Sozialwirtschaft fischt im Web 2.0 nach Mitarbeitern
Neue Medien erobern die Personalarbeit - auch in der Sozialwirtschaft. Ob Facebook, Youtube oder Twitter, die Zahl der Instrumente des Web 2.0 wächst täglich, so dass es schwerfällt, einen Überblick über die Möglichkeiten der Anwendungen zu bekommen. Nachdem sich viele Unternehmen der freien Wirtschaft bereits mit einer eigenen Facebook-Fanseite positioniert haben, sind nun auch einige Träger, Einrichtungen und Dienste der Sozialwirtschaft im Web 2.0 zu finden. Um diese Entwicklung wissenschaftlich zu erfassen, hat die "Conquaesso"-Personalberatung der Unternehmensberatung "Contec" im Jahr 2011 in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe diesbezüglich Daten erhoben: Die Ergebnisse der Studie "Web-2.0-Anwendungen in der Personalarbeit der Gesundheits- und Sozialwirtschaft"1 bestätigen den wahrnehmbaren Trend, dass die Bedeutung sozialer Online-Netzwerke steigt.
Die Teilnehmenden waren zum Zeitpunkt der Erhebung als hauptamtliche Mitarbeitende sowie Führungskräfte (wie Vorstand, Geschäfts-, Einrichtungs-, Bereichs- und Abteilungsleitung sowie Verwaltungsleitung) in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft im Personalbereich in Deutschland tätig. Der Sozialbereich umfasst im Sinne der Erhebung die Felder Alten-, Behinderten- und Kinder- und Jugendhilfe sowie angrenzende Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft. Befragt wurden 151 Personen. 53,6 Prozent der Befragten sind zwischen 47 und 65 Jahren alt.
Bei der Frage, welche Web-2.0-Anwendungen ihnen bekannt sind, gaben 92,7 Prozent Youtube an. 66,2 Prozent kennen soziale Online-Netzwerke. Befragt danach, welche Online-Netzwerke das sind, gaben mit 98 Prozent annähernd alle Facebook an. Die VZ-Netzwerke liegen mit 81 Prozent vor der Social Community Xing mit 72 Prozent.
Dieser Umstand zeigt deutlich die Bedeutung der sozialen Netzwerke. Die ARD/ZDF-Onlinestudie2 aus dem Jahr 2011 belegt, dass gerade junge Menschen online sind: 100 Prozent der 14- bis 19-Jährigen, bei den jungen Internetnutzer(inne)n zwischen 20 und 29 Jahren 97,5 Prozent. Diese große Gruppe der sogenannten "Digital Natives", also Menschen, die mit dem Internet groß geworden sind, stellt ein hohes Potenzial auch im Bereich des Personalmarketings und der Öffentlichkeitsarbeit dar, das in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels nicht vernachlässigt werden darf. Zudem gehören ebenfalls die Websites von Facebook, Youtube und Wikipedia laut aktuellen Studien3 zu den zehn meistbesuchten Websites weltweit, was die hohe Bedeutung dieser Anwendungen unterstreicht.
Bezogen auf die Nutzung von Web 2.0 im Personalmarketing zeigt sich in der "Conquaesso"-Studie, dass 27,2 Prozent der Befragten künftig aktiv sein wollen. Die Hälfte der Befragten, 50,3 Prozent, hat bislang noch keinen Entschluss dazu gefasst. In der Personalarbeit nutzen aktuell 10,6 Prozent Web-2.0-Anwendungen.
Im Vergleich zu den klassischen Instrumenten des Personalmarketings beziehen die sogenannten Web-2.0-Anwendungen ihre User aktiv mit ein, so dass der/die Nutzer(in) vom reinen Konsumenten zum Mitgestalter wird. Allen Anwendungen gemeinsam ist die Interaktivität. Die Benutzer(innen) können selbst Inhalte erstellen, bearbeiten und veröffentlichen, so dass dadurch eine kollektive Intelligenz entsteht.
Das Web 2.0 verändert den kommunikativen Umgang im Internet grundlegend. Die daraus entstandenen sogenannten Social Communities oder auch Social Networks stellen Plattformen dar, die zum gegenseitigen Austausch von Informationen und Meinungen dienen.
Eine eigene Homepage ist ein Muss
Diese veränderten Kommunikationsstrukturen zeigen sich auch darin, dass sich immer mehr Kund(inn)en via Internet über Träger, Einrichtungen und Dienste informieren. Doch während es in der freien Wirtschaft inzwischen selbstverständlich ist, das eigene Unternehmen auch im Internet über eine Website zu präsentieren, ist dies in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft noch nicht überall der Fall.
