Vertrauliche Geburt und verbindliche Regelungen
Babyklappen und andere Formen anonymer Kinderabgaben gibt es in Deutschland bereits seit über zehn Jahren, aber die kontroverse Diskussion darüber reißt nicht ab. Der Bedarf an Austausch ist zurzeit besonders groß, da auf bundespolitischer Ebene gerade an einem Gesetzesentwurf gearbeitet wird. Aus diesem Grund hatten das Berliner Büro des Deutschen Caritasverbandes (DCV) und die Katholische Akademie in Berlin am 26. Juni zum Fachforum "Soziale Fragen" eingeladen. Auf dem Podium diskutierten die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ingrid Fischbach (CDU), Regine Hölscher-Mulzer vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), Michael Abou-Dakn, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, sowie Monika Bradna, wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut (DJI).
Alle Expert(inn)en mahnten an, endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Denn bisher können Ärzte und Hebammen strafrechtlich belangt werden: Nach dem Personenstandsgesetz sind alle Personen, die von einer Geburt wissen oder an einer Geburt beteiligt sind, verpflichtet, diese dem Standesamt zu melden.
Darüber hinaus fehlen rechtliche Regelungen über Standards für das Betreiben von Babyklappen. Zu diesem Ergebnis kommt die 2011 veröffentlichte DJI-Studie "Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland". Zum einen sind weder Meldung beim Jugendamt noch Unterbringung und Vormundschaft geregelt; zum anderen fehlen verbindliche Qualitäts- und Dokumentationsstandards. Zudem sind viele Träger von Babyklappen auch im Bereich der Adoptionsvermittlung tätig, was zu Interessenkonflikten führen kann. Alle Teilnehmer(innen) der Diskussion forderten, dass die beiden Bereiche sauber getrennt werden müssen und sprachen sich für klar definierte Standards aus. Gefordert wurden auch die Einrichtung eines bundesweiten und trägerunabhängigen Beratungsangebots, wie etwa einer kostenfreien Telefonhotline sowie ein informativer Internetauftritt. Dieses müsse öffentlichkeitswirksam beworben und bekanntgemacht werden.
Frauen aus allen Bevölkerungsschichten betroffen
Wie wichtig ein qualitativ hochwertiges Beratungsangebot ist, verdeutlichten Regine Hölscher-Mulzer vom SkF, der Träger von Babyklappeneinrichtungen ist, und die DJI-Studie: Zwei Drittel der abgebenden Frauen sind nach einer Beratung bereit, innerhalb der ersten Tage die Anonymität dem Kind gegenüber aufzugeben. Hölscher-Mulzer wies darauf hin, dass die abgebenden Frauen aus allen Bevölkerungsschichten stammen und ihre Not sehr komplex sei. Es sei zweifelhaft, ob sie vor der Geburt überhaupt durch eine Beratungsstelle erreicht werden könnten. Daraus abgeleitet plädierten vor allem Trägervertreter aus dem Publikum für die Beibehaltung der Klappen als Ultima Ratio. Fischbach möchte die Babyklappen für einen Zeitraum von acht Jahren evaluierend weiterführen - wenn nur ein Kinderleben durch eine Babyklappe gerettet
werde, hätten die Babyklappen ihre Berechtigung. Der Gynäkologe Abou-Dakn hält diese Argumentation für verfehlt: Die Psychodynamik, die zum Töten eines Kindes führe, sei nicht vergleichbar mit der psychischen Situation von Frauen, die ihr Kind in einer Babyklappe abgeben.
Die bisherigen Eckpunkte für den Gesetzesentwurf sehen die Abschaffung der anonymen Geburt vor - Kinder haben das Recht zu wissen, wer die Eltern sind. Stattdessen wäre laut Fischbach das Modell einer vertraulichen Geburt denkbar. Das heisst: Die Mutter muss ihre Daten an einer vertraulichen Stelle versiegelt hinterlegen. Diese bleiben innerhalb einer bestimmten Frist unter Verschluss; denkbar wäre ein Zeitraum zwischen acht Wochen und dem Abschluss des Adoptionsverfahrens. Im Alter von 16 Jahren haben die Kinder dann das Recht, die Daten einzusehen. Der DCV und der SkF begrüßen das Vorhaben der Regierung, Formen der vertraulichen Geburt zu regeln. Für Hölscher-Mulzer vom SkF ist es allerdings fraglich, ob die Frauen in der kurzen Frist so erreicht werden können, dass sie einer Offenlegung ihrer Daten zustimmen. Deswegen sollen die Erfahrungen der Träger und Beratungsstellen bei der Festlegung der Frist miteinbezogen werden.