Rechtlich betrachtet: soziale Netzwerke am Arbeitsplatz
Social Media wie Facebook, Google+ oder Xing sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken: Facebook wird inzwischen für bedeutender gehalten als der Internet-Gigant Google.1 Fast drei Viertel der Internetnutzer sind in sozialen Netzwerken aktiv, in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen trifft dies sogar für 85 Prozent der Nutzer zu. Etwa die Hälfte verbringt bis zu zwei Stunden täglich in ihrem Netzwerk, elf Prozent sogar mehr als zwei Stunden pro Tag. Drei von zehn Nutzern greifen auf ihre Netzwerke auch vom Arbeitsplatz aus zu.2
Unternehmen, Verbänden und sonstigen Organisationen bieten Soziale Netzwerke eine inzwischen standardmäßig genutzte Plattform, um mit ihren Zielgruppen zu kommunizieren und zu interagieren.
Allerdings kann die Nutzung von sozialen Netzwerken durch Mitarbeiter(innen) auch Gefahren für Arbeitgeber mit sich bringen, wie etwa die Preisgabe vertraulicher Informationen über das Unternehmen oder Reputationsschäden. Neueren Studien in mehreren europäischen Ländern zufolge verbieten daher fast 30 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern, soziale Netzwerke zu nutzen.3
Solche drastischen Maßnahmen sind in der Regel nicht erforderlich. Allerdings empfiehlt es sich, als Arbeitgeber frühzeitig Regeln für den Umgang der Mitarbeitenden mit Social Media aufzustellen.
Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer
Rechtlich gesehen berührt die Nutzung von sozialen Netzwerken verschiedene Bereiche des Arbeitsverhältnisses:
Nutzung sozialer Netzwerke auf Veranlassung des Arbeitgebers
Ein generelles Recht des Arbeitgebers, von seinen Mitarbeiter(inne)n die Anmeldung bei Facebook oder Xing zu verlangen, existiert nicht.4 Werden diese Medien aber in dienstlichem Zusammenhang auf Veranlassung des Arbeitgebers genutzt, etwa für Marketingzwecke, steht dem Arbeitgeber - wie stets bei der Erbringung der Arbeitsleistung - ein Weisungsrecht hinsichtlich Leistung und Verhalten des Mitarbeiters im Betrieb zu (§ 106 Gewerbeordnung).
Privatnutzung durch den Mitarbeiter außerhalb des Betriebes
Nutzt der Mitarbeiter die Social Media privat, ist dieser Bereich den Weisungen des Arbeitgebers grundsätzlich entzogen. Außerdienstliches Verhalten des Mitarbeiters unterliegt allenfalls dann dem Einfluss des Arbeitgebers, wenn es sich auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.5 Dies wird bei Führungskräften eher der Fall sein als bei einfachen Angestellten.
Social Media und Arbeitszeit
So wie der Arbeitgeber insgesamt über die Nutzung des Internets entscheidet, so auch darüber, ob der private Gebrauch von Social Media während der Arbeitszeit zulässig ist. Wird die Privatnutzung gestattet, kann der Arbeitgeber auch Vorgaben etwa hinsichtlich der einzuhaltenden zeitlichen Grenzen machen. Beachtet der Mitarbeitende diese Grenzen nicht, verstößt er gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Die Folge kann eine Abmahnung, in gewichtigen Fällen auch die Kündigung sein.6 Auch wenn der Arbeitgeber keine festen Nutzungsgrenzen vorgegeben hat, ist eine exzessive Nutzung sozialer Medien während der Arbeitszeit jedenfalls dann als Pflichtverletzung anzusehen, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung nicht mehr anforderungsgemäß erbringen kann.7 Die Praxis hat hier Maßstäbe zur Internetnutzung als solcher entwickelt, nach denen eine exzessive Nutzung jedenfalls bei über einer Stunde je Arbeitstag in einem Monat bejaht, bei 4,25 Stunden in einem Monat dagegen abgelehnt wurde.8
Geheimnisverrat/Datenschutz
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers darf der Mitarbeitende auch nicht in sozialen Medien preisgeben. Gleiches gilt für personenbezogene Daten, die nach § 5 Bundesdatenschutzgesetz geschützt sind. Verstöße sind auch hier eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, der mit Abmahnung oder Kündigung begegnet werden kann. Diese Pflichten gelten auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fort.
