Ein Blick in die Krankenhauslandschaft 2030
Um einen nachhaltigen Erfolg von Krankenhausfinanzierungen zu gewährleisten, beobachtet die Bank für Sozialwirtschaft AG fortlaufend die Entwicklungen im Krankenhaussektor und in den vor- und nachgelagerten Leistungsbereichen. In dem im Mai publizierten BFS-Marktreport Krankenhaus 2014 werden die bisherigen und künftig zu erwartenden strukturellen Veränderungen der Krankenhausversorgung sowie deren wesentliche Einflussfaktoren analysiert. Darauf aufbauend wird ein Szenario zur Krankenhausversorgungsstruktur im Jahr 2030 entworfen und werden Voraussetzungen genannt, die Krankenhausunternehmen erfüllen müssen, um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen.
Bisherige Entwicklungen in der Krankenhausbranche
Im analysierten Zeitraum von 2002 bis 2012 hat sich die Zahl der Krankenhäuser von 2221 auf 2017 und der Betten von 547.000 auf 501.000 verringert. Die Dynamik des Ausdünnungsprozesses hat sich in den vergangenen Jahren jedoch abgeschwächt. Dennoch werden mehr Fälle behandelt und die Fallschwere hat sich erhöht. Weitere signifikante Entwicklungen sind, dass Krankenhäuser zunehmend an der ambulanten medizinischen Versorgung beteiligt und die Beschäftigten im pflegerischen Dienst immer mehr belastet sind. Marktanteile werden von der öffentlichen zur privaten Trägerschaft verlagert und die Zahl der Krankenhausträgergesellschaften sinkt. Die Unternehmenskonzentration ist neben Privatisierungen vor allem durch Übernahmen innerhalb der Gruppe freigemeinnütziger Krankenhausträger begründet. Dabei haben sich einige große konfessionelle Krankenhauskonzerne herausgebildet. Durch die negative Kosten-Erlös-Schere hat sich die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser nach einer Verbesserung im Zeitraum von 2008 bis 2010 in den Folgejahren wieder merklich verschlechtert.
Einflussfaktoren der Krankenhausversorgungsstruktur
Aus heutiger Sicht lassen sich wesentliche Einflussfaktoren benennen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig zu strukturellen Veränderungen der Gesundheitsversorgung führen werden. So wird sich der Bedarf an medizinischen Leistungen insgesamt erhöhen, vor allem durch eine steigende Zahl älterer, multimorbider und chronisch kranker Menschen. Der Bedarf wird sich jedoch auf regionaler Ebene deutlich unterschiedlich entwickeln. Zudem wird der medizinisch-technische Fortschritt weitere und auch schonendere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten eröffnen. Bei Krankenhausleistungen im Bereich geplanter Behandlungen werden die Patient(inn)en mit zunehmender Transparenz sich noch stärker an der Leistungsqualität orientieren. Zugleich wird sich der bestehende Fachkräftemangel regional unterschiedlich verschärfen.
Um eine flächendeckend bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen, werden die zuständigen Landesbehörden den Konzentrations- und Spezialisierungsprozess beobachten und diesen gegebenenfalls steuern. Unabhängig davon, wie die Investitionsförderung in Form leistungsorientierter Pauschalen ausgestaltet ist, muss damit gerechnet werden, dass durch die Schuldenbremse das künftig bereitgestellte Fördermittelvolumen sinken wird. Dementsprechend wird sich der Eigen- und Fremdfinanzierungsbedarf der Krankenhausunternehmen weiter erhöhen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass das leistungsbezogene und pauschalierende Vergütungssystem schrittweise weiterentwickelt wird, insbesondere um Leistungen der Grund- und Notfallversorgung besser abbilden zu können. Dabei kann die Einführung qualitätsbezogener Vergütungselemente nicht ausgeschlossen werden. Erwartet wird, dass versorgungsnotwendige Krankenhäuser im Bedarfsfall durch gesonderte Maßnahmen nach bestimmten Kriterien finanziell unterstützt werden.
