) und die Anerkennung als gesellschaftlich notwendige Leistung. In diesem Zusammenhang steht die Frage nach dem Nutzen ehrenamtlicher Tätigkeit. Um diesbezüglich ein ganzheitliches Bild zu schaffen, bedarf es der Synthese sowohl von qualitativ weichen als auch von quantitativ harten Kennwerten. Dies fand bislang kaum Umsetzung. Verbreitet ist eher eine Entweder-oder-Betrachtung. Entweder wird der menschliche Aspekt in den Mittelpunkt gestellt und bewertet wird allein der qualitative Nutzen für alle Beteiligten, oder man quantifiziert ehrenamtliche Einsätze mit Methoden, welche mit einer erwerbswirtschaftlichen, auf Gewinn ausgerichteten Betrachtung identisch sind und die eigentliche Qualität ehrenamtlicher Tätigkeit unbeachtet lassen.
Es reicht nicht, zu wissen, man muss anwenden
Der Neuheitswert des vom Diözesan-Caritasverband in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes besteht in der Quantifizierung des Nutzens ehrenamtlicher Tätigkeit. Dieser Nutzen lässt sich eben nicht nur über die Stundenzahl errechnen, sondern orientiert sich zusätzlich an dem, was sich qualitativ in den Einrichtungen verbessert hat. Diese Bewertungsmethode ist ein Ansatz, der ganz bewusst qualitative Effekte der Tätigkeit Ehrenamtlicher in die Berechnung des Nutzens mit einfließen lässt. Basis sind die aus Sicht der jeweils Einschätzenden erreichten Veränderungen und Effekte, die auf die ehrenamtliche Tätigkeit zurückzuführen sind.
Ausgehend von diesem Grundverständnis wurden die entsprechenden Daten – die durch ehrenamtliche Tätigkeit erreichten Veränderungen, die Kosten, das aus der Nutzensmethode der Zahlungsbereitschaft ableitbare „Gehalt“ für Ehrenamtliche, der geschätzte Anteil der Ehrenamtlichen am Unternehmenserfolg, die Dauer der Effektwirkung je Nutzer(in) sowie deren Anzahl – ermittelt. Bei Kenntnis von Kosten und Nutzen lässt sich auf dieser Basis eine Rendite (Kosten-Nutzen-Verhältnis) herausfiltern. Diese basiert auf den explizit genannten Schätzungen und gibt „ein mathematisches Gefühl“ für den Wert der ehrenamtlichen Arbeit, der in einer marktwirtschaftlichen Logik eine Begründung dafür liefert, warum eine Investition in die Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Arbeit sinnvoll ist.
Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun
Die ermittelten Renditen (Nutzen nach Abzug der Kosten) in den Organisationen liegen zwischen null und einem vierstelligen Bereich. Zum Vergleich: in der Wirtschaft sind Renditen zwischen 0,1 und 15 üblich.3
Die Befunde geben Anstoß für Diskussion und zukünftige Handlungen, die allerdings nicht allein auf der Basis von Rendite-Zahlenwerten ausgetragen werden sollten. Nur wenn die Zahlen in Verbindung mit den dahinterstehenden Effekten interpretiert werden, machen sie auch praktisch Sinn.
Die Studie belegt eindrucksvoll, dass ehrenamtliche Tätigkeiten nicht nur den steigenden Kosten der sozialen Dienstleistungen entgegenwirken, sondern auch zur Belebung von Solidarität und Werten beitragen. Die Untersuchungen ergaben beispielsweise für das Wohnhaus: Ein in die Ehrenamtlichen der Organisation investierter Euro erbringt einen geschätzten Nutzen von etwa 50 Euro durch die zeitliche Entlastung des Personals. Außerdem wurden durch die Untersuchung auch weitere Effekte in Zahlen gefasst. Zum Beispiel kann das Erleben der Bewohner(innen), weiter in das Leben integriert zu sein, mit einem geschätzten Nutzen für die Organisation von 90 Euro angegeben werden. Das intensive Erleben persönlichen Kontaktes mit den Ehrenamtlichen ergibt einen geschätzten Nutzen von 40 Euro.4
Ehrenamtliche stellen eine Verbindung zwischen Fachlichkeit und Menschlichkeit, Spezialwissen und Alltagserfahrung her. Versteht man erst die große Bedeutung, die das Zusammenwirken der verschiedenen Dienstleistungsweisen für die Qualität der Arbeit einer Organisation hat, dann ist der Gedanke einleuchtend, in notwendige Rahmenbedingungen zu investieren.
Ehrenamtliches, wie berufliches Handeln auch, benötigt einen institutionellen Rahmen, in dem die Einzelnen sinnvoll kooperieren und ihre Ziele verwirklichen können. Sowohl die Ehrenamtlichen selbst wie auch die Organisation müssen Klarheit über zeitliche und inhaltliche Engagementmöglichkeiten gewinnen. Aufgabenprofile sind hilfreich. Sie entlasten die Engagierten und geben den Beruflichen eine Vorstellung davon, was sie erwarten können. Eine Aufgabenabgrenzung bei gleichzeitig bestmöglicher Integration der ehrenamtlich Tätigen in die Alltagsstrukturen der Organisation sollte angestrebt werden. Eine Kommunikation zwischen ehrenamtlich Tätigen und Hauptamtlichen, die von der Leitung der Organisation unterstützt wird, ist erforderlich. Die Herausforderung besteht in der Klärung wechselseitiger Erwartungen. Darin liegt die Chance, sich gegenseitig zu unterstützen und den Nutzen für die Nutzer(innen) und das Image der Organisationen zu erhöhen.
Anmerkungen
1. Fritz, Sigrun; Pietrzyk, Ulrike; Möltgen, Thomas: Welchen Nutzen bringt ehrenamtliche Tätigkeit? In: Möltgen, Th. (Hrsg.): Wert und Nutzen ehrenamtlichen Engagements. Reader zur Caritas-Sommeruniversität Ehrenamt 2009, Köln : Kevelaer, in Druck, 2010.
2. Fritz, Sigrun; Pietrzyk, Ulrike: Untersuchung zum Nutzenspotenzial ehrenamtlicher Tätigkeit in der Pflege – mit weiterführenden Fragen zur Abgrenzung hauptamtlicher und ehrenamtlicher Tätigkeit. In: Pflege & Gesellschaft. Zeitschrift für Pflegewissenschaft. Juventa Verlag, in Druck, 2010.
3. Weber, Manfred: Kennzahlen : Unternehmen mit Erfolg führen. 2. Aufl., Planegg: WRS-Verlag, 2001.
4. Siehe weiter dazu Fritz, Sigrun; Pietrzyk, Ulrike; Möltgen, Thomas: Welchen Nutzen bringt ehrenamtliche Tätigkeit?, a.a.O.