Das bewerten, was beim Bewohner ankommt
Für Bewohner in stationären Altenhilfeeinrichtungen hat Qualität eine hohe Bedeutung. Aufgrund dieser Wichtigkeit initiierte der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln (DiCV Köln) schon in den letzten Jahren erfolgreich mehrere Projekte, die zur Qualität der Versorgung in der Altenhilfe beigetragen haben. Um die Qualität in den Einrichtungen auf einem hohen Niveau zu halten und die Lebensqualität der Bewohner(innen) zu sichern, finanziert der DiCV Köln vom 1. Januar 2012 bis 31. Juli 2013 in Kooperation mit dem Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) das Projekt "Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe" ("Eqisa").1 Seit Januar beteiligen sich daran 37 unterschiedlich große Pflegeeinrichtungen mit unterschiedlichen Versorgungskonzepten von 21 Trägern, in denen mehr als 3700 Bewohner(innen) versorgt werden. Weniger als 50 Bewohner(innen) leben in der kleinsten Einrichtung und in der größten mehr als 300. In den Projekteinrichtungen wird Pflegequalität durch Ergebnisindikatoren in Kennzahlen gemessen und verglichen, mit dem Ziel, diese nachhaltig zu verbessern.
Ausschlaggebend für das Modellprojekt "Eqisa" ist unter anderem die Kritik, dass die vorherrschenden Qualitätsprüfungen die Wirksamkeit von Pflege und Betreuung, die sogenannte Ergebnisqualität, nicht oder nur ungenügend abbilden. (Pflegenoten, die der Medizinische Dienst der Krankenversicherung vergibt).
Im Projekt wird unter Einbezug der Nutzerperspektive das interne Qualitätsmanagement gestärkt und mit externer Qualitätsbeurteilung verbunden, wie es auch im § 113 SGB XI2 vorgesehen ist. Der DiCV Köln setzt mit seinem Projekt schon jetzt Neuerungen des Pflege-Neuausrichtungsgesetztes (PNG) um: "Ein indikatorengestütztes Verfahren zur vergleichenden Messung und Darstellung von Ergebnisqualität im stationären Bereich ermöglicht auf der Grundlage einer strukturierten Datenerhebung im Rahmen des internen Qualitätsmanagements eine Qualitätsberichterstattung und die externe Qualitätsprüfung"3. Damit wird auch ein Paradigmenwechsel für evidenzbasierte Pflegequalität eingeleitet. Ein solches Verfahren bedarf der strukturierten und systematischen Vorbereitung in den Pflegeeinrichtungen.
Die Struktur des Projekts
Grundlegende Anforderungen und verbindliche Absprachen zum Projekt sind Bestandteil einer Verpflichtungserklärung. Voraussetzung ist, dass Inhalte des Projektes in den Projekteinrichtungen transparent kommuniziert und Bewohner(innen) vor Teilnahme an der anonymisierten Datenerhebung informiert werden. Ein entsprechendes Schreiben wird den Einrichtungen für die Bewohnerinformation zur Verfügung gestellt.
Interne Projektbeauftragte sind die Ansprechpartner für die Projektleitung. Sie steuern die Projektaufgaben innerhalb der eigenen Einrichtung. Die Träger der Pflegeeinrichtungen entscheiden selbst darüber, wer als Projektbeauftragte(r) benannt wird. Dies ist sinnvoll, da jede Einrichtung im Qualitätsmanagement autonom ist. Vielfach gibt es in den Projekteinrichtungen aber auch schon Überlegungen, vorhandenes Wissen der Pflegeorganisation zur Qualitätsentwicklung zu nutzen und Personalentwicklungsstrategien mit Organisationsentwicklung zu verbinden.4
Die eigentliche Projektaufgabe, Daten in drei Vollerhebungen zu ermitteln, ist verpflichtend. Daneben sind neben der Anwenderschulung auch die Teilnahme an regionalen Treffen sowie die Mitwirkung an der Evaluation des Projektes erforderlich.