Die Möglichkeiten der Krankenhäuser, an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilzunehmen, wird sehr wahrscheinlich weiter verbessert. Hinsichtlich der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Fusionskontrolle sind für die Krankenhausbranche keine wesentlichen Änderungen zu erwarten. Im Wettbewerb um Patient(inn)en und Fachkräfte werden mit zunehmender Transparenz die Leistungs- und Betreuungsqualität sowie die Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten an Bedeutung gewinnen.
Angesichts dieser Entwicklungen erfordert die Sicherung der Zukunftsfähigkeit von den Krankenhausunternehmen, die Effizienz weiter zu steigern, das Leistungsvolumen zu stabilisieren, weitere Ertragsbereiche zu erschließen sowie das erforderliche Personal zu gewinnen und zu binden. Zielführende strategische und operative Maßnahmen sind vor allem realisierbar mittels Konzernbildung und einer Diversifikation des Leistungsspektrums beziehungsweise durch sektorenübergreifende Kooperation in regionalen Versorgungsnetzen. Dabei haben vor allem Krankenhausunternehmen das Potenzial, regionale sektorenübergreifende Versorgungsnetze umzusetzen und zu managen. Vermehrte telemedizinische Anwendungen mit entsprechenden Vergütungsregelungen unterstützen die Vernetzung der Akteure. (Abb.1)
Szenario "Krankenhausversorgungsstruktur 2030"
Aus den genannten Rahmenbedingungen lassen sich künftige Entwicklungstrends ableiten, die zur skizzierten Krankenhausversorgungsstruktur im Jahr 2030 führen werden:
- Sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler und nationaler Ebene sind die Krankenhäuser überwiegend in Konzernstrukturen organisiert.
- Zudem sind solitäre Fachkliniken als Nischenanbieter spezifischer Leistungen ein Teil der Versorgungsstruktur. An einigen Standorten wurden Einrichtungen geschlossen.
- Unter der deutlich geringeren Anzahl von Trägergesellschaften befinden sich auch international aufgestellte Gesundheitskonzerne und Medizintechnikhersteller.
- Eine signifikante Zahl ehemals öffentlicher Häuser ist in private Klinikkonzerne integriert. Die privaten Träger verzeichnen einen entsprechend höheren Anteil an Krankenhausbetten.
- Gleichwohl sind die öffentlichen Träger gewichtige Akteure im Krankenhausmarkt. Unter deren Einrichtungen befinden sich neben Universitätskliniken vor allem Häuser der Schwerpunkt- und Maximalversorgung sowie große regionale Krankenhauskonzerne, aber auch psychiatrische Fachkliniken und vereinzelt kleine versorgungsnotwendige Krankenhäuser.
- Der Marktanteil freigemeinnütziger Träger hat sich im Vergleich zum Jahr 2014 leicht verringert.
- Vor allem innerhalb lokaler Krankenhauskonzerne ist das Leistungsspektrum der Kliniken stärker spezialisiert.
- Die Krankenhäuser sind in regional individuell gestaltete Versorgungsnetze eingebunden, in denen sie sektorenübergreifend mit anderen Leistungserbringern intensiv kooperieren.
- Die Versorgung insbesondere von chronisch kranken Menschen wird durch ein professionelles Netzwerk- und Case-Management auf der Basis telemedizinischer Anwendungen gesteuert.
