Die Arbeitszufriedenheit in der Pflege fällt nicht vom Himmel
Meine Masterarbeit "Analyse der Arbeits- und Lebenszufriedenheit von teilzeit- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und die personalwirtschaftlichen Konsequenzen für Unternehmen" hatte ihren Schwerpunkt in der Auswertung von 200 Fragebögen. Beschäftigte in der ambulanten und stationären Pflege hatten sie anonym ausgefüllt. Die Umfrageergebnisse wurden nach vier Kategorien ausgewertet: stationärer Einsatz in Voll- oder in Teilzeit sowie ambulanter Einsatz, ebenfalls nach Voll- oder Teilzeitbeschäftigung aufgeschlüsselt.
Die Auswertung ergab, dass die größte Arbeitsunzufriedenheit (über 71 Prozent) im teilzeit-ambulanten Bereich liegt, gefolgt von mehr als 65 Prozent im vollzeit-stationären Bereich. Die Ursachen liegen in den Rahmenbedingungen dieser beiden Bereiche: Tägliche Schichtarbeit mit vielen Überstunden, keine Pausen zum Erholen, hoher körperlicher und zeitlicher Einsatz, keine leistungsgerechte Entlohnung, befristete Verträge, Personalmangel und keine Aussicht auf Beförderung sind verantwortlich für die hohe Unzufriedenheit der Mitarbeitenden.
Hinsichtlich der Lebenszufriedenheit ergab die Umfrage: Die größte Unzufriedenheit befindet sich hier mit mehr als 82?Prozent im vollzeit-stationären Bereich, mit Abstand gefolgt von mehr als 57 Prozent der teilzeit-ambulant beschäftigten Befragten. Die hohe Arbeitsunzufriedenheit der "vollzeit-stationären Arbeitnehmer" hat großen negativen Einfluss auf deren Lebenszufriedenheit. Im teilzeit-ambulanten Bereich ist der Einfluss geringer, aber trotzdem noch als recht hoch anzusehen.
Die Ergebnisse meiner Umfrage zeigen deutlich, wo der dringende Handlungsbedarf für Unternehmen im Pflegebereich liegt. Zu den notwendigen arbeitsbedingten Maßnahmen gehören:
- Einhaltung von Dienst- und Pausenzeiten;
- massive Einschränkung der Überstunden;
- ausreichende Erholungszeiten;
- der Leistung angemessene Bezahlung;
- Einschränkung der Schichtarbeitszeit;
- Schicht- und Nachtarbeit nur durch Stammpersonal;
- Fortbildungen;
- Vermeidung von Zeittakten;
- rechtzeitige Dienstplanerstellung (mindestens vier Wochen im?Voraus);
- keine Woche mit sieben Arbeitstagen;
- Vermeidung von Vertragsbefristungen.
Diese dringend nötigen Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen wurden von allen Voll- und Teilzeitmitarbeiter(inne)n im ambulanten wie auch im stationären Bereich immer wieder genannt. Aber diese Maßnahmen alleine reichen nicht aus, um dauerhaft gesundes und motiviertes Pflegepersonal zu erhalten. Vielmehr sind weitreichende unternehmerische Maßnahmen erforderlich:
- Arbeitsplatzanalysen;
- körperliche Risiken der Pflegeberufe ernst nehmen;
- ganzheitliches betriebliches Gesundheitsmanagement mit Prävention;
- ergonomische Arbeitsplatzgestaltung;
- effektiver Einsatz technischer Hilfen für das Heben von Pflegebedürftigen;
- altersgerechte Verteilung der Aufgaben und Arbeitszeiten;
- ausreichend Personal einstellen.
Die Politik muss ihren Part leisten
Die Pflegeunternehmen können durch solche vielschichtigen Maßnahmen dazu beitragen, die Arbeits- und Lebenszufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern. Ihre Möglichkeiten haben jedoch Grenzen, denn von den Unternehmen allein nicht zu verändern sind die finanziellen, systematischen und politischen Rahmenbedingungen der Pflegebranche. Die Herausforderungen der Zukunft sind bislang weitgehend ungelöst. Es wäre sehr bedauerlich, wenn einst Pflegeunternehmen mit ausreichend Personal und guten Rahmenbedingungen nur für diejenigen Bürger agierten, die sich die zwangsweise notwendige Kostenüberwälzung leisten können, während der größte Teil der Bevölkerung mit "Pflege von der Stange", schlechtem Personalschlüssel und hoch belasteten Pflegekräften zurechtkommen müsste.
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