Als Zielgruppe rücken dazu Expert(inn)en in den Blick, die die Pflegequalität sichern und weiterentwickeln sollen. Dies sind neben den Qualitätsbeauftragten auch Pflegedienstleitungen oder befähigte Pflegefachpersonen, die zum Beispiel Schlüsselfunktionen in den Einrichtungen übernehmen sollen.
Ziel des Projektes ist die Verknüpfung des internen Qualitätsmanagements mit externer Qualitätsbeurteilung. Dazu sind Plausibilitätsprüfungen durch organisationsexterne Expertise in allen Einrichtungen vorgesehen.
Aufgrund der inner- und außerverbandlichen Bedeutung wird das Projekt von Beginn an durch einen Projektbeirat begleitet. Dieser setzt sich zusammen aus internen, abteilungsübergreifenden Expert(inn)en des DiCV Köln, dem Vorstand der Diözesan-Arbeitsgemeinschaft Altenhilfe und Pflege, dem Medizinischen Dienst Nordrhein, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sowie dem IPW und beteiligten Trägervertretern aus der operativen Ebene.
Methodik und Inhalte
Um das zu bewerten, was tatsächlich beim/bei der Bewohner(in) ankommt, wird Ergebnisqualität anhand der Veränderungen des Gesundheitszustandes ermittelt, der maßgeblich durch Pflege beeinflusst wird. Hier müssen wissenschaftliche Assessmentinstrumente und Fachpersonal eingesetzt werden, die die Ergebnisqualität messen und sichern. Diese Instrumente sollten ins interne Qualitätsmanagement implementiert werden, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Für den eigentlichen Vergleich werden die gesundheitsbezogenen Indikatoren fokussiert. Dabei wird gezielt unterschieden zwischen Bewohner(inne)n, die keine oder nur geringe kognitive Beeinträchtigungen haben und solchen, die erhebliche kognitive Beeinträchtigungen aufweisen.
Einerseits werden bereits vorliegende Routinedaten aus der Pflegeprozessdokumentation für die Erhebung entnommen. Zum anderen werden die Fähigkeiten und Beeinträchtigungen des Bewohners/der Bewohnerin mittels vorgegebener Kriterien systematisch eingeschätzt. Konkretisiert werden diese Kriterien in einem Manual. In vorgegebenen Zeitabständen wird bei allen Bewohner(inne)n in den Einrichtungen die Pflegequalität gemessen. So werden Pflegeverläufe und Veränderungen mittels Kennzahlen sichtbar. Schon nach der ersten Erhebung kann zum Beispiel der Anteil an Druckgeschwüren (Dekubitalulzera), die in einer Einrichtung innerhalb von sechs Monaten entstanden sind, dargestellt werden. Andere Ergebnisindikatoren erfordern den Vergleich zwischen zwei Zeitpunkten, zum Beispiel die Veränderung der Mobilität von Bewohner(inne)n oder die Selbstständigkeit bei Alltagsverrichtungen.
Für das interne Qualitätsmanagement sind andere Indikatoren, wenn auch begrenzt, zur Steuerung einer fachlichen Pflege nutzbar. Dazu zählen zum Beispiel die Vermeidung von Kontrakturen, also Funktions- und Bewegungseinschränkung von Gelenken und Maßnahmen zur Kontinenzförderung. Auch diese Indikatoren werden in "Eqisa" erhoben. Sie eignen sich nicht für einen Pflegequalitätsvergleich, aber für fachliche Interventionen bei Pflegerisiken.
Bestimmte Bewohner(innen) werden auch aus ethischen Aspekten nicht in den Qualitätsvergleich einbezogen.5 Dazu gehören unter anderem Bewohner(innen), die sich in der Sterbephase befinden oder beispielsweise von einem Schlaganfall oder Herzinfarkt betroffen sind.
In dem Projekt werden auch die Angehörigen zur Qualität der Zusammenarbeit mit der Pflegeeinrichtung befragt. Zusätzlich wird aus den internen Daten ermittelt, an welchen Beschäftigungsangeboten die Bewohner(innen) teilnehmen.