Unternehmensschädigende Äußerungen
Dem Mitarbeitenden ist es schließlich untersagt, den Ruf seines Arbeitgebers in der Öffentlichkeit durch Schmähkritik oder Beleidigungen herabzusetzen. Der Mitarbeiter hat alle Äußerungen zu unterlassen, die einem berechtigten Interesse des Unternehmens zuwiderlaufen, sofern die Meinungsäußerungsfreiheit dadurch nicht unangemessen eingeschränkt wird.9
Beispiele arbeitsrechtlicher Rechtsprechung
Auch die Arbeitsgerichte hatten mittlerweile vereinzelt Gelegenheit, sich mit den Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf das Arbeitsverhältnis zu beschäftigen.
- Nach einer verhaltensbedingten Kündigung hatte der betroffene Mitarbeiter unter anderem über Facebook seinem Arbeitgeber vorgeworfen, sich unrechtmäßig verhalten zu haben und zu versuchen, "Mitarbeiter hinauszuekeln". Für das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz waren diese Äußerungen als Beleg dafür ausreichend, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten sei. Es hat daher einem Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung stattgegeben.10
- Mit einem Vergleich endete das Verfahren um die außerordentliche Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf11, das sich in dieser oder ähnlichen Konstellationen bereits zu einem Klassiker vor deutschen Arbeitsgerichten entwickelt hat. Die Mitarbeiterin hatte bei Facebook den Eintrag "Ab zum Arzt und dann Koffer packen!" eingestellt und dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht. Ausweislich der später bei Facebook veröffentlichten Fotos war sie anschließend auch tatsächlich in den Urlaub gefahren, hatte sich tätowieren lassen und eine Diskothek in Düsseldorf besucht. Das Gericht hatte geäußert, die Wirksamkeit der Kündigung sei wahrscheinlich.
Haftungsrisiken für den Arbeitgeber
Für die rechtswidrige Nutzung sozialer Netzwerke, insbesondere unter Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, Datenschutzbestimmungen oder Urheber- und Wettbewerbsrecht haftet gegebenenfalls auch der Arbeitgeber.12 Gefahr droht schon, wenn Hyperlinks auf ein Privatfoto auf einer anderen Internetseite gesetzt werden.13 Nutzt ein Mitarbeitender für derartige Vorgänge den Dienstcomputer, führt die IP-Adresse direkt zum Arbeitgeber und setzt diesen möglichen Schadensersatzklagen sowie gegebenenfalls Reputationsschäden aus.14 Verstöße gegen Urheberrechte können dabei sogar eine Strafbarkeit begründen, in jedem Fall aber Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche. Etwa wegen unlauteren Wettbewerbs, wenn der Mitarbeitende mit dem Namen des Arbeitgebers in Netzwerken kommerzielle Werbung macht oder dessen Produkte mit denen der Konkurrenz über die erlaubten Grenzen hinweg vergleicht. Jedenfalls, wenn der Arbeitgeber von dem Verhalten weiß und es über eine gewisse Zeit toleriert, können sich derartige Ansprüche auch gegen den Arbeitgeber richten.15
Mitbestimmung des Betriebsrats
Untersagt ein Arbeitgeber die Privatnutzung des Internets und/oder sozialer Netzwerke vollständig, ist diese Entscheidung mitbestimmungsfrei. Soll die Privatnutzung hingegen - in bestimmten Grenzen - gestattet werden, steht dem Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht zu (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz).16
Allerdings unterliegen nicht sämtliche Regelungen einer Social-Media-Richtlinie dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats; meist besteht eine solche Richtlinie vielmehr aus mitbestimmungspflichtigen (Regeln über das Zusammenwirken der Mitarbeiter) und mitbestimmungsfreien Inhalten (konkrete Arbeitsvorgaben; allgemeine ethisch-moralische Programmsätze).17
Social-Media-Richtlinien
Die Praxis rät Arbeitgebern mittlerweile durchgehend, ihren Mitarbeiter(inne)n Leitlinien zum Umgang mit sozialen Netzwerken in Form von Social-Media-Richtlinien an die Hand zu geben. Deren Inhalt sollte klar und übersichtlich die wichtigsten Aspekte des Umgangs mit den sozialen Netzwerken darstellen (s. auch Social Media Guidelines des DCV, neue caritas Heft 1/2012, S. 35 ff.):
- Dürfen Mitarbeitende soziale Netzwerke während der Arbeitszeit privat nutzen; wenn ja, wann und in welchem Umfang?