- Dieses Versorgungsmanagement wird zum Teil von spezialisierten Dienstleistern erbracht, aber auch von Krankenhäusern, die sich in einem Versorgungsnetz als Nukleus positioniert haben. Darunter gibt es Krankenhäuser, die sich zu Gesundheitsversorgern mit einem lokal diversifizierten Leistungsspektrum unter anderem mit ambulanten medizinischen Leistungen sowie Rehabilitations- und Pflegeleistungen entwickelt haben. Damit decken sie in einigen Regionen in einer monopolnahen Position einen breiten Bereich der Gesundheitsversorgung ab. (S. Abb.2)
Konsequenzen für Leistungserbringer und Träger
Die zukunftsorientierte Ausrichtung des Geschäftsmodells ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine nachhaltige Positionierung in der Versorgungsstruktur. Dabei haben die Leistungserbringer und Einrichtungsträger insbesondere folgende Herausforderungen zu bewältigen:
- Eine erfolgreiche Konzern- und Verbundbildung sowie eine nachhaltig erfolgreiche sektorenübergreifende Kooperation erfordern gemeinsam formulierte Ziele und Strategien. Dabei sind die oft unterschiedlichen Erwartungen und Motivationen des Einrichtungsmanagements und der Entscheidungsorgane der Trägergesellschaften in Einklang zu bringen. Bei Fusionen müssen zudem die unterschiedlichen Managementphilosophien und Unternehmenskulturen zusammengeführt sowie die Organstrukturen angepasst werden. Für konfessionelle Anbieter ist dies wichtig, um über ihre historisch gewachsenen regionalen Verbandsstrukturen hinaus auch das Potenzial trägerübergreifender Kooperationen zu erschließen.
- Mit zunehmender Transparenz ist es im Wettbewerb wichtig, dass eine hohe Leistungs- und Betreuungsqualität nachhaltig sichergestellt wird. Hinsichtlich der Erbringung medizinischer und pflegerischer Leistungen unter ökonomischen Restriktionen müssen ethische Fragen beantwortet und die direkt erfahrbare Werteorientierung für die Patient(inn)en professionell umgesetzt werden. Dabei können vor allem die konfessionellen Krankenhäuser ihren originären Wettbewerbsvorteil nutzen.
- Um Maßnahmen wie beispielsweise ein effektives Qualitäts- und Risikomanagement oder eine Prozessoptimierung erfolgreich zu realisieren, ist es erforderlich, bei allen am Leistungsprozess beteiligten Mitarbeiter(inne)n Verständnis dafür zu schaffen und sie durch Wertschätzung zur Umsetzung der entsprechenden Vorgaben zu motivieren.
- Um die erforderlichen Fachkräfte im ärztlichen und pflegerischen Bereich zu gewinnen, müssen neben angemessenen Gehältern und Sozialleistungen attraktive Arbeitsbedingungen sowie umfassende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bestehen und diese effektiv kommuniziert werden.
- Für den Zugang zum Kreditmarkt ist neben einer guten Bonität und angemessenen Sicherheiten vor allem eine plausibel dargelegte Kapitaldienstfähigkeit unabdingbar. Eine Herausforderung dabei ist, dass die Höhe der während des Finanzierungszeitraums bereitgestellten leistungsbezogenen Investitionspauschalen nicht garantiert ist und diese deshalb nicht zur Kreditbesicherung herangezogen werden können. Für die Generierung von Kapitalmarktmitteln sind darüber hinaus insbesondere das erforderliche Finanzierungsvolumen, eine professionelle Finanzkommunikation und die Rechtsform des Krankenhauses von Bedeutung. Dabei ist es für konfessionelle Träger wichtig, dass die genutzten Finanzinstrumente mit dem Unternehmensstatus der Gemeinnützigkeit vereinbar sind.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen rechtzeitig getroffen und umgesetzt werden. Erforderlich dafür sind kompetente und handlungsfähige Organstrukturen sowohl auf der Management- wie auf der Aufsichtsgremienebene sowie eine offene Kommunikation mit der Bank.
Anmerkung
Der circa 110-seitige BFS-Marktreport Krankenhaus 2014: Krankenhausversorgungsstruktur 2030 kann zum Preis von 49 Euro (inkl. MwSt. und Versandkosten) per E-Mail bestellt werden bei: kommunikation-research@sozialbank.de
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