Mehr Chefinnen in der Caritas
Obwohl mittlerweile rund 60 Prozent der Hochschulabsolvent(inn)en weiblich sind, sind Frauen noch nicht im Zentrum gesellschaftlicher Macht angekommen: In Führungspositionen in zentralen Bereichen wie Wissenschaft, Politik und (Sozial-)Wirtschaft stellen sie weiter eine Minderheit dar und werden oft als "Quotenfrauen" angesehen. Besonders gering ist der Anteil weiblicher Führungskräfte auf den obersten Ebenen. Zudem sind Frauen mit Leitungsverantwortung im Vergleich zu männlichen Kollegen häufig kinderlos. Die Caritas stellt keine Ausnahme dar: Rund 80 Prozent ihrer Mitarbeitenden sind Frauen, doch dominieren vor allem auf den obersten Leitungsebenen eindeutig Männer.
Im wissenschaftlichen Diskurs werden verschiedenste Ursachen benannt: Mutterschaft, traditionelle Rollenmuster in den Familien und fehlende Unternehmenskulturen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie starre Karrierepfade spielen ebenso eine Rolle wie vorherrschende Bilder von Führungskräften, die auf Frauen wenig zutreffen ("Think Manager - Think Male"-Phänomen). Auch Vorurteile, dass Frauen weniger kompetent seien, werden als Ursachen benannt sowie eine geringere Aufstiegsorientierung vieler Frauen. Der Verzicht auf Vielfalt in den Führungsetagen erweist sich jedoch beobachtbar als nachteilig im Hinblick auf den Unternehmenserfolg.
Aufgrund der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen entschied die 11. Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes (DCV) 2011, dass sie von "den Unternehmen der Caritas (erwartet), dass sie Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in ihren Vorständen, Geschäftsführungen und Aufsichtsgremien ergreifen". Zur Umsetzung dieses Beschlusses initiierte der DCV-Vorstand das Projekt "Gleichgestellt in Führung gehen: Schaffung eines gleichberechtigten Zugangs von Frauen und Männern zu Führungspositionen der Caritas". Das auf zweieinhalb Jahre angelegte Projekt im Programm "Rückenwind - Für die Beschäftigten in der Sozialwirtschaft" wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Europäischen Sozialfonds sowie DCV-Eigenmittel gefördert. Ziel ist es, Voraussetzungen zur Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte in der Caritas zu schaffen. Angesiedelt ist das Projekt im DCV-Referat Sozialwirtschaft, und die Konzipierung und Umsetzung der Fortbildungsmaßnahmen verantwortet die Fortbildungs-Akademie des DCV.
Studie zu Frauen in der Caritas-Führungsriege
Im Fokus der Arbeit stehen verschiedene Schwerpunkte: Im ersten Schritt ermittelt das Institut für angewandte Forschung (IAF) der Katholischen Hochschule Freiburg in seiner Studie "Frauen in Führungspositionen bei der Caritas: Erfolge und Herausforderungen" die Ursachen der geschlechtsspezifischen Segregation in den (obersten) Führungsebenen, um auf Basis der Ergebnisse Maßnahmen im Projekt konkretisieren zu können. Aktuell werden vor allem Frauen in Führungspositionen, aber auch Männer auf vergleichbaren Ebenen mittels qualitativer Interviews zu ihren Erfahrungen und Sichtweisen befragt.
Darüber hinaus beteiligen sich fünf Pilotstandorte am Projekt: Neben den Diözesan-Caritasverbänden in Hildesheim und Berlin und dem Orts-Caritasverband Arnsberg-Sundern bekommen die Stiftung St. Elisabeth sowie die DCV-Zentrale relevante Instrumente der Personal- und Organisationsentwicklung zur Verfügung gestellt. Über Workshops, Coachings und Seminare sollen Voraussetzungen für die Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte geschaffen werden. Zudem werden Qualifizierungsmaßnahmen für Nachwuchs-Führungskräfte sowie eine Mentor(inn)enfortbildung angeboten und ein Austauschforum für weibliche Führungskräfte initiiert.
Fachlich beraten wird das Projekt durch einen Beirat, dem Vertreter(innen) unterschiedlicher Caritasebenen sowie Angelika Henschel von der Universität Lüneburg als Expertin für den wissenschaftlichen Diskurs angehören. Geleitet wird der Beirat von Irme Stetter-Karp in ihren Funktionen als Gender-Beauftragte und Vize-Präsidentin des DCV.
Zentral für die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit auf Leitungsebenen wird es nicht nur sein, Vereinbarkeitsinstrumente zu etablieren und Frauen mittels Coaching oder Mentoring zu fördern. Vielmehr wird es vor allem darum gehen, gewohnte Rollen- und Karrieremuster in Frage zu stellen - gemeinsam mit den am Prozess beteiligten Männern und Frauen.