- Mitarbeitende müssen im Umgang mit sozialen Netzwerken sämtliche relevanten gesetzlichen Bestimmungen wie Urheberrecht, Datenschutz, Diskriminierungsschutz einhalten. Hier empfiehlt es sich, genauere Erläuterungen und Beispiele zu geben, was noch gestattet, was gesetzeswidrig sein kann.
- Weitere Hinweise zum gewünschten Ton öffentlicher Äußerungen/Netiquette.
- Der Mitarbeitende hat private Meinungen auch als solche zu kennzeichnen und darf sich ohne Abstimmung nicht im Namen des Unternehmens äußern.
- Dem Mitarbeitenden ist es untersagt, betriebliche Interna weiterzugeben. Bei Äußerungen über das Unternehmen in sozialen Netzwerken hat er seine Loyalitätspflicht zu wahren.
- Bei der Darstellung des Unternehmens selbst (Name, Gegenstand) hat der Mitarbeitende wahre Angaben zu machen beziehungsweise falsche Angaben zu korrigieren.18
- Ausdrücklicher Hinweis auf arbeitsrechtliche Sanktionen bei Verstößen.
- Appell an die Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
- Nennung eines sachkundigen Ansprechpartners auf Arbeitgeberseite für Fragen.
Fazit: Die Nutzung von sozialen Netzwerken bietet Arbeitgebern viele Chancen. Die damit verbundenen Risiken können durch frühzeitige Aufklärung und die aktive Regelung bestimmter Fragen erheblich reduziert werden.
Anmerkungen
1. Social Media Deutschland: "The winner takes it all". PwC-Studie, 2/2012.
2. Soziale Netzwerke, 2., erweiterte Studie der Bitkom, 12/2011.
3. Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP), Kurzumfrage "Social Media am Arbeitsplatz", 2012, www.dgfp.de/presse/dgfp-kurzumfrage-social-media-am-arbeitsplatz-3602
4. Oberwetter, C.: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2011, S. 417; Gabriel, U.; Cornels, J.: MultiMedia und Recht (MMR) Aktuell 2011, Beck-online: 316759 .
5. Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07, NJW 2008, S. 3731.
6. BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 - 2AZR 200/06, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 2007, S. 922 ff.; Bissels, A.; Lützeler, M.; Wisskirchen, G.: Betriebs-Berater (BB) 2010, S. 2434.
7. Frings, A.; Wahlers, U.: BB 2011, S. 3126.
8. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005, 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98; BAG, Urteil vom 27. April 2006, 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977; Beckschulze, M.: Der Betrieb, 2009, 2097, 2099.
9. Reichold, H.: in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 49 Rdnr. 17.
10. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Oktober 2011, 9 Sa 110/11.
11. Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. August 2011, 7 Ca 2591/11.
12. Lützeler, M.; Bissels, A.: ArbRAktuell 2011, S. 499.
13. Oberlandesgericht München, Urteil vom 26. Juni 2007, 18 U 2067/07; MMR 2007, S. 659.
14. Lelley, J.T.; Fuchs, O.: Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2010, S. 147.
15. Lützeler, M.; Bissels, A.: ArbRAktuell 2011, S. 499.
16. Statt vieler Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2012, § 87 Betriebsverfassungsgericht Rn. 19.
17. Domke, C.: HR-Szene Newsletter 04/2011, S. 3.
18. Gabriel, U.; Cornels, J.: MMR-Aktuell 2011, Beck-online: 316759.