Eine eigene Homepage zu gestalten ist der erste Schritt, um möglichen neuen Mitarbeitenden ein Bild von ihrem neuen Arbeitgeber zu vermitteln. So kann ein(e) Bewerber(in) bereits frühzeitig prüfen, ob seine/ihre Erwartungen an die neue berufliche Tätigkeit mit den dargestellten Handlungsschwerpunkten der Einrichtung beziehungsweise des Trägers übereinstimmen. Nicht nur die Einrichtung an sich, sondern auch die dort tätigen (Leitungs-)kräfte sollten möglichst mit Foto vorgestellt werden. So erhalten Bewerber(innen) einen Eindruck, wer ihr neuer potenzieller Vorgesetzter ist, und können sich selbst ein Bild von dessen Qualifikation und Einstellung machen.
Ein "Daumen hoch" erhöht die Popularität
Ergänzend dazu bietet beispielsweise Facebook als Web-2.0-Anwendung Unternehmen die Möglichkeit, eine eigene Seite - eine sogenannte Fanseite - zu gestalten. Auch Einrichtungen und Dienste der Gesundheits- und Sozialwirtschaft könnten auf diese Weise ihr Haus präsentieren. Neben der Vorstellung der Einrichtung lebt eine solche Fanseite vor allem von einem lebendigen Austausch im Rahmen der sogenannten Pinnwand. Hier haben die Besucher(innen) der Seite die Möglichkeit, Kommentare, Links zu Artikeln oder Videos, Fotos und anderes einzustellen beziehungsweise zu posten. Besucher(innen), denen die Seite der Einrichtung gefällt, können dieser ein "Gefällt mir" schenken und das damit auch ihren Bekannten zeigen. Mittels dieses Daumen-hoch-Zeichens, des sogenannten "Like" (engl. mögen, gefallen), können die Urheber(innen) der Seite ihre Fananzahl verfolgen und damit auch die Beliebtheit der Seite messen. Doch nicht nur für Postings von außen eignet sich eine solche Seite, sondern auch, um kurzfristige oder aktuelle Informationen bereitzustellen - beispielsweise die (autorisierten) Fotos vom letzten Sommerfest, die dann Besucher(innen) der Feier kommentieren können.
Eine weitere attraktive Web-2.0-Anwendung ist die Video-Plattform Youtube, die ihren Nutzer(inne)n die Möglichkeit bietet, einer breiten Öffentlichkeit Videobeiträge zur Verfügung zu stellen. Spezifisch für diese Videobeiträge ist ihre Schlichtheit. Inzwischen haben auch einige Einrichtungen und Dienste der Gesundheits- und Sozialwirtschaft diese Plattform für sich entdeckt und nutzen sie, um Videobeiträge in Form von Imagefilmen oder Unternehmenspräsentationen zu veröffentlichen. Youtube ist jedoch nicht nur als eigenständiges Instrument zu sehen, sondern auch vernetzt mit der eigenen Homepage. Beispielsweise besteht für Einrichtungen der stationären Altenhilfe die Möglichkeit, ihr Haus in Form eines Videobeitrags vorzustellen. Potenzielle Interessent(inn)en können damit ihr künftiges Zuhause schon virtuell besichtigen, bevor es zu einem persönlichen Kontakt mit der Einrichtungsleitung kommt. Aber auch neue Mitarbeitende haben die Chance, sich bereits über dieses Video einen ersten Eindruck von den Räumlichkeiten ihres neuen potenziellen Arbeitgebers zu verschaffen.
Ein solcher Beitrag kann dann bei Youtube eingestellt werden. Es empfiehlt sich, am Ende des Videos auf die Unternehmenshomepage zu verweisen. Dadurch wird eine Verknüpfung zwischen der Homepage und Youtube hergestellt. Umgekehrt kann ein Youtube-Video auf der eigenen Seite eingebettet und dort direkt abgespielt werden.
Ein Um- beziehungsweise Weiterdenken im Bereich des Personalmarketings ist wichtig, um künftig konkurrenzfähig und strategisch am Markt agieren zu können. Klassische Wege des Personalmarketings sollten jedoch nicht pauschal über Bord geworfen, sondern um neue Instrumente ergänzt werden. Die klare Zielrichtung zur Gewinnung junger Nachwuchskräfte muss jedoch darin liegen, sich auf Plattformen zu tummeln, wo sich die entsprechende Zielgruppe aufhält: Facebook, Youtube, Xing und Co.
Anmerkungen
1. Siehe www.conquaesso.de/web20-Studie
2. ARD/ZDF-Onlinestudie 2011; www.ard-zdf-onlinestudie.de
3. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/169295/umfrage/beliebteste-webseiten-weltweit-nach-reichweite/ (abgerufen am 16. Juli 2012).