Organisation und erste Erkenntnisse
Die benannten Projektbeauftragten werden vom IPW in der Anwendung der Instrumente zur Erhebung der Ergebnisqualität geschult. Aus Forschungsgründen werden alle Projekteinrichtungen für die Qualitätsvergleiche kodiert, also verschüsselt.
Ob die Datenerhebung zu den drei Messzeitpunkten in Papierfassung oder IT-gestützt durchgeführt wird und in welchem Zweiwochenzeitraum des Monats diese erfolgt, können die Projekteinrichtungen selbst entscheiden. Intern muss die Bewohnerversorgung wie bisher sichergestellt und gleichzeitig auch die Personalplanung zur Erhebung adäquat vorbereitet werden.
Bedeutendster Bestandteil im Projekt ist die Validierung der intern erhobenen Daten und Einschätzung auf Richtigkeit. Nach jeder Erhebung kontrolliert ein organisationsunabhängiger Pflegeexperte in jeder Einrichtung die Daten. Die dafür erforderliche Stichprobe wird nach Vorgaben zur Gruppenbildung durch das IPW erstellt. Diese externe Überprüfung ist Bestandteil des konzeptionellen Vorschlags aus dem Projekt "Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Erfassung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe"6.
Auf diese Weise lässt sich das interne Qualitätsmanagement mit externer Qualitätsbeurteilung verknüpfen. So gewonnene Qualitätsbeurteilungen sind die Grundlage für gezielte Qualitätsstrategien. Die Erhebungen und Ergebnisse werden sowohl einrichtungsintern als auch kollegial in sechs regionalen Vor- und Nachbereitungstreffen reflektiert. Unterstützt wird die projektinterne Kommunikation mittels eines Forums im CariNet.
"Eqisa" zeigt bereits unmittelbar, wie erfolgreich es ist. Wichtige Veränderungsprozesse sind schon jetzt durch die ersten Kennzahlen auf den Weg gebracht worden. Diese betreffen unter anderem die Steuerung und Entbürokratisierung der Pflege. Darüber hinaus hinterfragen alle Projekteinrichtungen die ethische Dimension von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen insbesondere bei erheblich kognitiv beeinträchtigten Bewohner(inne)n und finden Verbesserungspotenziale. Durch ein indikatorengestütztes Verfahren zur Messung von Ergebnisqualität wird die tatsächliche Versorgungs- und Pflegequalität einer Pflegeeinrichtung ersichtlich.
Wie es weitergeht
Ergebnisqualität wird über Gesundheitsindikatoren gemessen, dargestellt und verglichen. Es werden Qualitätsberichte je Einrichtung erstellt und Ergebnisqualität durch Vergleiche bewertet.
In den Einrichtungen wird das interne Qualitätsmanagement gestärkt und mit externer Qualitätsbeurteilung verknüpft. Die pflegerische Versorgung und Lebensqualität der Bewohner(innen) sowie Pflegeerfolge werden in den Einrichtungen nachhaltig gesichert. Aus dem Projekt werden Empfehlungen entwickelt, die sowohl inner- als auch außerverbandlich handlungsleitend für zukünftige Qualitätsstrategien in der Altenhilfe sein können. Das Projekt wird summativ und formativ evaluiert. Die Ergebnisse werden der Fachöffentlichkeit zeitnah präsentiert und anschließend veröffentlicht.
Anmerkungen
1. http://caritas.erzbistum-koeln.de, (Pfad: "Unsere Arbeit", "Altenhilfe", Qualitätssicherung").
2. "Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität und Qualitätssicherung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 SGB XI" Sozialgesetzbuch XI, Stand 27. Mai 2011.
3. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 17/9369, 17/9669, Drucksache 17/10157 vom 27.6.2012, S. 30.
4. Salaschek, Martin; Holling, Heinz; Freund, Phillip A.; Kuhn, Jörg-Tobias: Benutzbarkeit von Software: Vor- und Nachteile verschiedener Methoden und Verfahren. In: Zeitschrift für Evaluation. Waxmann Münster 2/2007, S. 268.
5. Analog Bundesforschungsprojekt BMG, BMFSFJ (Hrsg.): Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe, Abschlussbericht Bielefeld/Köln, März 2011.
6. Ebd.